| # taz.de -- Kommentar über die Prostitutionsdebatte: Bildnisse einer Hure | |
| > Die bessere Sichtbarkeit von Sexarbeiterinnen hat vor allem | |
| > Berührungsängste verstärkt. Ein Verbot hilft den Betroffenen aber auch | |
| > nicht. | |
| Bild: Der Sexmarkt ist ohnehin geöffnet, öffentlich oder schwarz. | |
| Der Kriminologe Christian Pfeiffer macht mit, Schauspielerin Senta Berger, | |
| Bestsellerautor Frank Schätzing, Kabarettist Dieter Nuhr und Historiker | |
| Hans-Ulrich Wehler. Und die Regisseurin Margarethe von Trotta. Und die | |
| Künstlerin Rosemarie Trockel. Sie alle fordern in der aktuellen Ausgabe der | |
| Emma: „Prostitution abschaffen!“ Ach ja – und wie genau? Durch „Ächtun… | |
| Freier“, lautet die Antwort und „wenn nötig, auch Bestrafung“. | |
| Das lehnen die „selbstbestimmten Huren“ zu Recht ab. In einem „Appell für | |
| Prostitution“ erklären sie, Prostitution sei eine berufliche Tätigkeit auf | |
| freiwilliger Basis. Komme Zwang ins Spiel, handle es sich um Vergewaltigung | |
| und die sei ohnehin strafbar. Unterdessen formieren sich in Frankreich, wo | |
| ein Verbot des Sexkaufs geplant ist, auch die ersten Freier gegen die | |
| geplante Einschränkung ihrer Lust. Wie kann man diese Gemengelage | |
| sortieren? | |
| Die Gretchenfrage lautet: Was ist freiwillig? Glaubt man den Berichten von | |
| Polizei und Hilfsstellen, dann besteht die Prostitution in Deutschland | |
| größtenteils aus Migrantinnen, die wissen, dass sie hier als Hure arbeiten | |
| werden. Viele sind Frauen aus Osteuropa, oft Romni, die von ihren Familien | |
| geschickt werden, damit sie Geld für die Angehörigen verdienen. | |
| Die Prostitution ist für sie ein Weg aus der absoluten Armut. Sie haben | |
| keine Erfahrung und keine Wahl und halten deshalb die grausigsten | |
| Arbeitsbedingungen samt Zuhälter aus. So sieht die Ankunft der | |
| osteuropäischen Armut in Deutschland aus. | |
| ## Sollten die Jobs verboten werden? | |
| Ist das freiwillig? Na ja. Aber ist diesen Frauen gedient, wenn man die | |
| Prostitution verbietet wie in Schweden oder wie es nun in Frankreich | |
| geplant ist? Menschen arbeiten in vielen schlechten Jobs „unfreiwillig“ und | |
| ertragen sie nur, weil sie Geld verdienen müssen. Wenn man sie fragt, | |
| würden sie lieber etwas anders machen. Soll man solche Jobs deshalb | |
| verbieten? Es gibt intelligentere Konzepte. | |
| Die Augsburger Polizei etwa wirbt dafür, dass Huren nur noch selbstständig | |
| arbeiten sollten, um eine Abhängigkeit von Zuhältern oder Bordellbetreibern | |
| auszuschließen und die Arbeitsbedingungen zu verbessern. Ein Verbot des | |
| Sexkaufs hält die Augsburger Polizei für falsch. Prostitution lasse sich | |
| nicht verbieten. | |
| Mit anderen Worten: Der Sexmarkt ist ohnehin da, öffentlich oder schwarz. | |
| Warum aber schlagen die Wellen gerade jetzt so hoch? Es herrscht eine Art | |
| moral panic, eine irreale Angst vor der Prostitution, denn seit der | |
| Legalisierung im Jahr 2001 ist sie sichtbarer geworden. Wellnessbordelle | |
| machen großflächig Werbung, es gibt sogar „Flatrates“, denn die Konkurrenz | |
| schläft nicht. | |
| ## Besser: Die Rechte der Prostituierten verbessern | |
| Was als Lockmittel für Männer gedacht ist, die ihre Potenz maßlos | |
| überschätzen, stellt sich aus Sicht der Frauen nicht mehr als | |
| „freiwilliger“ Sex dar, über den sie selbst bestimmen können. Sextouristen | |
| reisen in Bussen durch Deutschland, von Bordell zu Bordell. Das erschreckt | |
| viele Menschen. Also schnell weg damit. | |
| Dabei böte gerade die größere Öffentlichkeit die Chance, die Rechte der | |
| Huren zu verbessern. Auf die Hilfe der Freier kann man dabei nicht zählen. | |
| Die 343 Franzosen etwa schwadronieren scheinheilig davon, dass sie niemals | |
| gegen den Willen einer Frau mit ihr Sex haben könnten, und geben sich als | |
| Connaisseure der Lust als Delikatesse. Genauso wenig wie die | |
| AbolitionistInnen wollen die Freier die Welt sehen, wie sie ist. Sie nutzen | |
| ein Wohlstandsgefälle aus, genau wie es Sextouristen tun. Das braucht man | |
| sich nicht schönzureden. | |
| Und, ja, es macht etwas mit den Frauen, wenn sie ihren Intimbereich gegen | |
| Geld verleihen, insbesondere wenn sie keine Alternative dazu sehen. Es ist | |
| eben doch etwas anderes als eine Massage oder das Haareschneiden. Kein | |
| Wunder, dass weder Freier noch Bordellbetreiber wollen, dass ihre Töchter | |
| diesen Beruf ausüben. Viele Frauen würden auch lieber heute als morgen | |
| aussteigen. Das wollen die Freier nicht wahrhaben. Aber auch an dieser | |
| Tatsache führt kein Weg vorbei. | |
| 2 Nov 2013 | |
| ## AUTOREN | |
| Heide Oestreich | |
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