# taz.de -- Massenverhaftungen in Kenia: Alle Somalis als Terroristen | |
> Willkür und Massenverhaftungen: Im Rahmen der Jagd auf Islamisten gerät | |
> Kenias somalische Minderheit unter Generalverdacht. | |
Bild: Abtransport eines Verdächtigen in Nairobi am 9. April. | |
NAIROBI taz | Im überfüllten Minibus lässt ein weiblicher Fahrgast Osman | |
Mohamed keinen Augenblick aus den Augen. Als er aussteigt, seufzt er tief. | |
„Ich werde so müde von den Leuten, die mich anstarren, als ob ich jede | |
Sekunde etwas Schlimmes tun könnte“, sagt er. „Die Polizei hält mich an | |
jeder Ecke an und will meine Papiere sehen. Und das alles nur, weil ich | |
aussehe wie ein Somalier.“ | |
Der Journalismusstudent Osman Mohamed ist einer der mehr als eine Million | |
Kenianer somalischer Herkunft. Er ist leicht gebaut, hat eine hohe Stirn | |
und hellbraune Hautfarbe, typisch für Personen somalischer Herkunft. „Wir | |
sehen anders aus als der Rest der Kenianer und sind leicht zu | |
identifizieren“, sagte der Zwanzigjährige in der Hauptstadt Nairobi. | |
Seit einem Monat betreibt die kenianische Polizei eine wahre Hexenjagd | |
gegen Menschen somalischer Abstammung. Mindestens 4.000 Menschen wurden in | |
den Straßen festgenommen oder aus ihren Häusern mitgenommen. Sie wurden in | |
Polizeizellen oder in einem Fußballstadion festgehalten, während ihre | |
Papiere überprüft wurden. Mehr als hundert wurden als illegale Einwanderer | |
nach Somalia zurückgeschickt. Rund 300 mit Flüchtlingsstatus wurden in die | |
bestehenden somalischen Flüchtlingslager in der Nähe der Grenze | |
verfrachtet. | |
Mit diesen Maßnahmen versucht Kenias Regierung, der Serie von Anschlägen | |
auf Bushaltestellen, Kirchen und Restaurants durch die radikalislamistische | |
somalische Al-Shabaab-Miliz ein Ende zu setzen. Aber trotz der Razzien gibt | |
es fast täglich Anschläge. Sie sind Vergeltung für die Beteiligung der | |
kenianischen Truppen an der AU-Eingreiftruppe Amisom in Somalia. Am | |
gewalttätigsten war im vergangenen September der Anschlag auf das | |
Westgate-Einkaufszentrum in Nairobi, bei dem 68 Menschen starben. | |
## „Ich hatte nie das Gefühl, anders zu sein“ | |
„Das war der schrecklichste Tag in meinem Leben“, sagt Osman Mohamed und | |
schüttelt den Kopf. In einem Restaurant, in das vor allem Ausländer kommen, | |
trinkt er eine Tasse Tee mit Zitrone. Hier fühlt er sich weniger verfolgt. | |
„Unter den Opfern waren Angehörige von mir, während die Attentäter | |
ethnische Brüder von mir sind. Das ist alles nicht zu fassen.“ | |
Er findet es unverständlich, dass Kenias Regierung jetzt alle Menschen | |
somalischer Herkunft in einen Topf mit al-Shabaab wirft. Er erinnert an den | |
Sohn eines ehemaligen Ministers, der während des Westgate-Angriffs unter | |
Lebensgefahr Dutzende von Menschen rettete. „Er ist somalischer Abstammung | |
und war der Held des Tages. Seine Aktion sorgte dafür, dass Kenianer nicht | |
alle mit somalischem Aussehen als Schuldige ansahen.“ | |
Osman Mohamed, ältestes von fünf Kindern, fühlt sich in erster Linie als | |
Kenianer. Er spricht besser Kenias gebräuchlichste Sprache Swahili als | |
Somalisch. Sein Vater diente 31 Jahre als Soldat in der kenianischen Armee. | |
Die Familie lebte auf einer Militärbasis in Thika, etwa fünfzig Kilometer | |
nördlich von Nairobi. „In der Schule waren wir alle Kenianer. Ich hatte nie | |
das Gefühl, anders zu sein.“ | |
## Online wirbt al-Shabaab um terroristischen Nachwuchs | |
Shabaab versucht jetzt, die Wut junger kenianischer Somalis über die | |
