# taz.de -- Islamistenführer in Kenia: Mit frommen Büchern und Videos | |
> Religionen können nicht nebeneinander existieren, sagt Abubakar Shariff. | |
> Und fragt, warum man den Muslimen nicht Afghanistan und Somalia lassen | |
> kann. | |
Bild: Hat klare Vorstellungen: Abubakar Shariff. | |
MOMBASA taz | „Wir werden immer beschuldigt, Terroristen zu sein“, sagt | |
Abubakar Shariff und zeigt auf sein Handy. Dort läuft ein YouTube-Film mit | |
Bildern von getöteten Shabaab-Kämpfern in Somalia. „Märtyrer“ werden sie… | |
Film genannt, und es wird versprochen, dass sie nicht umsonst gestorben | |
sind. „Das wird in Mombasa herumgeschickt von jungen Muslimen“, warnt | |
Shariff. | |
Der islamistische Führer in Mombasa ist besser unter seinem Spitznamen | |
„Makaburi“ bekannt – „Friedhof“. Die UNO verdächtigt ihn, Kenianer f… | |
bewaffnete islamistische Gruppen anzuwerben. Er steht auf einer | |
US-Terrorliste. | |
Drei Wochen nach dem blutigen Überfall mutmaßlicher Shabaab-Kämpfer auf das | |
Einkaufszentrum Westgate in Kenias Hauptstadt Nairobi ist noch immer nicht | |
offiziell bestätigt, wer die Täter waren. Kenias Regierung versucht, den | |
Eindruck zu erwecken, es handele sich ausschließlich um Ausländer. | |
Doch auch Kenianer werden von der islamistischen Shabaab-Miliz in Somalia | |
angeworben – und zwar nicht nur ethnische Somalis. Mombasa, die große | |
Hafenstadt am Indischen Ozean, gilt als Zentrum solcher islamistischer | |
Aktivitäten. | |
UN-Recherchen deuten dabei auf al-Hijra, einst ein islamistisches | |
Jugendzentrum. Die Leiter und Mitglieder sind schon längst verschwunden; es | |
wird vermutet, das sie nach Somalia gezogen sind. Voriges Jahr wurde der | |
ideologische Führer der Gruppe, Aboud Rogo Mohammed, in Mombasa auf der | |
Straße von Unbekannten ermordet. Seitdem versucht Abubakar Shariff | |
Mohammed, die Zügel aufzunehmen. | |
Gleich nach dem Attentat im Westgate-Einkaufszentrum erklärte Shariff, er | |
habe damit nichts zu tun. Aber er gibt im Gespräch zu, radikalisiert zu | |
sein. Die US-Invasion in Irak vor zehn Jahren habe ihn überzeugt, dass er | |
nur unter der striktesten Form des islamischen Scharia-Rechts leben kann. | |
„Ich glaube, dass ein Dieb seine Hand verlieren soll“, erklärt er. „Das | |
schafft eine bessere Gesellschaft.“ | |
## In Kenia nur eine Minderheit | |
In Kenia, wo nur 20 Prozent der Bevölkerung Muslime sind, ist das aber | |
nicht möglich, das sieht er ein. Shariff sagt: „Religionen können nicht | |
nebeneinander existieren. Eine wird immer dominieren. In Kenia geht es | |
nicht, obwohl wir Muslime entlang der Küste in der Mehrheit sind. Warum | |
lässt der Westen uns denn nicht Afghanistan und Somalia, wo Taliban und | |
al-Shabaab Ruhe brachten? Dort können dann Muslime aller Welt hinziehen, um | |
nach unseren Gesetzen zu leben.“ | |
Für seine Überzeugungen zahlt Shariff einen Preis. Er ist mehrmals | |
verhaftet worden, gegen ihn laufen zwei gerichtliche Verfahren. Er muss | |
sich zweimal in der Woche bei der Polizei melden und fürchtet um sein | |
Leben. Er war eng befreundet mit dem getöteten kontroversen Imam Aboud | |
Rogo. Rogo und sein Kollegen Samir Kahn, der ebenfalls in 2012 unter | |
unklaren Umständen in einem Wildpark tot aufgefunden wurde, waren des | |
Waffenbesitzes und der Shabaab-Mitgliedschaft beschuldigt. „Auch ich | |
fürchte um mein Leben“, sagt Shariff. | |
Der Islamist empfängt in seinem Büro im Erdgeschoss eines Hochhauses. Seine | |
Frau und Kinder haben ihn verlassen, weil sie es zu gefährlich finden, in | |
seiner Nähe zu sein. Seine Mutter sorgt für den 47-Jährigen, der nicht | |
arbeitet. „Ich gehe selten aus, nur um mich bei der Polizei zu melden. Und | |
ab und zu in die Moschee. Aber keiner weiß im voraus, in welche.“ | |
## Unter Terrorverdacht verhaftet | |
Stattdessen verbringt er viel Zeit mit Lesen. Hinter seinem Büro hat er | |
eine Bibliothek voll mit religiösen Büchern, die er immer wieder studiert. | |
Ein Terrorist? Er schüttelt den Kopf. „Kenias Vizepräsident William Ruto | |
ist wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit beschuldigt, weil er | |
verantwortlich sein soll für das Umbringen von Mitgliedern eines | |
rivalisierendes Volkes. Und ich bin Terrorist, nur weil ich einen Platz in | |
der Welt suche, wo ich leben kann, wie es nach islamistischem Gesetz | |
gefordert ist?“ | |
Aber Kenias Sicherheitsbehörden haben Angst, dass sich Shabaab in der | |
Küstenregion festsetzt. Immer wieder werden Muslime unter Terrorverdacht | |
verhaftet. Und in bewährter Manier wird dies auch missbraucht. Ein | |
Lastwagenfahrer im Stau zeigt auf einen Polizisten im Schatten eines | |
Baumes. „Ich weigerte mich vor kurzem, bei einer Straßensperre der Polizei | |
Schmiergeld zu geben“, erzählt er. „Sie beschuldigten mich, zu Shabaab zu | |
gehören, und sperrten mich fünf Stunden ein.“ | |
14 Oct 2013 | |
## AUTOREN | |
Ilona Eveleens | |
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