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# taz.de -- Machtkampf bei der Linkspartei: Ein prekärer Friede
> Gregor Gysi bleibt wohl alleiniger Fraktionschef der Linken. Sahra
> Wagenknecht ist sauer. Es ist ein Ringen um Etiketten – und darunter
> schwelt Missgunst.
Bild: Nur im Bild vor Gregor Gysi: Sahra Wagenknecht
BERSTELAND taz | Es ist noch nicht offiziell – aber Gregor Gysi bleibt wohl
allein Chef der Bundestagsfraktion der Linkspartei. Sahra Wagenknecht hatte
schon seit längerem den Anspruch angemeldet, Co-Chefin der Fraktion zu
werden. Doch der Antrag der West-Linken Sevim Dagdelen, dass auch die
Fraktion ab jetzt von einem Mann-Frau Duo geführt wird , hat in der neuen
64-köpfigen Fraktion wenig Chancen. Gysi hat vor allem seit dem Parteitag
in Göttingen 2012 und Oskar Lafontaines Rückzug Partei und Fraktion
zusammengehalten.
Dafür, so der Deal, wird Wagenknecht nun wahrscheinlich alleinige
Stellvertreterin von Gysi – zuvor war sie erste Stellverteterin gewesen,
hatte sich diesen Titel aber mit der zum pragmatischen Flügel gezählten
Cornelia Möhring aus Kiel geteilt. Der Machtkampf in der Linksfraktion
scheint zivilisiert ausgetragen zu werden. Er dreht sich um Rangabzeichen.
Er ist zu einem Ringen um Etikette geworden.
Darunter aber schwelt Missgunst, meist unausgesprochen.
Sahra Wagenknecht ließ nun ziemlich klar durchblicken, was sie von Gysis
Machtanspruch hält: Der habe die Fraktion quasi erpresst. Man müsse
„aufpassen, dass man Fraktionen nicht zu Zerreißproben bringt, wenn dann
Ultimaten öffentlicher Art im Raum stehen“, so Wagenknecht. Eigentlich, so
Wagenknecht, wolle die Fraktion eine Doppelspitze – doch Gysi verhindere
dies mit der Andeutung, dann als Fraktionschef zurückzutreten. Ob Gysi
neben Wagenknecht als Fraktionsspitze weitermachen würde, sei fraglich.
Wagenknecht, so die Lesart des Gysi-Lagers, habe sich einfach
verkalkuliert. Sie habe vor der Klausur ihre Ambitionen ziemlich deutlich
bekannt – und hätte nun erkennen müsen, dass ihr dafür schlicht die
Bataillone fehlten. Viele Ost-Pragmatiker fürchten, dass unter eine
Fraktionschefin Wagenknecht wieder ein strammer Anti-SPD-Kurs eingeschlagen
würde. Andere sind skeptisch, weil Wagenknecht, neben Gysi das bekannteste
Gesicht der Partei, zu wenig integrieren würde. Und Spannungen, die sich
verschärfen können, gibt es in der Fraktion.
## Offener Kampf
Die endgültige Entscheidung wird am Mittwoch bei der Fraktionsklausur in
Bersteland im Süden von Berlin fallen. Doch dass die neue Fraktion diese
Vorabsprache kippt und damit womöglich Gregor Gysi stürzt, würde jeder
politischen Ratio Hohn sprechen. Und: Die Linkspartei ist, wenn es eine
Große Koalition gibt, führende Oppositionspartei – in den wichtigen
Debatten wird sie erste im Bundestag Angela Merkel antworten. Es ist schwer
vorstellbar, dass die Linksfraktion diese Herausforderung ohne Gysi als
Fraktionschef meistern will.
Offen ist, wer den Posten der parlamentarischen Geschäftsführerin bekleiden
wird – die Ost-Realo-Frau Dagmar Enkelmann, die den Job bisher gemacht
hatte, ist nicht mehr im Bundestag. Die Realos wollten dort gerne Stefan
Liebich sehen, der in Berlin ein Direktmandat gewann und der profilierteste
jüngere Realo ist. Doch es wird wohl auf eine für beide Flügel akzeptable
Frau hinauslaufen.
Denn: Mit Gysi ist ein Mann an der Spitze, und noch ein Mann auf dem
strategisch wichtigen Geschäftsführer-Posten, das geht in der Linkspartei
nicht. Keine andere Fraktion ist so weiblich: Es gibt 36 Frauen und 28
Männer in der Links-Fraktion. Als Favoritin gilt vor der Abstimmung Petra
Sitte aus Sachsen-Anhalt, die zum pragmatischen Flügel gehört.
Die politischen und habituellen Differenzen sind nicht kleiner als in der
letzten Fraktion. Es herrscht ein prekärer Friede. [1][Im Interview mit der
taz] sagte Klaus Ernst, dass die Partei weder in Ost noch in West alleine
über 5 Prozent gekommen wäre. Daher müsse man sich einigen, so Ernst, der
wohl auch dem erweiterten Fraktionsvorstand angehören wird. Das klang eher
wie Notgemeinschaft und Einsicht ins Unabänderliche, aber nicht danach,
dass nun freudig zusammenwächst, was zusammengehört.
Die Fraktion besteht exakt zu gleichen Teilen aus Ost- und Westlinken: 32
zu 32. Die Abgeordneten aus dem Osten scheinen noch etwas homogener
realo-orientiert zu sein, der Westen noch etwas stärker dem linken Flügel
zugeneigt. Allein zehn Abgeordnete kommen aus NRW, damit fast ein Drittel
aller West-MdBs. In der letzten NRW-Landesgruppe gab es noch Zentristen wie
Paul Schäfer und Ulla Lötzer. Doch die haben ihre politische Karriere an
den Nagel gehängt.
Erstmal bleibt wohl alles beim alten. Das heißt auch: Der Druck im Kessel
ist noch da.
9 Oct 2013
## LINKS
[1] /!125087/
## AUTOREN
Stefan Reinecke
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