# taz.de -- Christian Meyer über die Agrarwende: „Die Reform hat Rückenwind… | |
> Trotz Dauerkritik der Verbände sieht sich Niedersachsens grüner | |
> Landwirtschaftsminister mit seiner Reformpolitik nicht allein. | |
Bild: "Einige, die seit Jahrzehnten auf industrielle Landwirtschaft gesetzt hab… | |
taz: Herr Meyer, wackelt Ihr Ministerposten schon so sehr, dass Sie | |
Soli-Demos brauchen? | |
Christian Meyer: Wieso, gab es Protest-Demos gegen mich? | |
Das nicht. Aber wenn man sich anhört, was das Landvolk, also der | |
Bauernverband, Schweinezüchter und Futtermittelhersteller so erzählen, | |
könnte die Grüne Woche dazu geraten. | |
Das glaube ich nicht. Sicher, einige, die seit Jahrzehnten auf | |
Massentierhaltung und industrielle Landwirtschaft gesetzt haben, merken, | |
dass sie Verlierer der Agrarreform sind. Die Reform bekommt aber von der | |
Mehrheit der Bevölkerung Rückenwind. Und auch von Teilen der | |
Landwirtschaft, die heute für Saatgut-Souveränität vor dem | |
Landwirtschaftsministerium in Hannover demonstriert haben - und vom | |
Minister herzlich begrüßt wurden. | |
Dabei haben die Affäre und der Untersuchungsausschuss um den ehemaligen | |
Staatssekretär Udo Paschedag Ihren Elan aber gebremst? | |
Das sehe ich so nicht. Wir haben ja schon große Schritte zur Agrarwende | |
gemacht, von strikten Auflagen für Massentierhaltung bis hin zu den | |
erfolgreichen Verhandlungen bei der nationalen Verteilung von EU-Geldern: | |
Die Gelder der zweiten Säule sind der einzige EU-Topf, der in Niedersachsen | |
wächst. Statt, wie ursprünglich geplant, zehn Prozent weniger, bekommen wir | |
15 Prozent mehr als in der vorherigen Förderperiode, nämlich 1,1 Milliarden | |
Euro. | |
Zweite Säule nennt man die Subventionen, die für ländliche Entwicklung | |
bestimmt sind. | |
Das ist das Geld, das früher auch unter der Rubrik Steigerung der | |
Wettbewerbsfähigkeit für die Agrarindustrie verwendet wurde. Jetzt steht es | |
für die ökologische Agrarwende zur Verfügung. Wir haben die Förderung des | |
Ökolandbaus fast verdoppelt und viele Anreize für Gewässer-, Landschafts- | |
und Tierschutz bis hin zu Maßnahmen gegen das Bienensterben geschaffen. Und | |
natürlich setzen wir den Tierschutzplan um … | |
… der von Ihrem CDU-Vorgänger stammt. | |
Fragt sich bloß, wie ernst der gemeint war: Wenn jetzt Herr Ripke sagt, die | |
Fristen des Plans seien zu kurz … | |
… Friedrich-Otto Ripke, der frühere CDU-Agrarstaatssekretär, ist jetzt aber | |
auch der Chef des niedersächsischen Geflügelwirtschaftsverbandes. | |
Trotzdem hat er als Staatssekretär damals doch die Termine selbst | |
festgelegt, die er jetzt unrealistisch nennt. Finden Sie das seriös? Von | |
dieser Landesregierung wird jedenfalls der Plan eins zu eins umgesetzt. Die | |
Erlasse sind raus. Seit dem 1. Januar ist in Niedersachsen als erstem | |
Bundesland das Schnabelkürzen bei Enten verboten und wir werden es bis Ende | |
2016 auch bei Legehennen abschaffen. | |
Bloß die männlichen Legehennen-Küken werden weiter zermust. Dabei ließe | |
sich das mit einem Federstrich verhindern. | |
So einfach ist die Rechtslage in Niedersachsen nicht. | |
Das Bundestierschutzgesetz verbietet auch in Niedersachsen das Töten von | |
Tieren ohne vernünftigen Grund! | |
Stimmt. Allerdings ist hier, anders als in Nordrhein-Westfalen, noch keine | |
Staatsanwaltschaft dagegen vorgegangen. Untersagt haben wir aber bereits, | |
die männlichen Küken in Tierkörperbeseitigungsanstalten zu entsorgen. Sie | |
werden verfüttert - etwa in Zoos. | |
Wenn das mal ein vernünftiger Grund ist. | |
Wir werden über den Tierschutzplan hinaus auch für diese Praxis ein Datum | |
festlegen, wann damit Schluss ist. | |
Und zwar? | |
Das wird ein überschaubarer Zeitraum sein. Die Wirtschaft muss sich darauf | |
einstellen. Das Wegwerfen von Eintagsküken ist ein ethisches Problem und | |
wird vom Verbraucher immer weniger akzeptiert. Wir wollen daher | |
Mehrnutzungshühner und Verfahren der Geschlechtserkennung im Ei fördern. | |
Zugleich sorgt sich das Landvolk, diese Auflagen würden das Höfesterben in | |
Niedersachsen beschleunigen. | |
Ich glaube nicht, dass diese Behauptung der Überprüfung standhält. Wir | |
wollen die 40.000 Familienbetriebe in Niedersachsen erhalten und haben | |
unsere Politik daran ausgerichtet. Alle unsere Maßnahmen stärken die | |
kleinen und mittleren Höfe, genau dazu dient auch unser neuer | |
Gerechtigkeitsfaktor in den Argrarzahlungen. Es gibt einen erheblichen | |
Zuschlag für die ersten Hektare, in Stufen bis 30 und bis 46 Hektar. Das | |
stärkt in Niedersachsen 87 Prozent der Betriebe und wir kommen weg von der | |
sozialistischen Einheitsprämie à la CDU … | |
… und vom Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes? | |
Ach was. Wir haben eine gleitende Progression eingeführt, wie beim | |
Steuerrecht. Es ist ja auch gerecht, wenn ein Minister einen höheren | |
Steuersatz zahlt als ein Geringverdiener. | |
Damit wollen Sie vermutlich gleichzeitig die Bodenspekulation eindämmen? | |
Genau. Dass die Pachtpreise so explodiert sind, ist ein Riesennachteil für | |
die flächengebundene Landwirtschaft. Da kommen die Bauern oft nicht mehr | |
hinterher. Deshalb führen wir auch eine Prämie für Grünland ein, die sich | |
noch einmal erhöht, wenn es beweidet wird, sei es mit Schafen oder Rindern. | |
Das ist gerade im Bereich der Milchviehhaltung wichtig, damit es nicht | |
immer mehr 1.000er-Kuhställe gibt. Die haben nämlich nur wenig Akzeptanz. | |
Kühe gehören auf die Weide! | |
15 Jan 2014 | |
## AUTOREN | |
Benno Schirrmeister | |
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Stephan Weil | |
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