# taz.de -- EEG-Umlage für Unternehmen: Stromrabatte dank Lohndumping | |
> Schlachtereien zahlen miese Löhne – und bekommen dafür Rabatt bei der | |
> Ökostromumlage. Gewerkschafter finden: „Das ist pervers“. | |
Bild: Wer die Rinder geschlachtet hat, kann für den Betrieb finanziell durchau… | |
BERLIN taz | Nur auf den ersten Blick haben Lohndumping und Ökostrom nichts | |
miteinander zu tun. Da verabschieden sich Großschlachtereien von fest | |
angestellten Facharbeitern, heuern Leiharbeiter und Arbeitskräfte über | |
Werkverträge an, die für wenig Geld Rinderhälften zersägen. Gleichzeitig | |
kostet die Energiewende Milliarden. Dafür zahlen alle Stromverbraucher. | |
Allerdings: Für die Industrie gibt es Ausnahmen, um Jobs zu sichern. | |
Doch mit genau diesen Ausnahmeregeln setzt der Staat Anreize für | |
Billiglöhne. „Wir belohnen es, die Stammbelegschaft zu entlassen. Das ist | |
pervers“, sagt Matthias Brümmer von der Gewerkschaft Nahrung, Genuss, | |
Gaststätten. | |
Zunächst ging es bei den Ausnahmen um stromintensive Industriezweige wie | |
die Stahl- und Aluminiumproduktion. Doch die Regeln wurden immer wieder | |
gelockert. 2014 sollen mehr als 2.700 einzelne Betriebe, sogenannte | |
„Abnahmestellen“, von der Ökostromumlage befreit werden – in diesem Jahr | |
waren es noch 2.300. Denn immer mehr Betriebe versuchen, ihre Kosten zu | |
drücken. | |
Der Mechanismus zu Lasten des Personals steht seit 2003 im | |
Erneuerbaren-Energien-Gesetz: Steigen die Stromkosten auf mehr als 14 | |
Prozent der Bruttowertschöpfung, darf ein Unternehmer eine Entlastung | |
beantragen. Das geht so: Ein Schlachter rechnet von seinem Umsatz die | |
Ausgaben für Messer, Salz und so fort runter. Das ist seine | |
Bruttowertschöpfung. Die Kosten für seine Stammbelegschaft darf er dabei | |
nicht abziehen. Die für Werkverträge oder Leiharbeiter aber schon. Diese | |
mindern die Bruttowertschöpfung, die Stromkosten schlagen dann | |
vergleichsweise stark zu Buche. Das Unternehmen gilt also als | |
stromintensiv, wenn es möglichst wenig feste Angestellte hat. | |
## Überdurchschnittlich viele Leiharbeiter | |
Gerade Schlachtereien von Vion oder Wiesenhof gelten immer häufiger als | |
stromintensiv. 2008 sparte die Branche insgesamt 719.000 Euro, drei Jahre | |
später waren es schon 27 Millionen Euro, so die Bundesregierung auf eine | |
kleine Anfrage der Grünen. | |
Die Ökonomen des Thünen-Instituts für Marktanalyse haben deutsche | |
Schlachtereien kürzlich untersucht: Es sei „auffällig“, dass | |
„überdurchschnittlich“ viele Leiharbeiter eingesetzt würden. Die Branche | |
zahle ihren Arbeitskräften 17 Prozent weniger als in Frankreich und 42 | |
Prozent weniger als in Dänemark. | |
Die Fleischindustrie mauert trotzdem. Ein Zusammenhang zwischen Leiharbeit, | |
Werkverträgen und Ökostromrabatt sei „auszuschließen“, sagt Heike Harsti… | |
Geschäftsführerin des Verbandes der Fleischwirtschaft. Die Regierung habe | |
einfach den Kreis der Begünstigten ausgeweitet. | |
## Vage formulierter Koalitionsvertrag | |
Tatsächlich ist nicht allein der Stromkostenanteil an der | |
Bruttowertschöpfung das Kriterium dafür, ob ein Unternehmer von der | |
Ökostromumlage entlastet wird. Entscheidend ist auch die Höhe des | |
Stromverbrauchs an sich. Seit 2013 muss es mindestens eine Gigawattstunde | |
pro Jahr sein. Früher waren es zehn Gigawattstunden. | |
Die SPD hatte vor der Wahl noch versprochen, die Zahl der Ausnahmen zu | |
senken. Im Koalitionsvertrag liest sich das nun vage: Es soll eine | |
„Konzentration der Besonderen Ausgleichsregelung auf stromintensive | |
Unternehmen“ geben. Der grüne Energieexperte Oliver Krischer fordert | |
dagegen: „Die Praxis, dass die Kosten für Leiharbeit bei der Befreiung von | |
der EEG-Umlage anders behandelt werden als die für regulär Beschäftigte, | |
gehört abgeschafft.“ | |
Den größten Druck macht jedoch die EU-Kommission. Diesen Mittwoch wird sie | |
voraussichtlich ein Beihilfeverfahren gegen Deutschland eröffnen: Dass | |
Großverbraucher bevorzugt werden, benachteilige ausländische Anbieter. Am | |
Ende könnten die Rabatte verboten werden. Treffen würde das besonders die | |
Stahlindustrie im sozialdemokratisch regierten Nordrhein-Westfalen – eine | |
große Aufgabe für SPD-Energieminister Sigmar Gabriel. | |
17 Dec 2013 | |
## AUTOREN | |
Hanna Gersmann | |
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