| # taz.de -- Absurdes Schicksal von drei Kamerunern: In den Klauen der Reporter | |
| > Eine Produktionsfirma soll für eine Fernsehreportage drei Kameruner zur | |
| > Flucht nach Europa angestiftet und sogar bezahlt haben. Die stecken jetzt | |
| > fest. | |
| Bild: Italienische Marineoffiziere wundern sich: bei einer lebensgefährlichen … | |
| PARIS taz | Ihre Ankunft und ihre Zukunft in Frankreich hatten sich die | |
| drei Kameruner Joseph, 28, Emile, 19, und Elie, 25, anders vorgestellt. | |
| Heute sitzen sie ohne Geld, ohne Arbeit und ohne Papiere in der Tinte. Für | |
| diese missliche Lage als illegale Immigranten machen die drei eine | |
| französische Fernsehproduktionsgesellschaft verantwortlich. | |
| Diese Firma, Tony Comiti Productions, habe ihre Gutgläubigkeit missbraucht, | |
| machen die Kameruner in einer in der letzten Woche mithilfe eines Anwalts | |
| eingereichten Klage geltend. Diese lautet auf Gefährdung des Lebens von | |
| Dritten und aktive Beihilfe zu illegaler Einreise. | |
| Der Firmeninhaber Tony Comiti weist die Anschuldigung zurück und spricht | |
| von einem Erpressungsversuch seitens „manipulierter“ Personen, die nichts | |
| zu verlieren hätten. Entgegen ihrer Darstellung habe sein Team den drei | |
| „nichts bezahlt und nichts versprochen“, um sie während ihrer eigenen | |
| Flucht durch Libyen und der Überquerung des Mittelmeers nach Lampedusa und | |
| der Weiterreise bis Frankreich für die Sendung „Zone interdite“ des Senders | |
| M6 filmen zu können. | |
| Ernste Zweifel an der empörten Entgegnung der TV-Produzenten hegt der | |
| Medienjournalist Vincent Monnier vom Nouvel Observateur, der die | |
| mehrmonatige Odyssee von Joseph, Elie und Emile rekonstruiert hat. Sein | |
| Szenario beginnt am 25. Dezember 2012 in Murzuk im Süden Libyens, wo die | |
| Reporter Paul Comiti, der Sohn des Firmenchefs, und Olivier Azpitarte, ein | |
| ehemaliger Mediensprecher der Fremdenlegion, die Kameruner kennen lernen. | |
| Sie scheinen ihnen die perfekten „Hauptdarsteller“ ihrer Flucht-Reportage | |
| zu sein. | |
| ## Frankreich, das Schlaraffenland | |
| Die drei hatten zwar in Murzuk Jobs gefunden und konnten Geld an ihre zu | |
| Hause gebliebenen Familien schicken. Doch Frankreich lockte. Die | |
| Journalisten hätten sie mit Versprechen angestiftet, illegal nach | |
| Frankreich zu reisen, wo ein Schlaraffenland auf sie warten würde: eine | |
| Ausbildung für Joseph, die Rekrutierung bei der Fremdenlegion für Elie und | |
| Emile. | |
| „Sie haben sogar einen Teil unserer Reisekosten übernommen. Doch bei | |
| unserer Ankunft in Paris im Juli haben sie uns im Stich gelassen“, beklagt | |
| sich Elie. Ein Zeuge in Murzuk, der Direktor einer lokalen Ölgesellschaft, | |
| der den Schutz der beiden Franzosen übernommen hatte, bestätigt: „Ohne | |
| attraktive Versprechen seitens der Journalisten hätten (die drei) niemals | |
| solche Risiken auf sich genommen.“ | |
| Schon drei Tage später reisten alle fünf Richtung Norden bis Sabha. Dort | |
| trennten sich die Wege bis Tripolis: mit einer Eskorte in wenigen Stunden | |
| für die beiden Franzosen, zusammengepfercht mit anderen Exilkandidaten in | |
| einem Lastwagen und zuletzt zu Fuß durch die Wüste für die Flüchtlinge. | |
| Bezahlt aber hätten für beide Routen die Franzosen. Sie organisierten auch | |
| den Transport in die Hafenstadt Zuwara. | |
| ## Die Produktionsfirma soll für die Reise bezahlt haben | |
| Da sich Paul Comiti den Arm gebrochen hat, muss er hier ersetzt werden. Als | |
| Ersatz springt die 22-jährige Camille Courcy ein. Sie begleitet die | |
| Kameruner mit der Kamera bei der lebensgefährlichen Bootsfahrt nach | |
| Lampedusa. Die Kameruner haben nur die Hälfte vom üblichen Preis bezahlt. | |
| Wer hat den Rest beglichen? Die italienischen Marineoffiziere waren | |
| erstaunt, unter den vor dem Schiffbruch geretteten Passagieren eines Kahns | |
| eine Journalistin und einen französischen Begleiter zu finden. | |
| Joseph, Emile und Elie kamen in ein Auffanglager auf Sizilien, wo ihnen | |
| Camille Courcy im Interesse ihrer Reportage mit Geld und einem Handy erneut | |
| zur Flucht und mit Geld für die Bahntickets zur Weiterreise verhalf. „Mit | |
| Zustimmung der Produktionsgesellschaft“, sagt sie. | |
| Der Dokumentarfilm ist angeblich noch in der Montage. Vielleicht aber wird | |
| er nie ausgestrahlt. Falls doch, könnte die Fortsetzung vor Gericht | |
| stattfinden. Es geht um einen Präzedenzfall für die Berichterstattung aus | |
| Krisengebieten und um eine Grenze zwischen Journalismus und TV-Spektakel. | |
| 8 Oct 2013 | |
| ## AUTOREN | |
| Rudolf Balmer | |
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