Razzien zu instrumentalisieren. In den gleichen sozialen Medien, die auch | |
diese Jugendlichen benutzen, rief die Miliz ethnische Somalis und Muslime | |
auf, sich ihr anzuschließen und Rache zu nehmen. | |
Die somalische Gemeinschaft wird schon seit Langem vom kenianischen Staat | |
anders behandelt als durchschnittliche Kenianer. Im Nordosten des Landes, | |
wo die Somalis leben, gab es früher Aufstände für einen Anschluss an | |
Somalia, die blutig niedergeschlagen wurden. | |
Auf Facebook und Twitter wimmelt es jetzt von Geschichten, wie die Polizei | |
Kenianern somalischen Ursprungs ihre Ausweise abnimmt und erst gegen | |
Bestechung zurückgibt. 50 Euro scheint üblich zu sein. | |
6 May 2014 | |
## AUTOREN | |
Ilona Eveleens | |
## TAGS | |
Al-Shabaab | |
Westgate Mall | |
Amisom | |
Nairobi | |
Kenia | |
Kenia | |
Somalia | |
Kenia | |
Schwerpunkt Klimawandel | |
Kenia | |
Somalia | |
Kenia | |
Kenia | |
Kenia | |
Kenia | |
Kenia | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Islamistenangriff in Kenia: Nichtmuslime selektiert und getötet | |
Mit einem besonders brutalen Überfall auf einen Reisebus in Kenia | |
demonstrieren die somalischen Shabaab-Milizen grenzüberschreitend Stärke. | |
Anschläge in Kenia: Islamisten an der Küste | |
Grenzübergreifende Angriffe auf die Küstenregion nahe Mombasa sorgen für | |
Verunsicherung. Hintergrund ist ein Konflikt um Landbesitz. | |
Islamisten-Angriffe in Somalia: Al-Shabaab ist wieder da | |
Die islamistische Al-Shabaab-Miliz hat den Amtssitz des Präsidenten von | |
Somalia angegriffen. Der versucht die Attacke herunterzuspielen. | |
Kenias Opposition protestiert: Tränengas und Schüsse | |
In Kenia protestieren Oppositionelle in mehreren Städten gegen die Politik | |
des Staatschefs Uhuru Kenyatta. Bewaffnete töten wahrlos mehrere Menschen. | |
Kenia und seine Ressourcen: Der Traum von Öl und Wasser | |
In Turkana, wo Nomaden zum Opfer des Klimawandels werden, wurden Erdöl und | |
unterirdische Seen entdeckt. Die Region ist seitdem im Umbruch. | |
Islamistischer Anschlag in Kenia: Dutzende Tote in Touristenort | |
Ende Mai drohte die somalische Al-Shabaab-Miliz mit einem „Heiligen Krieg“ | |
in Kenia. Nun griffen die Extremisten offenbar an und töteten Dutzende | |
Menschen. | |
Anschlag auf somalisches Parlament: „Attacke gegen das Volk“ | |
Bei einem Terroranschlag auf Somalias Parlament am Samstag starben | |
mindestens 24 Menschen. Verantwortlich zeigt sich die radikal-islamistische | |
Al-Shabaab-Miliz. | |
Islamistenführer in Kenia: Mit frommen Büchern und Videos | |
Religionen können nicht nebeneinander existieren, sagt Abubakar Shariff. | |
Und fragt, warum man den Muslimen nicht Afghanistan und Somalia lassen | |
kann. | |
Nach dem Terrorangriff von Nairobi: Ein weiterer Verdächtiger gefasst | |
Kenias Innenminister Joseph Ole Lenku bestätigt eine neue Festnahme. | |
Insgesamt wurden bislang zwölf verdächtige Terroristen festgenommen, drei | |
davon sind wieder frei. | |
Terror in Kenia: Bombenschläge fordern weitere Tote | |
Im Nordosten Kenias wurden durch Bombenaschläge drei Menschen getötet und | |
acht weitere verletzt. Die Granaten wurden in zwei Grenzstädten gezündet. | |
Afrikabild im Angesicht des Terrors: Plump und arrogant | |
Die Berichterstattung über Westgate ist von Stereotypen und Herablassung | |
geprägt. Die Existenz der kenianischen Mittelschicht wird komplett | |
ausgeblendet. | |
Schießerei in Kenia: Blutbad in der Mall | |
Bei einer Schießerei in Kenias Hauptstadt Nairobi sind mindestens 15 | |
Menschen ums Leben gekommen. Unklar ist, ob es sich um einen Terroranschlag | |
handelt. |