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# taz.de -- Ausgewiesene 15-jährige Schülerin: Leonarda führt Frankreich vor
> Die Abschiebung einer Kosovarin mitten im Schulausflug treibt die
> Regierung in einen Schlingerkurs. Derweil wurde die Familie in Mitrovica
> tätlich angegriffen.
Bild: Leonarda (m.) und ihre Familie. Mutter Dzemila Dibrani (2 v. l.) ist mitt…
PARIS taz/afp | „Die Familie Dibrani kommt nicht nach Frankreich zurück:“
Mit diesem Satz gegenüber der Sonntagszeitung Journal du Dimanche wollte
der französische Innenminister Manuel Valls einen Schlusspunkt unter die
Polemik um die Abschiebung dieser kosovarischen Roma-Familie setzen, in
deren Verlauf die 15-jährige Tochter Leonarda während einer Klassenfahrt
aus dem Schulbus geholt worden war. Kritik lässt Valls kalt. Er beruft sich
auf einen Untersuchungsbericht, der ihm bescheinigt, dass bei der Festnahme
von Leonarda alles legal gelaufen sei – auch wenn seit Mitte der Woche
tausende Schüler aus Solidarität demonstrieren.
Leonarda ist ein Symbol für eine unmenschliche Flüchtlingspolitik in
Frankreich geworden. Die Umstände erinnern zu sehr an die deutsche
Besatzung im Zweiten Weltkrieg, als französische Beamte zusammen mit der
deutschen Gestapo Schulkinder zur Deportation abholten.
Doch Valls weiß, dass er mit seiner harten Linie eine schweigende Mehrheit
in Frankreich hinter sich hat. Drei Viertel seiner Mitbürger billigen sein
Vorgehen gegen die Roma-Familien aus Osteuropa, das sich kaum von der
Politik seiner rechten Vorgänger unterscheidet. 64 Prozent der Befragten
möchten auch nicht, dass Leonarda nach Frankreich zurückkommen darf.
Dabei hat die Jugendliche jetzt eine persönliche „Einladung“ von
Staatspräsident François Hollande bekommen, nach Frankreich zurückzukommen,
um ihren Unterricht zu beenden. Allerdings gilt diese Einladung nur für
Leonarda allein, nicht aber für den Rest der Familie Dibrani, die sich
jetzt im albanischen Teil von Mitrovica (Kosovo) aufhält.
## Gerüchte über Gewalttätigkeit
Für die Behörden in Paris ist die Rechtslage klar: Die Familie war 2009 aus
Italien illegal nach Frankreich eingereist und hatte erfolglos die
Anerkennung als Flüchtlinge beantragt. Französische Medien haben Gerüchte
über den Vater verbreitet, er sei gewalttätig und habe sich in Italien
geweigert, zu arbeiten. Vor Kameras hat er eingeräumt, dass er bei seinem
Asylantrag in Frankreich geschummelt habe. In Mitrovica erklärt er, er käme
so oder so nach Frankreich zurück. Dafür brauche er 20.000 Euro. Es klang
wie ein provokanter Spendenaufruf.
Doch dafür können seine Kinder nichts. Leonarda hat den französischen
Fernsehteams gesagt, sie kenne Kosovo nicht, wolle aber auch nur zusammen
mit Eltern und Geschwistern zurück nach Frankreich, wo sie sich zu Hause
fühle. Hollandes Angebot könne sie nicht akzeptieren.
Viele finden Hollandes Vorschlag peinlich: der Präsident deckt seinen
Innenminister; es sollen aber auch alle wissen, dass er die „Emotionen, vor
allem der Jugend“, für „legitim“ hält. Er fordert darum die Beamten auf,
bei Abschiebungen „mit Zurückhaltung und Menschlichkeit“ zu handeln. Auch
wünscht er, dass die Schule „vor gesellschaftlichen Konflikten bewahrt“
werden müsse.
Flüchtlingshelfer fordern, Schulgelände zu geschützten Zonen zu erklären
und der Polizei gezielte Ausweiskontrollen vor Schultoren zu untersagen.
Mehrfach haben Gruppen von LehrerInnen, Eltern und SchülerInnen des
Netzwerks „Erziehung ohne Grenzen“ (RESF) von der Ausweisung bedrohte
Jugendliche versteckt. „Das sind unsere Schüler, unsere Kinder oder die
Kameraden unserer Kinder. Wenn sie einer schändlichen Abschiebung entrinnen
wollen, werden wir ihnen helfen“, stand 2006 in einer RESF-Petition. Zu den
Unterzeichnern gehörten die Sozialisten Jean-Marc Ayrault, heute
Premierminister, und Harlem Désir, heute Parteichef.
## Streit zwischen zwei Familien
Unterdessen wurde bekannt, dass ein am Wochenende erfolgter Angriff auf
Leonarda und ihre Familie im Kosovo offenbar ein Privatstreit war und
nichts mit der Abschiebung aus Frankreich zu tun hatte. Es habe sich ersten
Erkenntnissen zufolge um einen Streit zwischen zwei Familien gehandelt,
teilte ein Polizeisprecher am Sonntagabend in Mitrovica mit. Leonarda und
ihre Familie waren zuvor bei einem Spaziergang in der Stadt attackiert
worden.
In die Auseinandersetzungen seien die Familien Dibrani, zu der Leonarda
gehört, und Bislimi verwickelt gewesen, sagte Polizeisprecher Ahmet Gjosha.
„Es hat sich herausgestellt, dass Herr Bislimi vor 25 Jahren mit Xhemaili
Dibrani verheiratet war. Wir gehen davon aus, dass dies der Hintergrund des
Vorfalls ist.“
Erste Ermittlungen hätten keinerlei möglichen Zusammenhang mit der
Abschiebung von Leonardas Familie aus Frankreich ergeben, betonte Gjosha.
Vier Menschen seien nach dem Angriff festgenommen worden. Dabei war nach
Angaben aus Polizeikreisen unter anderem Xhemaili Dibrani, die Mutter von
Leonarda, geohrfeigt worden. Die Mutter kam ins Krankenhaus, die
„traumatisierten “ wurden den Angaben zufolge auf eine Polizeiwache
gebracht.
21 Oct 2013
## AUTOREN
Rudolf Balmer
## TAGS
Kosovo
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