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# taz.de -- Polizei und Demonstranten im Dialog: Die starren Fronten aufbrechen
> In NRW sprechen Demonstranten und Polizisten über ihre Erfahrungen. Dazu
> eingeladen hat die Polizeiseelsorge der Evangelischen Kirche im
> Rheinland.
Bild: Als Clowns verkleidete linke Demonstranten und Polizisten in Köln: Könn…
KÖLN taz | Der junge Polizist blickt auf die andere Seite des
Seminarraumes. „Ich möchte, dass ihr wisst, dass wir euch nichts Böses
wollen“, sagt er zu denen, die ihm gegenübersitzen. Die schauen skeptisch.
Sie sind in der Mehrzahl Mitglieder der Grünen Jugend. „Ihr solltet Abstand
nehmen von gewalttätigen Demonstranten“, appelliert der Beamte. „Im Zweifel
gilt: mitgefangen, mitgehangen. Wir können da nicht groß differenzieren.“
Der Polizist erntet Kopfschütteln.
Es war eine ungewöhnliche Zusammenkunft, die unlängst in Wuppertal
stattfand. Auf Einladung der Polizeiseelsorge der Evangelischen Kirche im
Rheinland trafen sich Einsatzkräfte von Hundertschaften mit
„demonstrationserfahrenen jungen Erwachsenen“ zum Erfahrungs- und
Meinungsaustausch. „Wir wollen die starren Fronten aufbrechen“, sagt
Landespolizeipfarrer Dietrich Bredt-Dehnen.
In freier Wildbahn haben Polizisten und Demonstranten in bestimmten
Situationen klare Interessengegensätze – vor allem bei Veranstaltungen
gegen rechts. Die Demonstranten wollen den Nazis nicht die Straße
überlassen, die Beamten haben die Order, das Demonstrationsrecht auch für
rechte Gruppen wie die Bürgerbewegung „Pro Köln“ oder die NPD
durchzusetzen. Schnell schaukelt sich dabei die Stimmung hoch. „Dass die
Polizisten das Grundrecht auf Meinungsfreiheit schützen und nicht die
Nazis, ist bei solchen Demonstrationen kaum vermittelbar“, sagt
Bredt-Dehnen.
Gemeinsam mit dem Kölner Polizeipräsidenten Wolfgang Albers bemüht sich der
55-jährige Polizeigeistliche um ein besseres Verstehen. Er weiß allerdings
auch, dass es Grenzen gibt. „Man ist auf unterschiedlichen Seiten, das Ziel
solcher Gespräche ist nicht die Verbrüderung“, sagt der 55-Jährige.
## Der „schwarzen Block“ bleibt umstritten
Unter den insgesamt 35 Teilnehmern auf der Tagung „Konfliktlagen bei
Demonstrationen“ ist besonders der Umgang mit dem „schwarzen Block“
umstritten. Über ihn hat einer der Uniformierten seine Abschlussarbeit an
der Polizeihochschule geschrieben. Gut zu sprechen auf den „schwarzen
Block“ ist von den Beamten keiner.
Die Polizisten empfinden ihn als Bedrohung und können nicht verstehen,
warum ihre Gegenüber, die zur „Peacenik-Fraktion“ gezählt werden, eine
Distanzierung von jenen ablehnen, die im Polizeijargon als „gewaltbereit“
gelten. „Wir schützen uns vor den Nazis, wenn wir beim schwarzen Block
bleiben“, antwortet ein grüner Jugendlicher.
Demgegenüber sehen sich die Beamten dem Vorwurf ausgesetzt, mitunter allzu
leichtfertig Pfefferspray einzusetzen. Sie widersprechen energisch: Schon
im eigenen Interesse sei dem nicht so. Anders als beispielsweise bei dem
brutalen Einsatz gegen die Geziparkproteste in der Türkei ist es zumindest
den Polizisten in Nordrhein-Westfalen nicht erlaubt, Gasmasken aufzusetzen
– mit den entsprechenden Folgen. „Zweimal habe ich Pfefferspray benutzt, am
Rande von Fußballspielen“, berichtet ein Polizist. Nicht nur dabei habe er
etwas abbekommen. „Sechsmal ist mir das Zeugs selbst ins Gesicht geweht.“
Das sei ätzend gewesen.
## Es wird weitere Initiativen geben
Im kommenden Jahr will Seelsorger Bredt-Dehnen weitere Gesprächsrunden
organisieren. Solche Initiativen tragen dazu bei, auf beiden Seiten
Verständnis für den jeweils anderen zu wecken, ist Verena Schäffer
überzeugt. Die innenpolitische Sprecherin der Grünen im
nordrhein-westfälischen Landtag hat selbst an der Wuppertaler Veranstaltung
teilgenommen. „Um wirklich Vertrauen aufzubauen, reichen Gespräche alleine
nicht“, findet sie.
Schäffer fordert die Evaluation des bereits bestehenden
Beschwerdemanagements und die Weiterentwicklung einer offenen Fehlerkultur
bei der Polizei. „Die Polizei reflektiert ja durchaus Fehler nach einem
Einsatz, aber das kommt in der Öffentlichkeit häufig nicht rüber“, sagt
sie.
Ein weiterer Punkt: die Identifizierbarkeit der einzelnen Polizisten. Im
Koalitionsvertrag der rot-grünen Landesregierung ist die Einführung einer
Kennzeichnungspflicht für Einsatzkräfte festgeschrieben. Schon heute tragen
Polizisten bei Demonstrationseinsätzen Nummern, mit denen ihre
Zugehörigkeit zur Gruppe im jeweiligen Zug festgestellt werden kann.
„In Zukunft soll auch die jeweilige Person identifiziert werden können,
allerdings durch eine anonymisierte Nummer, um dem Schutzgedanken Rechnung
zu tragen “, sagt Schäffer. Die rot-grüne Koalition will die
Kennzeichnungspflicht noch in dieser Legislaturperiode auf den Weg bringen.
1 Jan 2014
## AUTOREN
Pascal Beucker
Anja Krüger
## TAGS
Polizei
Demonstrationen
Nordrhein-Westfalen
Evangelische Kirche
Schwerpunkt AfD
Schwerpunkt Polizeigewalt und Rassismus
Polizei
Silvester
Femen
Katholische Kirche
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