| # taz.de -- Unsichtbare Frauen: Immer muss ich mich verstecken | |
| > Eva ist eine normale Mutter, Elternsprecherin. Aber es gibt eine | |
| > unsichtbare Seite, das ist ihre Arbeit in einem Bordell. Niemand soll es | |
| > erfahren. | |
| Bild: „Die Unsichtbaren“ – Protokolle der taz zum Internationalen Frauent… | |
| Mein Job, der ist eine komische Mischung aus sichtbar und unsichtbar sein. | |
| Ich arbeite als Prostituierte in einem kleinen Bordell. Aber nur zwei Mal | |
| die Woche. Sonst arbeite ich noch in einem Kiosk. Das ist meine sichtbare | |
| Arbeit, die Prostitution dagegen ist in meinem sonstigen Leben unsichtbar. | |
| Nur die allerengsten Freunde wissen davon. Meine Söhne wissen es nicht. Die | |
| sollen es auch nie erfahren. Ich arbeite nur vormittags im Bordell. Die | |
| Arbeit im Kiosk ist mein Alibi. Da kann mein kleiner Sohn, der andere ist | |
| schon aus dem Haus, mein Zehnjähriger kann da hinkommen und Mama von der | |
| Arbeit abholen. | |
| Ich bin schon seit langem in der Prostitution. Mit 14 Jahren bin ich von | |
| zuhause abgehauen. Warum? Da hat ein Onkel gemacht, was nicht so in Ordnung | |
| war, sag ich jetzt mal. Ich war in Wien auf dem Kinderstrich, dann mal im | |
| Heim, immer so hin und her. Zweimal hatte ich in meinem Leben längere | |
| Beziehungen, daher kommen meine beiden Söhne. Aber mit Männern bin ich | |
| durch. | |
| Zwischendurch habe ich eine Ausbildung zur Altenpflegerin gemacht. Da habe | |
| ich auch gearbeitet, aber diese Spätschichten und Wochenenden, das ging mit | |
| meinem kleinen Sohn nicht. Dann bin ich wieder in die Prostitution | |
| gegangen. Jetzt bin ich 48 und mache das sicher noch eine Weile. Aber | |
| dieses Geheimhalten, diese Unsichtbarkeit meines Jobs, die ist ganz schön | |
| anstrengend. Als ich Elternsprecherin in der Schule meins Sohnes werden | |
| wollte, bin ich erst mal zum Jugendamt: Kann so jemand wie ich das machen? | |
| Die waren aber ganz aufgeschlossen und sahen darin kein Problem. | |
| Ich muss immer sehr aufpassen, dass ich mich nicht erpressbar mache: Einmal | |
| hat eine Freundin es nach einem Streit herumerzählt. Das war furchtbar. | |
| Aber ich habe dann gesagt: Okay, Leute, so sieht es aus. Da hatte ich. dann | |
| einige Freunde weniger. Ich muss mich immer verteidigen, wenn mein Beruf | |
| sichtbar wird. Deshalb ist es schon in Ordnung, dass er unsichtbar ist. | |
| Aber toll ist das nicht. Da kommt zum Beispiel immer einer meiner Nachbarn | |
| zu uns ins Bordell. | |
| Der war auch schon bei mir, der kennt mich als Prostituierte. Aber | |
| natürlich will er auch unsichtbar bleiben. Also reden wir zu Hause so wie | |
| Nachbarn, als würden wir uns kaum kennen. Ich spreche mit seiner Frau, | |
| seinen Kindern. Die Frau weiß nicht, dass er ins Bordell geht. Das ist | |
| schon schizophren. Immer wenn ich einen Kunden im Alltag treffe, habe ich | |
| ein Kribbeln im Magen: sagt der was oder sagt der nichts. | |
| ## Bordelle als Abwechslung | |
| Besser wäre doch, wenn wir diesen Teil unserer Sexualität offenlegen | |
| würden. Wenn wir sagen würden: okay, in einigen Ehen ist der Sex nicht da | |
| oder beschränkt, andere Männer haben keine Frau, dafür gibt es dann | |
| Bordelle als Abwechslung. Ich ess ja auch nicht jeden Tag Nudeln. Wenn das | |
| einfach ein normaler Beruf wäre, wie Masseurin oder Gynäkologe. Und man | |
| sich nicht mehr verstecken müsste. | |
| Ob ich in meinem Job als Prostituierte auch unsichtbar bin? Na ja, es geht | |
| natürlich nicht um mein Vergnügen, sondern um das des Gastes. Und manche | |
| sind schon auch fies, befehlen herum und sagen, ich solle froh sein, wenn | |
| sie mich überhaupt buchen, zum Beispiel, wenn gerade nicht viel los ist. | |
| Ich würde sagen, etwa 30 Prozent der Gäste behandeln einen so, als wäre man | |
| nichts wert. Das gilt aber nur für den Tagesbetrieb. Nachts in Bars ist es | |
| schlimmer, wenn alle besoffen sind. | |
| Ich habe den Job angemeldet und zahle Steuern. Das ist gut, dass wir | |
| wenigstens für die Behörden aus der Unsichtbarkeit rausgekommen sind. Denn | |
| das bedeutete auch immer Unsicherheit. Man brauchte einen Zuhälter, der | |
| kostete Geld. Gut die Hälfte des Lohns ging für den drauf. Das Bordell | |
| nimmt nur 30 Prozent. | |
| Wenn meine Söhne das irgendwann erfahren? Was dann? Dann werde ich ihnen | |
| erklären, wie das aus meiner Sicht ist. Ich glaube eigentlich: So, wie ich | |
| sie erzogen habe, mögen sie mich dann trotzdem noch. Hoffentlich. | |
| 10 Mar 2013 | |
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