# taz.de -- Große Koalition und Mieten: Gebremste Mietpreisbremse | |
> Union und SPD wollen die Mieten in Gegenden mit „angespanntem | |
> Wohnungsmarkt“ deckeln. Welche das sind, sollen die Länder festlegen. | |
Bild: Angebot naja, Nachfrage enorm: davon profitieren Vermieter und erhöhen d… | |
BERLIN taz | Frauke-Bruna Lohmann aus Frankfurt hat ihren Urlaub | |
gestrichen. Sie muss das Geld sparen, um sich eine bessere Wohnung leisten | |
zu können. Seit vier Jahren sucht die 65-Jährige. Mehr als 650 Euro für die | |
Miete gibt ihre Rente nicht her. Doch da fangen die Angebote in ihrem | |
Viertel Frankfurt-Griesheim erst an. „Das sind Bruchbuden mit quietschenden | |
Dielen“, sagt sie. | |
Seit Jahren klagen Menschen über unbezahlbare Mieten in Großstädten. Ein | |
Grund: Eigentümer können die Miete beliebig erhöhen, wenn sie eine Wohnung | |
neu vermieten. Das wollen SPD und Union mit einer Mietpreisbremse ändern. | |
Für die nächsten fünf Jahre sollen „bei Wiedervermietung die | |
Mieterhöhungsmöglichkeiten auf maximal zehn Prozent über der ortsüblichen | |
Vergleichsmiete“ beschränkt werden. So steht es im Koalitionsvertrag, auf | |
den sich SPD und Union letzte Woche geeinigt haben. | |
Doch Rolf Janssen vom Mieterschutzverein des Deutschen Mieterbundes (DMB) | |
Frankfurt ist skeptisch. „Vielleicht wird sie hier gar nicht gelten“, sagt | |
er. Denn die CDU setzte durch, dass jedes Land selbst entscheiden kann, ob | |
es die Rechte der Mieter stärken will. Dazu müssen die Länder Gebiete | |
definieren, in denen ein „nachgewiesener, angespannter Wohnungsmarkt“ | |
herrscht. | |
Vorlage war ein Gesetz zur Kappungsgrenze. Auch hier müssen die Länder | |
Regionen ausweisen, in denen die Miete alle drei Jahre statt um 20 nur um | |
15 Prozent erhöht werden kann. Bis jetzt haben das nur Berlin, Hamburg und | |
Bayern eingeführt. „Was ist mit Frankfurt in Hessen oder Stuttgart in | |
Baden-Württemberg?“ fragt Ulrich Ropertz vom bundesweiten DMB. | |
## Den Exzess eindämmen | |
In Hessen würde noch geprüft, in welchen Gebieten Wohnungsnot herrsche, | |
heißt es aus dem Wirtschaftsministerium. „Das ist eine politische | |
Entscheidung“, sagt dagegen Mark Gellert vom Wohnungsdezernat Frankfurt. | |
Vor allem die FDP halte nichts von Mieterrechten. Volker Bouffier sagte | |
jedoch im Sommer: „Für neue Mietverhältnisse muss es Grenzen geben, die den | |
Exzess eindämmen.“ Gellert hofft deshalb auf eine schwarz-grüne Koalition. | |
Kommt es dazu, würde die rot-grüne Mehrheit in den Ländern gestärkt. Schon | |
jetzt wollen acht Länder (Brandenburg, Berlin, Hamburg, NRW, | |
Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Bremen, Bayern) die Mietpreisbremse | |
einführen, wenn sie kommen sollte. Doch selbst dann kann es noch lange | |
dauern bis es die Mieter merken. | |
„Es ist ein enormer finanzieller, personeller und zeitlicher Aufwand“, sagt | |
Frank Steffe, Leiter des Verkehrsreferats Bremen. Denn die Länder dürfen | |
nicht schludern, wenn sie bestimmen, in welchen Gebieten Wohnungsnot | |
herrscht. Ihre Entscheidung kann vor Gericht angefochten werden. Schon | |
jetzt prüft der Haus- und Grundbesitzerverein (H&G), ob er gegen die | |
Mietpreisbremse klagen könnte. Das Gesetz greife in das Eigentumsrecht und | |
die Vertragsfreiheit ein. | |
Die Vorgabe, dass die Wohnungsnot nachgewiesen sein muss, böte „eine | |
weitere Angriffsfläche“. Doch Daten sammeln dauert. Nur in Hamburg und | |
Berlin könnte es schnell gehen. Als Stadtstaaten müssen sie die Verordnung | |
nur durch ein Gremium bringen. Außerdem sammeln sie seit Jahren Gutachten | |
