# taz.de -- Kölner Polizeipräsident über Demos: „Ich hatte immer ein bissc… | |
> Polizeipräsident Albers war selbst mal Demonstrant. Er erzählt vom Umgang | |
> mit Naziaufmärschen und wünscht sich mehr Verständnis für die Arbeit der | |
> Polizei. | |
Bild: Bei rechtsextremen Demos gibt es häufig Kritik an der Polizei. In Köln … | |
taz: Herr Albers, Sie plädieren dafür, dass Demonstranten und Polizisten | |
jenseits ihrer Begegnung auf der Straße miteinander ins Gespräch kommen. | |
Warum? | |
Wolfgang Albers: Weil ich das Leid der Kolleginnen und Kollegen an den | |
Sperrstellen draußen sehe. Sie setzen sich immer wieder mit den gleichen | |
Ritualen auseinander, erleben immer wieder die gleichen Konflikte. Das gilt | |
besonders bei Demonstrationen, die sich gegen Veranstaltungen von | |
rechtsextremen Gruppen richten. Ich finde den Satz „Deutsche Polizisten | |
schützen die Faschisten“ schlimm. Ich möchte die verhärteten Fronten | |
auflockern. | |
Haben Sie kein Verständnis dafür, dass es Menschen befremdlich finden, wenn | |
Rechtsextreme unter Polizeischutz marschieren? | |
Ich habe für vieles Verständnis. Aber ich habe mich auch bei Versammlungen | |
an das zu halten, was verfassungsrechtlich gewährt wird. Das hat nichts mit | |
der Bewertung der Veranstaltung zu tun. Auch mich ekeln solche Aufmärsche | |
an. | |
Sie können doch versuchen, sie zu verbieten. | |
Eine Verbotsverfügung gibt nur Sinn mit einer tragfähigen Begründung, die | |
letztendlich auch vor dem Verfassungsgericht Bestand haben kann. Das muss | |
man genau ausloten. Einfach etwas zu verbieten, um selbst fein raus zu | |
sein, entspricht nicht meinen Vorstellungen. Aus meinem | |
verfassungspolitischen Verständnis heraus muss ich von meinen | |
Verbotsverfügungen überzeugt sein. Ich halte nichts davon, die | |
Verantwortung auf die Gerichte zu schieben. Nach dem Motto: Dann hebt eben | |
der Richter meine Verfügung auf, und dann ist der eben schuld. | |
Ist es nicht legitim, wenn Demonstranten den Nazis nicht die Straße | |
überlassen wollen? | |
Selbstverständlich ist das legitim. Aber es kann nicht sein, dass eine | |
Gruppe verhindert, dass die andere ihr Demonstrationsrecht wahrnehmen kann. | |
Gerade beim Protest gegen rechte Aufmärsche gibt es gewisse Rituale, die | |
der Polizei ungeheuer viele Probleme bereiten. Stichwort: | |
Verhinderungsblockade. Die kann die Polizei nicht tolerieren, weil sie auch | |
das Versammlungsrecht der rechten Gruppierungen schützen muss. | |
Deshalb habe ich den Wunsch, dass es zu Auseinandersetzungsformen kommt, | |
die nicht in die Strafbarkeit führen. Denn es ist auch für Polizisten ein | |
Elend, wenn sie ständig Strafanzeigen gegen Menschen schreiben müssen, die | |
ein völlig berechtigtes Ziel verfolgen, nämlich den Kampf gegen Neonazis. | |
Das ist für uns alle nicht lustig. | |
Wie lautet Ihre Lösung? | |
Ich habe keine Blaupause dafür. Ich sehe es auch nicht als meine Aufgabe | |
als Polizeipräsident an, den Leuten zu sagen, wie sie zu demonstrieren | |
haben. Aber es gibt ganz viele Mittel, tiefe Ablehnung auszudrücken, ohne | |
dass man blockiert. Da muss man schon kreativ sein. Ich weiß aber auch, | |
dass die Szene sehr kreativ ist. Und das ist gut so. Das meine ich sehr | |
ernst. | |
In Ihren jungen Jahren haben Sie selbst Demonstrationen organisiert. Haben | |
Sie auf der anderen Seite der Barrikade nie schlechte Erfahrungen mit der | |
Polizei gemacht? | |
Anfang der 1980er Jahre habe ich in Bonn die großen Friedensdemonstrationen | |
mitorganisiert, also diese „Latsch-Demos“, wie es in der Demo-Szene damals | |
hieß. Ich will nicht verhehlen, wenn wir da manchmal an einer Sperrstelle | |
standen, hatten wir schon mal einen Kloß im Magen. So nach dem Motto: | |
Eigentlich will ich weiter, geht aber nicht, hier steht die „Staatsmacht“. | |
Ich war aber nie in gewalttätige Konflikte verwickelt. | |
Sie hatten nie Stress mit den „Bullen“? | |
(lacht) Nein, wirklich nicht. Das liegt wahrscheinlich daran, dass ich | |
damals ein bisschen Schiss hatte. Immer wenn es brenzlig wurde, war ich | |
weg. Allerdings war Bonn ohnehin für sein gutes und friedliches Klima | |
bekannt. Es gab hier wenig gewalttätige Auseinandersetzungen. | |
Hat sich das Demonstrationsklima in den vergangenen drei Jahrzehnten | |
verändert? | |
Es hat sich zum Positiven geändert. Wir haben heute unendlich viele | |
Demonstrationen, die alle völlig friedlich ablaufen. In Köln mag es in der | |
Woche einige Demonstrationen geben, von denen Sie nichts hören. Und selbst | |
die schwierigen Demonstrationen sind deutlich weniger gewalttätig als | |
früher. | |
Was hat sich aufseiten der Polizei verändert? | |
Wir reden heute sehr viel mehr mit den Anmeldern und versuchen, eine | |
Situation zu schaffen, in der wir eine gute Durchführung der Versammlung | |
erreichen können. Solche Kooperationsgespräche führen auch bei der Polizei | |
zu einem anderen Verständnis davon, was der Versammlungsveranstalter | |
erreichen will. Warum will er unbedingt an diese Stelle gehen? Das ist ja | |
der Polizei nicht immer von Anfang an klar. | |
Wenn das aber mal vermittelt ist, kann man auch viele Handlungen, die sich | |
daraus ergeben, besser verstehen, und man kann besser darauf reagieren. | |
Schwierig wird es immer dann, wenn es zu unvorbereiteten Situationen kommt. | |
Gibt es taktische Unterschiede beim Umgang mit Demonstranten? | |
Bei jeder Demonstration schaut die Polizei, wer kommt. Ich mache eine | |
Rechts-links-Demo anders als einen Christopher Street Day. Man stellt sich | |
immer auf die Lage ein. Wie agiert das Gegenüber? Welche Methoden hat die | |
andere Seite, sich auszudrücken? Das ist ja unterschiedlich. Man muss auf | |
andere Mentalitäten anders eingehen. | |
Vor einem Jahr gab es in Köln eine spontane Demonstration, da kamen | |
belgische Gewerkschafter zu Ford. Die haben demonstriert wie in Belgien: | |
Sie zogen erst einmal fünf Reifen aus dem Bus und zündeten die an. Das ist | |
wohl in Belgien normal. Die deutsche Polizei hat es irritiert. Ich will | |
sagen: Das sind unterschiedliche Mentalitäten. Wenn man unvorbereitet ist, | |
gibt es Konflikte. Wenn man sich auf die Lage einstellt, klappt es besser. | |
2 Jan 2014 | |
## AUTOREN | |
Pascal Beucker | |
Anja Krüger | |
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