# taz.de -- Pisa-Studie für Erwachsene: Wir sind nur Mittelfeld | |
> Der Pisa-Test für Erwachsene zeigt: Der Bildungserfolg hängt in | |
> Deutschland besonders von der sozialen Herkunft ab. Eine langfristige | |
> Strategie fehlt. | |
Bild: Noch nicht ganz, aber beim Lesen sind die Deutschen nicht vorn mit dabei. | |
BERLIN taz | Bis wann soll das Kind im Kindergarten sein? Wie hoch ist der | |
Preisnachlass im Supermarkt tatsächlich? Jeder sechste Deutsche kann | |
längeren Texten keine relevanten Informationen entnehmen, jeder fünfte | |
scheitert an einfachen mathematischen Aufgaben. Das zeigt der erste | |
Pisa-Test für Erwachsene, den die Organisation für wirtschaftliche | |
Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) am Dienstag vorstellte. | |
Wie bei den Pisa-Schülerstudien wurden auch bei den 16- bis 65-jährigen | |
Erwachsenen Leseverständnis und alltagsmathematische Kompetenzen getestet. | |
Zusätzlich mussten sie auch ihre Computerfertigkeiten unter Beweis stellen: | |
Kernkompetenzen des Informationszeitalters, die nach OECD-Verständnis jeder | |
benötigt, um fit für die Arbeitswelt zu sein. Über 100.000 Erwachsene aus | |
24 Ländern nahmen an der Studie teil, lösten die Aufgaben und gaben | |
Interviews. | |
Der Erwachsenentest, PIAAC genannt, reproduziert die beiden wichtigsten | |
Erkenntnisse aus der ersten Pisa-Schülerstudie: Erstens liegt Deutschland | |
im internationalen Vergleich nur im Mittelfeld. Und zweitens, die soziale | |
Herkunft entscheidet maßgeblich über den Bildungserfolg. Menschen, deren | |
Eltern weder Abitur noch Berufsausbildung haben, liegen mit ihren | |
Lesefähigkeiten im Mittel rund sieben Schuljahre hinter jenen, bei denen | |
mindestens ein Elternteil einen Hochschulabschluss oder einen Meisterbrief | |
vorweisen kann. | |
Einen deutlicheren Zusammenhang zwischen Elternhaus und Bildung gibt es nur | |
in den USA. „Die soziale Schere aus dem Schulbereich bleibt im späteren | |
Leben bestehen“, konstatiert Beatrice Rammstedt, Leiterin des deutschen | |
PIAAC-Teams. | |
## Besser Rechnen als Lesen | |
Im Lesen liegen deutsche Erwachsene knapp unter dem OECD-Durchschnitt, im | |
Rechnen und bei den Computerkenntnissen sind sie leicht | |
überdurchschnittlich. Das deutsche Gesamtergebnis wird vor allem durch das | |
schlechte Abschneiden des unteren Fünftels und Sechstels gedrückt: | |
„Deutschland hat Probleme, den Leistungsschwächsten grundlegende | |
Kompetenzen zu vermitteln“, meint Rammstedt. | |
Dass Deutschland in diesem Bereich ein Problem hat, zeigte bereits eine | |
Studie der Universität Hamburg aus dem Jahr 2011. Demnach leben in | |
Deutschland 7,5 Millionen funktionale Analphabeten, deren Lesefähigkeiten | |
kaum das Niveau von 10-jährigen Schülern übersteigen. „Es gibt keine | |
langfristige Strategie, wie mit diesem Problem umgegangen wird“, | |
kritisierte Peter Hubertus, Geschäftsführer des Bundesverbands | |
Alphabetisierung gegenüber der taz. Zurzeit nähmen lediglich etwa 25.000 | |
Menschen an Lese- und Schreibkursen teil. „Bund und Länder müssen sich auf | |
einen Masterplan einigen, der über diese Legislaturperiode hinausreicht“, | |
forderte Hubertus. | |
„Wir haben verstanden“, meinte hingegen der Staatssekretär von | |
Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU), Gerd Hoofe, und deutete an, | |
dass sich die nächste Bundesregierung auf einen nationalen | |
Qualifizierungspakt einigen könnte. Details nannte er jedoch nicht. | |
Dass Chancengerechtigkeit und gute Leistungen Hand in Hand gehen können, | |
zeigen etwa Japan oder die skandinavischen Länder. Sie haben nicht nur mehr | |
überdurchschnittliche Leser und Rechenbegabte, sondern auch kleinere | |
Gruppen an funktionalen Analphabeten. | |
## Computer - das fremde Wesen | |
Am Computer zeigen Erwachsene aller Länder gleichermaßen große Lücken. In | |
den Test mussten die Probanden etwa Partyeinladungen verschicken. Bis zu | |
ein Viertel von ihnen hatten keine Erfahrungen mit Computern oder konnten | |
keine Maus bedienen, in Deutschland waren es knapp 13 Prozent. Nur jeder | |
dritte Deutsche schafft es über Webseiten zu navigieren und sich etwa aus | |
einem Onlinekatalog ein Buch zu bestellen. | |
Die Unterschiede zwischen den Generationen waren in diesem Bereich am | |
größten, zeigten sich aber auch auf den anderen beiden Feldern. So waren | |
die Lesekompetenzen der 16- bis 24-Jährigen in den meisten Ländern und auch | |
in Deutschland besser ausgeprägt als die der 25- bis 65-jährigen. „Das | |
zeigt, dass Kompetenzen gestaltbar sind“, meinte OECD-Direktorin Barbara | |
Ischinger. Sie appellierte an Deutschland: „Bildungschancen müssen gerecht | |
verteilt sein.“ | |
8 Oct 2013 | |
## AUTOREN | |
Anna Lehmann | |
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