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# taz.de -- Friedenspreis für Swetlana Alexijewitsch: Chronistin des Leidens
> Sie gilt als moralisches Gedächtnis der zerfallenen UdSSR. Nun hat die
> weißrussische Autorin Swetlana Alexijewitsch den Friedenspreis des
> Deutschen Buchhandels erhalten.
Bild: „Archäologin der kommunistischen Lebenswelt“: Swetlana Alexijewitsch…
FRANKFURT/MAIN dpa | Die weißrussische Autorin und Regimekritikerin
Swetlana Alexijewitsch hat am Sonntag in der Frankfurter Paulskirche den
Friedenspreis des Deutschen Buchhandels entgegengenommen. Gut zwei
Jahrzehnte nach dem Zusammenbruch des Sowjetimperiums zog die
Schriftstellerin in ihrer Dankesrede eine pessimistische Bilanz. „Es gibt
wenige Gewinner, aber viele Verlierer“, sagte die 65-Jährige. „Wir hatten
gedacht, der Kommunismus sei tot, aber diese Krankheit ist chronisch.“
Nach der Begründung des Stiftungsrats wird Alexijewitsch als eine
Schriftstellerin geehrt, „die die Lebenswelten ihrer Mitmenschen aus
Weißrussland, Russland und der Ukraine nachzeichnet und in Demut und
Großzügigkeit deren Leid und deren Leidenschaften Ausdruck verleiht“. An
der Verleihung der renommierten Auszeichnung, die mit 25.000 Euro dotiert
ist, nahm auch Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) teil.
Als die „Archäologin der kommunistischen Lebenswelt“ würdigte Laudator Ka…
Schlögel die Autorin. „Als Schriftstellerin hat sie gegen die autoritären
Regime im postsowjetischen Raum, nicht nur in Belarus, nichts aufzubieten
als ihr Wort - beharrlich, furchtlos, ergreifend“, sagte der Historiker.
Alexijewitsch, die als moralisches Gedächtnis der zerfallenen Sowjetunion
gilt, lässt in ihren dokumentarischen Werken die einfachen Menschen und
Vergessenen zu Wort kommen. Mit Büchern über Tschernobyl, den sowjetischen
Afghanistankrieg oder die Rolle der Frauen beim Sieg der Roten Armee gegen
Hitler-Deutschland ist sie zur Chronistin des Leidens geworden. In ihrem
neuen Werk („Secondhand-Zeit“) hat sie die erschütternden Gefühlswelten d…
Menschen nach dem Zusammenbruch des Sowjetimperiums offengelegt.
## Zu denen gehen, die keine Stimme haben
Auch in ihrer Rede in der Paulskirche zitierte sie viele Stimmen aus ihren
Büchern. „Die Gesichter verschwinden aus meiner Erinnerung, die Stimmen
aber bleiben.“ Sie schreibe seit fast 40 Jahren an einem einzigen Buch, an
einer russisch-sowjetischen Chronik aus Revolution, Gulag, Krieg. „Ich gehe
zu denen, die keine Stimme haben. Ich höre ihnen zu, höre sie an, belausche
sie.“
Nach mehr als zehn Jahren im Ausland lebt Alexijewitsch wieder in Minsk.
Ihre Werke sind dort verboten und werden über Russland – dort können sie
gekauft werden – eingeschmuggelt. Die Geschichte wiederhole sich, sagte
Alexijewitsch. „In meinem kleinen Weißrussland gehen Tausende junge Leute
erneut auf Straße. Sitzen im Gefängnis. Und reden über die Freiheit.“
Der Vorsteher des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, Gottfried
Honnefelder, bezeichnete Alexijewitsch als Schriftstellerin ganz neuer Art.
Die 65-jährige habe ihre ganze Kraft dazu verwandt, „diejenigen lebendig
und hörbar werden zu lassen, deren Stimmen stumm bleiben“. Es könne keinen
Frieden geben, wenn Menschen oder ganze Gruppen stumm gemacht würden.
13 Oct 2013
## TAGS
Friedenspreis des Deutschen Buchhandels
Swetlana Alexijewitsch
Frieden und Krieg
Frankfurt am Main
Sowjetunion
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Swetlana Alexijewitsch
Nobelpreis
Swetlana Alexijewitsch
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