# taz.de -- Kolumne Anderes Temperament: Neues Jahr, neue Handwerker | |
> Auch mal schön, wenn Handwerker nicht dem Klischee entsprechen. | |
Bild: Dummerweise flog eine Rakete direkt durchs Fenster | |
Es zieht. Das war der erste Gedanke am Neujahrsmorgen. Und der erste Blick | |
fiel vom Bett auf ein zersplittertes Oberlicht. Und der zweite auf ein von | |
der Sonne beschienenes Scherbenpuzzle auf dem Boden vor dem Fenster. Eine | |
Silvesterrakete hatte offenbar ihren Weg übers Dach nicht ganz gefunden und | |
sich durch meine Scheiben gebohrt. Und so begann das Jahr, wie das alte | |
endete: mit Handwerkern in der Wohnung. | |
Gegen Ende des Jahres nämlich versuchte meine Wohnung nochmal alles, damit | |
man ihr wenigstens ein bisschen Aufmerksamkeit und Zuwendung schenke – und | |
ließ den Kachelofen platzen, eine Stromleitung explodieren und die | |
Gasflamme in der Gastherme erlöschen. Was ja alles halb so schlimm sein | |
müsste, könnten Handwerker einen Zeitpunkt angeben, um den herum sie | |
eintreffen, um der Wohnung ihren Seelenfrieden zu geben. Stattdessen macht | |
der Terminmacher des Handwerkers Angaben wie: „Wir kommen dann zwischen | |
7.30 und 12 Uhr.“ | |
Und natürlich klingelt der Handwerker dann entweder schon um 7 oder gegen | |
12.30 Uhr. Und natürlich darf man in beiden Fällen nichts sagen. | |
Sagt man dem Terminmacher des Handwerkers vorher, ob das nicht ein bisschen | |
enger terminiert werden könne, denn man müsse ja auch noch arbeiten, | |
antwortet er: „Ja, das müssen wir alle.“ Und dann steht man da in seinem | |
Privatleben und müsste eigentlich auf Arbeit sein, während es beim | |
Handwerker genau andersrum ist. Der kommt in ein Privatleben, ist aber auf | |
Arbeit. Das ist nicht unheikel und erfordert von beiden Seiten wenig | |
Grobes, sondern viel Einfühlsames. | |
Meine Hausverwaltung hat ein Faible für Altberliner Handwerksbetriebe, die | |
gerne solche Handwerker zu beschäftigen scheinen, für die Höflichkeit ein | |
Werkzeug ist, mit dem sie nichts anfangen können. Und daher stehen dann | |
also Handwerker in meinem Privatleben, die den Zustand des Wohnviertels und | |
den Zustand der Wohnung nicht gerade wohlwollend kommentieren, schütteln | |
den Kopf und verdrehen die Augen, wenn man ihnen Espresso, aber keinen | |
Filterkaffee anbieten kann, und fragen, ob denn kein Mann im Haus sei, der | |
die Reparaturen vornehmen könne. Widerspruch wird nicht geduldet. Auf die | |
Nachfrage, ob es denn für dieses oder jenes Problem auch vielleicht diese | |
oder jene Lösung geben könnte, wird nur mit „Wat Sie so im Kopp haben“ | |
geantwortet. | |
Ganz anders war es nun zu Jahresbeginn. Da kamen die Glaser, um die Fenster | |
zu reparieren. Sie putzten sich die Schuhe vor der Tür ab, schauten sich | |
nicht um, nur die Fenster an, bekundeten anteilnehmend ihr Mitleid und | |
taten ohne großes Aufsehen, was zu tun war. Vorsichtig, fast zärtlich | |
entfernten sie das Scherbenpuzzle aus den Holzrahmen und bauten nur hier | |
und da kleinste Dialogbrücken, die man ganz kurz gemeinsam überquerte, | |
damit es nicht unhöflich wurde. | |
## Scherben bringen Glück | |
Sie entdeckten, dass die Rakete auch in einem der großen Fenster einen | |
winzigen Riss hinterlassen hatte. „Das müssen wir nicht kaputt machen. Das | |
wird überleben“, teilten sie mir ihren Befund mit und schauten nochmal | |
traurig in den Eimer mit den Scherben. Aber die bringen doch Glück, dachte | |
ich leise. Sagte es aber nicht. Es wäre mir irgendwie zu grob vorgekommen. | |
5 Jan 2014 | |
## AUTOREN | |
Doris Akrap | |
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