# taz.de -- Der sonntaz-Streit: „Ein weiter Weg“ | |
> Die Piraten seien unnötig, sagt ein Politikwissenschaftler. Ein Kollege | |
> behauptet das Gegenteil: Von den Piraten könne man noch viel lernen. | |
Bild: Auf die Piratenpartei wartet ein stürmischer Ritt. | |
„Die geplante Vorratsdatenspeicherung lässt sich nur verhindern, wenn deren | |
inner- und außerparlamentarische Kritiker zusammenarbeiten. Dabei können | |
die Piraten eine wichtige Rolle spielen“, sagt Peter Schaar, der bis vor | |
kurzem Bundesbeauftragter für Datenschutz und Informationsfreiheit war. | |
Damit attestiert er den Piraten eine unmittelbare Systemrelevanz. Erst die | |
Piraten hätten das Thema Netzpolitik zum Thema in Talkshows und der | |
etablierten Parteien gemacht, so Schaar weiter. | |
An diesem Wochenende trifft sich die Piratenpartei in Bochum zum zweiten | |
Bundesparteitag nach der verlorenen Bundestagswahl: nur 2,2 Prozent | |
erreichte die Partei im September. Ein bescheidenes Plus von 0,2 | |
Prozentpunkten im Vergleich zur ersten Teilnahme 2009. Im Wahlkampf konnten | |
die Piraten trotz thematischen Steilvorlagen wie der geplanten | |
Vorratsdatenspeicherung und der von Edward Snowden enthüllten | |
Geheimdienstaffäre nicht punkten. Ihre Stimme fand kein Gehör mehr. | |
Dieses Szenario wäre 2012 noch undenkbar gewesen. Die Piraten eilten von | |
einem politischen Erfolg zum nächsten. Bei der Sonntagsfrage zur | |
Bundestagswahl rangierten sie zeitweise im zweistelligen Bereich. Von | |
dieser Begeisterung ist heute nichts mehr zu spüren. Selbst unter | |
Mitgliedern macht sich Resignation breit. Dementsprechend fragt die sonntaz | |
an diesem Wochenende: „Brauchen wir die Piraten noch?“ | |
Der Politikwissenschaftler Alexander Hensel, der am Göttinger Institut für | |
Demokratieforschung arbeitet, beantwortet die Frage ebenfalls mit einem | |
klaren Ja: „Als Kleinstpartei tragen die Piraten Forderungen und Ideen ins | |
politische System und verbreitern so die Wahlmöglichkeit für Bürger. Sie | |
repräsentieren die Ansichten ihrer über 30.000 Mitglieder und bieten einen | |
Ort zur politischen Willensbildung. Trotz ihrer organisatorischen Krise | |
sind sie wichtig für demokratische Lernprozesse.“ Für ihn sei es nicht | |
vorstellbar, auf all diese Punkte zu verzichten. | |
## „Keine demokratische Nachfrage“ | |
Hensels Kollege Wolfgang Merkel, Direktor am Wissenschaftszentrum Berlin | |
für Sozialforschung, widerspricht dem: „Die Piraten erfüllen keine | |
demokratische Nachfrage: weder programmatisch noch sozialstrukturell.“ Sein | |
Urteil begründet er wie folgt: Zum einen seien die Piraten im | |
linksliberalen Dreieck von SPD, den Grünen und der Linken zu finden, dem am | |
dichtesten besiedelten politischen Raum im deutschen Parteiensystem. Zum | |
anderen vertreten sie vor allem gut gebildete Männer, die im deutschen | |
Parteiensystem nicht gerade unterrepräsentiert seien. | |
Laura Sophie Dornheim, die sich selbst auf ihrem Twitter-Profil als | |
„Nochpiratin“ bezeichnet, verneint die Frage nach der Notwendigkeit der | |
Piraten. Sie vergleicht die Entstehungsgeschichte ihrer Partei mit der | |
einer Software und spricht von misslungenen Trial-and-Error-Prinzip: „Vor | |
zwei Jahren waren viele von der Idee begeistert, Politik neu zu | |
programmieren. Die Hoffnung war groß, dass der Piratenpartei genau das | |
gelingen könnte. Aus der Hoffnung ist Enttäuschung geworden. Selbst viele | |
Parteimitglieder glauben nicht mehr an ein Update. So brauchen wir diese | |
Partei nicht.“ | |
Anke Domscheit-Berg, Direktkandidatin für die Piraten im | |
Bundestagswahlkreis Oberhavel – Havelland II, möchte Piratin bleiben und | |
glaubt, dass ihre Partei unverzichtbar sei: „Es braucht die Piraten, um | |
einen digitalen Totalitarismus zu verhindern. Es braucht sie auch als | |
Vordenker einer sozialeren, digitalen Gesellschaft, die auf dem Gedanken | |
des Teilens und der Teilhabe beruht.“ Das Statement von Anke Domscheit-Berg | |
in voller Länge sowie die Beiträge weiterer Piraten können [1][Sie hier | |
nachlesen]. | |
Die Streitfrage beantworteten außerdem Katharina Nocun, die bis November | |
politische Geschäftsführerin der Piratenpartei war, Alexander Hahn, | |
Bundesvorsitzender der Jungen Liberalen, Jonas Westphal, Sprecher des | |
Forums Netzpolitik des SPD-Landesverbands Berlin und taz-leser Dennis | |
Klüver – in der taz.am wochenende vom 4./5. Januar. | |
4 Jan 2014 | |
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## AUTOREN | |
Christian Fleige | |
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