zur Wohnsituation. | |
## Noch einmal kräftig zugelangt | |
Für Flächenstaaten ist es dagegen ein großer Aufwand, zu ermitteln, wie | |
sich die Mieten von Region zu Region unterscheiden. Jede Gemeinde wird | |
einzeln befragt. Doch nicht überall gibt es solide Daten, geschweige denn | |
einen Mietspiegel. Oft findet man alle paar Kilometer unterschiedliche | |
Mieten wie in Rheinland-Pfalz. In Bayern muss jede Gemeinde noch einmal | |
gesondert abstimmen, ob sie eine Mietpreisbremse will. Stellt sie den | |
Antrag zu spät, muss sie warten bis die Verordnung das nächste Mal | |
fortgeschrieben wird. Manchmal ist das erst ein paar Jahre später. | |
In Baden-Württemberg zeigte sich, was eine Verzögerung für die Mieter | |
bedeuten kann. Im März fing die Landesregierung an, ihre Wohnlandschaft zu | |
vermessen. Sie wollte das Gesetz zur Kappungsgrenze nutzen. Erst ein Jahr | |
später im Frühjahr 2014 wird sie fertig sein. „Die Vermieter nutzen die | |
Zeit, um nochmal kräftig zuzulangen“, sagt Angelika Brautmaier vom | |
Mieterverein Stuttgart. Günther Krappweis bekam das zu spüren. Seine Miete | |
steigt alle 15 Monate um 50 Euro. „Mein Gehalt wird aber nicht alle 15 | |
Monate erhöht“, sagt er. Brautmeier befürchtet, dass es bei der | |
Mietpreisbremse einen ähnlichen Effekt geben könnte. | |
Auch deshalb würden Länder wie Baden-Württemberg, Brandenburg, | |
Rheinland-Pfalz, Bremen und NRW ihre Zuständigkeit gerne wieder abgeben. | |
Sie bevorzugen eine bundesweite Regelung, wie sie im SPD-Programm stand. | |
Die würde sofort in Kraft treten, wäre vor Gericht nicht so angreifbar und | |
würde den Ländern eine Menge Arbeit ersparen. | |
Doch der Aufwand sei notwendig heißt es aus CDU-Kreisen. Ein Eingriff in | |
das Eigentumsrecht von Vermietern sei bundesweit nicht gerechtfertigt. Ob | |
es dazu wirklich kommen würde, bezweifelt Ulrich Ropertz vom DMB. | |
Schließlich könnten in Gebieten, in denen keine Wohnungsnot herrscht, | |
Mieten zehn Prozent über dem Mietspiegel nie verlangt werden. Die | |
Mietpreisbremse wäre dort also ohnehin wirkungslos. | |
4 Dec 2013 | |
## AUTOREN | |
Lisa Schnell | |
## TAGS | |
Mietpreisbremse | |
Bundesländer | |
Wohnungsmarkt | |
Große Koalition | |
Wohnen | |
Große Koalition | |
Miete | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Kommentar Wohnungsmarkt: Die Miete, ein Verarmungsrisiko | |
Steigende Mietpreise in den Großstädten lassen immer mehr Familien | |
zusammenrücken. Viele können sich die Citylage längst nicht mehr leisten. | |
Stadtsoziologe über die Mietpreisbremse: „Eigentümer werden Wege finden“ | |
Vor allem die Armen werden von der Mietpreisbremse nicht profitieren. | |
Stadtsoziologe Andrej Holm fordert stattdessen mehr sozialen Wohnungsbau. | |
Wohnungspolitik in Berlin: Sozialwohnungen auch für Reiche | |
Der rot-schwarze Senat lässt Besserverdienende in Sozialwohnungen wohnen – | |
wegen der sozialen Mischung. | |
Der neue Mietenspiegel: Mieten steigen ungebremst | |
Hamburger Wohnraum wird immer teurer. Die Wohnungspolitik des Senats läuft | |
noch ins Leere. Mieterverein warnt vor Erhöhungswelle noch vor Jahresende. | |
Schwarz-rote Koalitionsgespräche: Einigung bei Mietpreisbremse | |
Union und SPD haben festgelegt, dass Mietsteigerungen in Ballungsräumen | |
begrenzt werden sollen. Andere Themen, wie Energiewende und Pkw-Maut wurden | |
vertagt. | |
Das neue Mietrecht in der Praxis: Schlupflöcher für Vermieter | |
Die Koalition will Mieter entlasten. Könnte die Neuregelung gegen | |
Luxussanierung und Kostenexplosion schützen? Eine Analyse aus Sicht einer | |
Betroffenen. |