# taz.de -- Talibanchef durch Drohne getötet: Pakistan ist sauer auf die USA | |
> Gerade noch war Regierungschef Sharif in Washington. Und am Samstag | |
> sollten Friedensgespräche mit den radikalen pakistischen Taliban | |
> beginnnen. | |
Bild: Sicherheitsmaßnahmen nach dem Mord an Hakimullah Mehsud. | |
BANGKOK taz | Pakistans Regierung hat am Sonntag angekündigt, die | |
Beziehungen zu den USA zu überdenken. Erste Entscheidungen sollten noch am | |
Sonntag im Rahmen eines Treffen fallen, bei dem Premierminister Nawaz | |
Sharif den Vorsitz hatte. | |
Die Regierung ist verärgert über Berichte, wonach die USA den Anführer der | |
Tehrik-e-Taliban Pakistan (Taliban-Bewegung in Pakistan, TTP), Hakimullah | |
Mehsud, am Freitag bei einem Drohnenangriff getötet haben sollen. Einen Tag | |
später hätten erste offizielle Friedensgespräche zwischen den Taliban und | |
Unterhändlern der Regierung beginnen sollen. | |
Innenminister Chaudhry Nisar Ali Khan bezeichnete schon am Samstag die | |
gezielte Tötung Mehsuds als „einen Angriff auf den Frieden“ in der Region. | |
Der US-Botschafter in Islamabad wurde einbestellt. | |
## Raketen auf das Auto von Mehsud | |
Übereinstimmenden Berichten zufolge kam Mehsud ums Leben, nachdem | |
unbemannte Drohnen im Nordwesten des Landes mehrere Raketen auf sein Auto | |
abfeuerten. Mindestens vier weitere Personen sollen dabei ebenfalls getötet | |
worden sein. Mehsud war seit 2009 Anführer der militanten Organisation. | |
Sein Vorgänger Baitullah Mehsud war zuvor ebenfalls bei einem | |
Drohnenangriff getötet worden. Ein TTP-Sprecher drohte mit | |
Vergeltungsschlägen. | |
Die TTP unterhält zwar Kontakte zu den afghanischen Taliban, hat aber | |
ansonsten nur wenig mit der Organisation von Mullah Omar gemein. Die | |
Pakistanischen Taliban sind ein Zusammenschluss von mehr als 30 Gruppen, | |
die im unübersichtlichen Grenzgebiet zu Afghanistan operieren. Viele von | |
ihnen sind nicht viel mehr als kriminelle Banden, andere werden von | |
radikalen Geistlichen oder selbsternannten Predigern angeführt. | |
Ihre Kämpfer haben in den vergangenen Jahren bei Angriffen und | |
Terroranschlägen Tausende Menschen ermordet, oft durch Selbstmordattentate. | |
Häufig haben die Militanten bewusst zivile Ziele, etwa Märkte oder | |
Moscheen, in die Luft gesprengt – das Markenzeichen des nun getöteten | |
TTP-Chefs. | |
## Nur ein vorläufiger Anführer | |
Bereits nach dem Tod Baitullah Mehsuds vor vier Jahren gab es laut | |
Berichten massive Spannungen zwischen einigen Taliban-Gruppen. Seinem | |
Nachfolger Hakimullah, der als hitzköpfig, brutal und charismatisch galt, | |
ist es aber offenbar gelungen, die Differenzen zu überbrücken. Darüber, wer | |
die TTP fortan führen soll, gab es am Sonntag unterschiedliche Berichte. | |
Vieles deutet darauf hin, dass zunächst nur ein vorläufiger Anführer | |
ernannt wurde. | |
Die wütende Reaktion von Pakistans Regierung erscheint verständlich. Erst | |
kürzlich hat Premier Nawaz Sharif bei einem Treffen mit US-Präsident Barack | |
Obama in Washington ein Ende der Drohnenangriffe gefordert. Diese hat | |
Pakistan zuvor zwar insgeheim befürwortet oder unterstützt. Die Angriffe | |
sind jedoch im Land selbst äußerst umstritten, da dabei immer wieder auch | |
Zivilisten getötet werden. | |
Sharif, der seit Juni zum dritten Mal Regierungschef des Landes ist, | |
befürwortet auch die Friedensgespräche mit den pakistanischen Taliban, die | |
am Samstag hätten beginnen sollen. Mit den Gesprächen wollte Sharif die | |
Militanten davon überzeugen, auf weitere Gewaltakte zu verzichten. | |
## USA ist auf Pakistan angewiesen | |
Kritiker im In- und Ausland bezweifelten die Sinnhaftigkeit solcher | |
Gespräche mit einer derart gewalttätigen Organisation. Sharif hat der TTP | |
jedoch für den Fall eines Scheiterns der Gespräche mit militärischer Gewalt | |
gedroht. Dass die USA den Chef der Organisation nun eigenmächtig liquidiert | |
haben, ist für Sharif in mehr als nur einer Hinsicht ein Schlag ins | |
Gesicht. | |
Eine neue Eiszeit zwischen Washington und Islamabad – wie es sie etwa auch | |
nach der US-Kommandooperation gegeben hat, bei der 2011 Osama bin Laden | |
getötet wurde – könnte für die USA schweren Folgen haben. Washington hofft, | |
dass die pakistanische Regierung ihren Einfluss auf die afghanischen | |
Taliban dazu nutzen wird, um diese von einer Friedenslösung in Afghanistan | |
zu überzeugen. Gleichzeitig müssen die ausländischen Truppen in Afghanistan | |
den Großteil ihrer Militärausrüstung bei ihrem Abzug im kommenden Jahr auf | |
dem Landweg über Pakistan transportieren. | |
3 Nov 2013 | |
## AUTOREN | |
Sascha Zastiral | |
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