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# taz.de -- Protest gegen Fleischindustrie: Engel für die Tiere
> Tierschützer wollen den Mega-Schlachthof in Wietze bei Celle umzingeln.
> Zu den Mahnwachen der örtlichen Bürgerinitiative dagegen kommen nur
> wenige.
Bild: Gut überwacht: der Schlachthof in Wietze.
WIETZE taz | Er schätze das Fleisch vor allem, weil es frisch sei, sagt der
glatzköpfige, etwas bullige Taxifahrer auf unserer Fahrt zu Europas größtem
Geflügelschlachthof. Wir sind auf dem Weg nach Wietze. Die nächste Stadt
Celle ist fünfzehn Minuten Fahrt auf der Bundesstraße entfernt, der Bus
fährt nur einmal in der Stunde. Als ich dem Taxifahrer am Celler Bahnhof
mein Reiseziel nenne, beginnt er sofort zu erzählen. Er kenne Leute, die im
Schlachthof arbeiten. Dieser sei ein wichtiger Arbeitgeber.
Direkt an der von Feierabendverkehr befahrenen Bundesstraße, auf einer
Rasenfläche neben der umzäunten Schlachterei, hat sich eine Handvoll
AktivistInnen versammelt. „Schlachthöfe und Mastbetriebe – nein danke!“,
ist in fett gedruckten Lettern auf einem Banner zu lesen. Umsäumt von einem
Regenbogen blickt darauf eine gezeichnete Kleinfamilie mit zwei Kindern,
Hund und Katze in die Weite eines idyllischen Flusslaufes – so stellen sich
die AktivistInnen offenbar die „lebenswerte Region Wietze ohne
Hähnchenmast“ vor.
Seit August 2010, als mit den Vorbereitungen für den Bau des Schlachthofs
begonnen worden war, treffen sie sich hier jeden Montag für etwa eine
Stunde zur Mahnwache, erklärt eine Aktivistin. Alle Protestierenden, die
ich danach frage, geben an, in der Bürgerinitiative Wietze Mitglied zu
sein.
Heute, an diesem lauen Spätsommerabend, sind etwa 25 TeilnehmerInnen
gekommen. Diesen Samstag sollen es mindestens 3.000 Menschen werden – die
nicht nur demonstrieren, sondern gleich den gesamten Schlachthof umzingeln
wollen. Mit so vielen Personen rechnet zumindest die Kampagne „Meine
Landwirtschaft“, die von Berlin aus Aktionstage in Wietze organisiert,
Motto: „Wir haben die Agrarindustrie satt!“. Das aus zahlreichen
Organisationen bestehende Protestbündnis fordert eine „grundlegende
Agrarwende“ mit einer bäuerlichen Landwirtschaft als „Leitsystem“.
Bei der Mahnwache geben einige AktivistInnen an, sogar bis zu 5.000
UmzinglerInnen zu erwarten. Es tue „mental gut“, mit einem breiten Bündnis
ein gemeinsames Zeichen zu setzen, sagt eine Protestierende.
Das Bündnis reicht von kirchlichen Organisationen wie „Brot für die Welt“
und „Misereor“ bis zum Vegetarierbund Deutschland (VEBU). Der
Vegetarierbund ist dabei, weil dadurch „die Verbraucher ein Bewusstsein für
ihren Fleischkonsum entwickeln“, sagt Geschäftsführer Sebastian Zösch. Auch
die Tierrechtsorganisation Peta hätte sich „auf jeden Fall“ dem Protest in
Wietze angeschlossen, sagt deren Pressesprecher Edmund Haferbeck. Die
Organisation würde es jedoch aus „logistischen Gründen“ nicht schaffen,
sich am Protestbündnis zu beteiligen.
„Es mag sein, dass sich manche Positionen hier und dort auch
unterscheiden“, sagt Simon Oehlers von der Grünen Jugend Niedersachsen.
Wietze sei aber nicht der Ort, um einzelne Forderungen im Detail zu
diskutieren. Es gehe vielmehr darum, sich gegen einen Schlachthof zu
wenden, der „an sich falsch“ sei und zugleich als Symbol für die „verfeh…
Agrarpolitik“ Deutschlands und der Europäischen Union stehe.
Bei der Mahnwache in Wietze stehen die AktivistInnen in kleinen Grüppchen
zusammen und tauschen sich aus. Manche haben sich in das verbrannte Gras
gesetzt. Sie genießen die Sonne, essen Biskuit und trinken Tee.
Neuankömmlinge werden mit Handschlag begrüßt. Man kennt sich.
Einige wenige Protestierende tragen T-Shirts mit dezenten Hinweisen auf ihr
Anliegen. „Animal’s Angels“ steht zum Beispiel in silbernen Lettern auf d…
Oberteil einer etwa 40-jährigen Aktivistin, die mir einen Flyer für den
Aktionstag in die Hand drückt. „Es wäre toll, wenn Sie am Samstag auch
kommen könnten“, sagt sie.
Ein junges Pärchen ist extra aus Hannover zur Mahnwache angereist. Beide
stellen sich als Mitglieder der Bürgerinitiative und „aktive Tierschützer“
vor: Sie retten Tiere vor „animal hoarders“ – Menschen, die krankhaft Tie…
sammeln. Die Frau, sie studiert Politik, erläutert ihre Kritik am
Schlachthof in Wietze in präzisen Sätzen. Ihr Freund nimmt den gemeinsamen
Hund auf den Arm und blinzelt in die Sonne. „Der Schlachthof könnte überall
stehen, und ich wäre dagegen“, sagt sie.
Pünktlich gegen sieben Uhr packen die AktivistInnen ihre Sachen ein. Länger
dürften sie nicht bleiben, sonst müssten sie die Veranstaltung als
Demonstration anmelden. Ich gehe zum Eingang des Schlachthofs. Als der
Fotograf den Eingang von der Straße aus fotografieren will, kommt ein
hünenhafter, bärtiger Security-Mann auf uns zu. Ob wir Künstler seien,
fragt er breit grinsend. Das Fotografieren von der Straße sei „nicht
erwünscht“. Der Mann ist komplett schwarz angezogen. Auf seinem
Fleece-Pulli sind auf Brusthöhe die Umrisse eines Schweines und eines Huhns
abgebildet.
31 Aug 2013
## AUTOREN
Till Schmidt
## TAGS
Tierschutz
Protest
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