# taz.de -- Schutz vor Datenspionage: Betretet endlich Neuland! | |
> Die neue Bundesregierung muss Bürger vor Spionage schützen – indem sie | |
> Sicherheitsstandards vorschreibt und Geheimdienste zügelt. | |
Bild: „Neuland“? So nennt jedenfalls Angela Merkel das Internet. | |
Es ist über drei Monate her, dass der Name Edward Snowden die | |
Vollüberwachung des Internet durch die NSA aufdeckte. Bald darauf war klar: | |
Auch britische und deutsche Geheimdienste spionieren schamlos Bürger aus. | |
Stück für Stück offenbarte sich uns ein Überwachungsskandal, welcher die | |
Grundfesten unserer Rechtsstaatlichkeit erschüttert. | |
Was lange als verschwörungstheoretischer Schwachsinn abgetan wurde, ist nun | |
bittere Gewissheit. Als wäre dies nicht genug, mussten wir zudem machtlos | |
mit anschauen, wie sich verantwortliche Politiker mit Worthülsen aus der | |
Affäre zogen, um den laufenden Wahlkampf nicht zu gefährden. Und das, | |
obwohl sofortige Maßnahmen zum Stopp dieser Überwachungsmaßnahmen angesagt | |
gewesen wären. Es scheint, als agierten unsere demokratisch gewählten | |
Vertreter nur noch um des Wahlkampfes willen. | |
Jetzt, wo alle Wählerstimmen ausgezählt sind, kann es nur eine | |
selbstverständliche Forderung sein, dass der Skandal umfassend | |
aufgearbeitet und die Überwachung sofort gestoppt werden. Die neue | |
Bundesregierung muss den Grundstein hierfür jetzt in den | |
Koalitionsverträgen verankern. Aber auch die Opposition hat die Pflicht, | |
diese Aufklärung einzufordern. | |
Der allumfassenden Überwachung müssen endlich klare Grenzen gesetzt werden. | |
Zunächst muss die künftige Regierung die Frage klären, ob und welchen | |
Umständen unkontrollierbare Geheimdienste ihr Existenzrecht einbüßen. Denn | |
wenn sie nach eigenem Gutdünken handeln, unterhöhlen sie die | |
grundrechtliche Basis, auf der unsere Gesellschaft fußt. Anstatt | |
demokratische Rechte zu schützen, was ihre Aufgabe sein sollte, gefährden | |
sie diese. | |
Bundeskanzleramt und die parlamentarischen Kontrollgremien sind | |
offensichtlich mit ihrer Aufgabe überfordert, die Geheimdienste zu steuern | |
und zu kontrollieren. Es stellt sich ohnehin die Frage, wie solche Gremien | |
aus wenigen Mitgliedern dies bewerkstelligen sollen – bei neunzehn | |
Geheimdiensten mit Zehntausenden Mitarbeitern. | |
## Technische Möglichkeiten sind gegeben | |
Die neue Regierung muss auch technische Grundlagen per Gesetz vorschreiben. | |
Die Privatwirtschaft hat bisher wenig Interesse an Investitionen, die die | |
Sicherheit der Nutzer fördern. Eine Pflicht für | |
Telekommunikationsunternehmen zur Verschlüsselung von Daten – besonders auf | |
Weitverkehrsstrecken wie Seekabeln – ist unverzichtbar. Technische Lösungen | |
existieren hierfür seit Langem. Man muss nun die Betreiber verpflichten, | |
ihre Geräte oder Komponenten davon turnusmäßig zu erneuern. Damit könnte | |
man verhindern, dass Seekabel wie auf der Insel Sylt angezapft werden | |
können. Zudem sind internationale Abkommen erforderlich – doch dies | |
wenigstens zu fordern, kam der Regierung bisher nicht mal in den Sinn. | |
Der Versuch der regierenden Politiker, die Absicherung von persönlicher | |
Kommunikation allein auf die Bürgerinnen und Bürger abzuwälzen, muss man | |
klar als das benennen, was es ist: eine Frechheit. Damit missachten sie | |
ihren Auftrag, die Grundrechte der Bevölkerung zu schützen. Die Opfer eines | |
Rechtsverstoßes darauf hinzuweisen, dass sie sich gefälligst selbst | |
schützen sollen, hat einen zynischen Charakter. | |
Wo man bei einem Raub darauf vertraut, dass man Hilfe von der Polizei | |
erwarten kann, muss die Regierung auch Maßnahmen gegen die Durchleuchtung | |
der digitalen Intimsphäre von Menschen schaffen. Hier sind klare Gesetze | |
gefordert, keine Geheimverträge zwischen den Geheimdiensten. So müssen alle | |
Abkommen, welche Grundrechte von Menschen definieren oder beschränken, | |
öffentlich sein. Ein „No-Spy-Abkommen“, bei dem jede Seite mal so tut, als | |
würde sie auf der anderen nicht mehr hingucken, verdient frenetischen | |
Applaus in einer Politsatire, hat in einer ernsthaften Debatte jedoch | |
nichts verloren. | |
In der gesamten Debatte wurde überwiegend in Bezug auf die NSA | |
argumentiert. Die neue Regierung muss es sich auch zur Aufgabe machen, die | |
Datenschnüffelei der britischen Nachbarn zu beenden. Wo sind die | |
Forderungen gegenüber Großbritannien, seinen Geheimdienst GCHQ an die Leine | |
zu nehmen? Im Gegensatz zu den USA gilt hier die EU-Charta. | |
Zuletzt bedarf es dringend einer Handhabe gegen Personen, die in das | |
massenweise Ausspähen von Daten verwickelt sind. Hier muss eine Anwendung | |
der gleichen strafrechtlichen Regelungen wie bei Privatpersonen Anwendung | |
finden. Auch bei Geheimdienstschnüfflern. | |
Das Internet als Kommunikationsmedium wurde von der Kanzlerin als „Neuland“ | |
abgetan. Nun ist ihre Aufgabe, die schwerwiegenden Misstände zu korrigieren | |
und die Menschen vor den Geheimdiensten zu schützen, welche in der | |
digitalen Welt einen Rechtsbruch ohnegleichen begehen. | |
6 Oct 2013 | |
## AUTOREN | |
Falk Garbsch | |
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