# taz.de -- Ver.di und Lampedusa-Flüchtlinge: Die Grenzen der Solidarität | |
> Die Gewerkschaft Ver.di nahm im Sommer 300 Lampedusa-Flüchtlinge auf. | |
> Doch das Vorgehen sorgt nun für Streit. Der Bundesvorstand soll sich | |
> einschalten. | |
Bild: Bei Ver.di umstritten: Solidaritäts für Lampedusa-Flüchtlinge in Hambu… | |
BERLIN taz | Es war ein symbolischer Akt der Unterstützung – und er sorgt | |
bei Ver.di für Streit. Im Juli 2013 nahm der Ver.di-Landesbezirk Hamburg | |
300 Lampedusa-Flüchtlinge auf, die in der Hansestadt mit einer breiten | |
Unterstützerbewegung für ein kollektives Bleiberecht kämpfen. Peter Bremme, | |
Leiter des Fachbereichs Besondere Dienstleistungen, zeichnete für die | |
Aufnahme verantwortlich. „Die Leute sollen hier leben und arbeiten – dazu | |
kann eine Gewerkschaft immer etwas beitragen“, so Bremme damals in der taz. | |
Die 300 Kriegsflüchtlinge aus Libyen waren auf der Mittelmeerinsel | |
Lampedusa gestrandet. Italien ließ sie weiter Richtung Norden ziehen. Seit | |
März leben sie in Hamburg und fordern, über Paragraf 23 des | |
Aufenthaltsgesetzes aus humanitären Gründen kollektiv als Flüchtlinge | |
anerkannt zu werden. Die oberste Landesbehörde könnte dies mit Zustimmung | |
des Bundes tun. Doch der Hamburger SPD-Senat unter Olaf Scholz weigert | |
sich. | |
Bremme und ein Teil der Hamburger Verdianer verstehen die Aufnahme der 300 | |
als Positionierung der Gewerkschaft. Man wolle die Menschen, die in Libyen | |
als Ingenieure, Journalisten, Automechaniker, Bauarbeiter oder Friseure | |
gearbeitet hätten, mit Beschäftigten „in einen Dialog bringen, um die | |
Forderungen auf eine breitere Basis zu stellen“, heißt es in einer | |
Erklärung. Doch das Vorgehen sorgt für Streit. | |
Bremme erhielt für die Art und Weise, wie die Aufnahme der Mitglieder | |
ablief, eine arbeitsrechtliche Ermahnung. Die Landesleitung mit Wolfgang | |
Abel an der Spitze beauftragte bei der Bundesverwaltung ein Gutachten mit | |
der Frage, ob die Flüchtlinge aus satzungs- und organisationspolitischen | |
Gründen überhaupt Mitglied werden können. | |
## Keine Papiere - keine Mitgliedschaft | |
Ergebnis: Eine Aufnahme sei „aufgrund der fehlenden | |
Mitgliedschaftsvoraussetzungen – soweit erkennbar – nicht möglich“. Unter | |
anderem heißt es, Flüchtlinge ohne Aufenthaltspapiere seien im Sinne der | |
Satzung keine Erwerbslosen – die bei Ver.di Mitglied werden können. Der | |
Fall zeigt, wie weit sich Ver.di für eine progressive Flüchtlingspolitik | |
geöffnet hat – und wo die umkämpften Grenzen einer solchen Öffnung liegen. | |
Die Gewerkschaft fordert unter anderem die Legalisierung papierloser | |
Migranten oder setzt sich für die Abschaffung von Abschiebegefängnissen | |
ein. In Hamburg gründete sich aus Ver.di heraus die erste Anlaufstelle für | |
Menschen ohne gesicherten Aufenthaltsstatus. Bei MigrAr erhalten Papierlose | |
Hilfe, wenn sie um Löhne geprellt wurden. Das Büro ist nicht längst mehr | |
die einzige gewerkschaftliche Initiative dieser oder ähnlicher Art. | |
Gegen die satzungsrechtliche Antwort regt sich unter ehren- und | |
hauptamtlichen Mitgliedern Kritik. In einem Brief, der am Montag an die | |
Ver.di-Spitze übergeben wurde, sprechen sich rund 550 Unterzeichner „für | |
eine Mitgliedschaft unabhängig vom Aufenthaltsstatus“ aus. | |
Sie kritisieren, dass sich die Definition von Erwerbslosigkeit am | |
Sozialrecht orientiere, so dass Papierlose herausfielen. Und argumentieren, | |
Ver.di dürfe sich nicht entlang restriktiver Migrationsgesetze spalten | |
lassen. „Die Möglichkeit der gewerkschaftlichen Mitgliedschaft unabhängig | |
vom aufenthaltsrechtlichen Status ist dafür eine Grundbedingung.“ | |
## Konflikt als Katalysator | |
In der Bundesverwaltung sagt auch Ver.di-Sprecher Christoph Schmitz, „es | |
geht nicht primär um satzungsrechtliche Fragen. Sondern darum, wie wir auch | |
künftig und in einem breiten Bündnis die Interessen von Flüchtlingen am | |
besten schützen können.“ Der Bundesvorstand werde den Fall nun | |
grundsätzlich diskutieren, so Schmitz. | |
„Der Konflikt ist ein guter Katalysator, um Fragen zu klären, die bei | |
Ver.di auf dem Tisch liegen. Wir haben einen utopischen Ort in der | |
Organisation aufgemacht, der jetzt Realität werden kann“, sagt Bremme. | |
Gegen seine Ermahnung will er klagen. | |
Landesleiter Wolfgang Abel will die Frage, wie er persönlich zur Aufnahme | |
der Flüchtlinge steht, gegenüber der taz nicht kommentieren. Er betont | |
aber, Ver.di Hamburg bekenne sich „ausdrücklich zu den Positionen und | |
Forderungen von Pro Asyl, dem Interkulturellen Rat und dem DGB zur | |
Umsetzung einer humanitären und den Menschenrechten verpflichteten Asyl- | |
und Flüchtlingspolitik“. | |
19 Dec 2013 | |
## AUTOREN | |
Eva Völpel | |
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