| # taz.de -- Ausländerbehörde zeigt Härte: Roma eiskalt abgeschoben | |
| > Die Ausländerbehörde lässt kurz vor dem Winter 49 Menschen auf den Balkan | |
| > ausfliegen. Flüchtlingsrat wirft Innensenator vor, „Angst und Schrecken“ | |
| > zu verbreiten | |
| Bild: Protest gegen Antiziganismus Ende Oktober in Berlin. | |
| Am vergangenen Dienstag hat Innensenator Frank Henkel (CDU) 49 Menschen ins | |
| frühere Jugoslawien bringen lassen. Betroffen von der Sammelabschiebung | |
| waren laut Innenverwaltung 24 bosnische und 25 serbische Staatsangehörige, | |
| die von Schönefeld nach Belgrad bzw. Sarajevo ausgeflogen wurden. Es war | |
| seit August die dritte Sammelabschiebung von Berlin auf den Balkan. | |
| Der Berliner Flüchtlingsrat kritisierte die Maßnahme. „Da wurden Leute früh | |
| morgens aus ihren Betten geholt und sofort zum Flughafen gebracht und in | |
| den Flieger gesetzt“, so Martina Mauer von der Initiative. Nach ihrer | |
| Kenntnis seien mehrere Menschen betroffen gewesen, die aufgrund ihres | |
| schlechten Gesundheitszustands nicht hätten abgeschoben werden dürfen. | |
| „Aber bei so einer Hauruck-Aktion bleibt nicht einmal Zeit, ein Gericht | |
| anzurufen.“ | |
| Mauer weiß auch von einem schwerkranken alten Mann aus Serbien, dessen | |
| Lebenspartnerin abgeschoben wurde, mit der er seit 30 Jahren zusammenlebt | |
| und ein Kind hat. „Er trägt ein Beatmungsgerät und war auf die Hilfe seiner | |
| Partnerin angewiesen“, sagt sie. Andere Betroffene wollten bereits | |
| freiwillig zurückkehren und hätten schon Termine dafür gehabt „Der Großte… | |
| der Asylsuchenden aus dem Westbalkan sind Angehörige der Roma-Minderheit. | |
| Sie werden in der Regel direkt in die Obdachlosigkeit abgeschoben. Auf dem | |
| Westbalkan sind sie existenzieller Armut, vielfältigen Diskriminierungen | |
| und rassistischen Übergriffen ausgesetzt.“ | |
| Mindestens zehn Jahre lang habe Berlin die Praxis unangekündigter | |
| Blitzabschiebungen nicht mehr angewendet, sagt Mauer. Die Ausländerbehörde | |
| wolle mit dem Wiederaufgreifen „Angst und Schrecken“ verbreiten. „Sie | |
| schreckt dabei weder vor Familientrennung zurück noch vor der Abschiebung | |
| schwerkranker Menschen.“ Eine Serbin, deren Nachbarn abgeholt wurden, | |
| erzählt der taz: „Ich schlief noch, als die Polizei in unser Wohnheim kam. | |
| Ich hatte große Angst, dass auch ich abgeholt und nach Serbien gebracht | |
| werde. Ich bin froh, dass mein kranker Mann im Krankenhaus liegt und das | |
| nicht miterleben musste.“ | |
| Rechtsanwältin Marie Ellersieck betreute zwei betroffene Roma und erzählt: | |
| „Meine Mandanten waren in einer therapeutischen Behandlung. Die | |
| Ausländerbehörde hat aber die Atteste nicht akzeptiert und den | |
| Therapieprozess mit der Abschiebung abgebrochen.“ Die Männer seien morgens | |
| 7 Uhr aus den Unterkünften geholt und zum Flughafen gebraucht worden. „Ich | |
| wurde als Anwältin nicht informiert, und es blieb auch nicht die Zeit, ein | |
| Gericht anzurufen“, so Ellersieck. „Ich bewerte solche Blitzaktionen als | |
| ein Abschneiden von Rechtsmitteln.“ | |
| Kritik kommt auch von der Opposition im Abgeordnetenhaus. Pirat Fabio | |
| Reinhardt sagt: „Dieses Vorgehen ist rein politisch motiviert. Der Senat | |
| möchte jetzt vor den Wintermonaten noch schnell so viele Flüchtlinge wie | |
| nur irgend möglich abschieben.“ Die Piratenfraktion forderte ein „Ende | |
| dieser menschenverachtenden Praxis und einen Abschiebestopp insbesondere | |
| über die Wintermonate“. | |
| ## Jahrelang praktiziert | |
| Gemeinsam mit Grünen und Linken wollen die Piraten einen solchen | |
| Abschiebestopp für Minderheitenangehörige ins Parlament einbringen. „Das | |
| wäre ein Gebot der Menschlichkeit“, sagte die grüne Flüchtlingspolitikerin | |
| Canan Bayram. Der frühere Innensenator Ehrhart Körting von der SPD hatte | |
| einen Winter-Abschiebestopp jahrelang praktiziert, wenn auch nicht | |
| öffentlich verkündet. | |
| Vergangenes Jahr hatte Innensenator Frank Henkel (CDU) noch im Dezember | |
| Betroffene abgeschoben, nach öffentlichen Protesten aber seine Haltung | |
| geändert. Nun erklärte er gegenüber der taz Folgendes: „Berlin hat sich in | |
| den vergangenen Jahren den in einigen Bundesländern verfügten formalen | |
| Winterabschiebestoppregelungen für Angehörige von Minderheiten aus Serbien, | |
| Bosnien, dem Kosovo und Mazedonien nicht angeschlossen. Ungeachtet dessen | |
| hat Berlin der Situation besonders schutzbedürftiger Menschen aus den | |
| Westbalkanstaaten in den Wintermonaten 2012/2013 in angemessener Weise | |
| Rechnung getragen und wird dies unter humanitären Aspekten auch künftig | |
| tun.“ | |
| Soll wohl heißen: Am Dienstag war ja noch kein Winter. | |
| 31 Oct 2013 | |
| ## AUTOREN | |
| Marina Mai | |
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