| # taz.de -- Die Wahrheit: „Alles meins!“ | |
| > Zum 100. von Arno Schmidt präsentiert die Wahrheit Anekdoten über den | |
| > unvergessenen Literaturinsulaner. | |
| Bild: Der große irisierende Heidedichter Arno Schmidt. | |
| Am Samstag würde der große Wortschmied der Heide seinen 100. Geburtstag | |
| zelebrieren. Dieses feierliche Ereignis nimmt die Wahrheit zum Anlass, um | |
| die besten Anekdoten aus dem Leben des einzigartigen Arno Otto Schmidt zu | |
| erzählen. | |
| Arno Schmidt war noch ein Säugling, als ihn seine Mutter in Hamburg einmal | |
| mit seiner Wiege auf den Balkon rollte. Nach einer Weile wachte der kleine | |
| Arno auf. Es war ein wolkenloser Tag, sein Geist ein noch völlig | |
| unbeschriebenes Blatt. Da schob sich langsam ein Luftschiff in seinen | |
| Gesichtskreis, bis es den ganzen Himmel ausfüllte und einen Schatten auf | |
| die Wiege warf. Es war das LZ 11 „Viktoria Louise“, worauf das Kind sich | |
| aber keinen Reim machen konnte. Auch später erinnerte sich Arno Schmidt nie | |
| wieder an den Zeppelin. | |
| *** | |
| Als Arno Schmidt sechs Wochen alt war, quälte ihn ein wütender Wind in | |
| seinem Bauch, den er partout nicht loszuwerden schien. Klein-Arno krümmte | |
| sich im Schlaf. Seine Arme zuckten wie die eines ekstatischen Dirigenten. | |
| Und endlich kam das erlösende Knattern, welches den Raum mit einem | |
| verführerisch nach Rosen und Porree duftenden Odeur einhüllte. Seine Eltern | |
| verkannten jedoch sein Talent als Raumdeo und versäumten es, ihn angemessen | |
| zu fördern. | |
| *** | |
| Eines schönen Abends, Arno Schmidt war gerade zwölf Jahre alt, da erschien | |
| ihm auf dem Nachhauseweg eine glitzernde kleine Fee. Sie schwirrte immer zu | |
| vor seinen Augen herum und kitzelte ihn an der Nase - das untrügliche | |
| Zeichen, dass sie ihm drei Wünsche erfüllen wollte. Doch Arno Schmidt | |
| brüllte nur: „Verdammt, hinfort, du Missgeburt!“ Die Fee verschwand - nicht | |
| ohne insgeheim Schmidts Herz zu versteinern und ihm schlechte Augen zu | |
| wünschen. | |
| *** | |
| Als Soldat in Norwegen war Arno Schmidt bei seiner Einheit für das | |
| Erstellen von Schusstabellen zuständig. Wann immer ein Schuss fiel, machte | |
| sich Schmidt ans Berechnen. Bevor er noch Mündungsgeschwindigkeit und | |
| Austrittswinkel der Kugel, den Widerstand und die Viskosität der Luft sowie | |
| die Coreoliskraft der Erdkugel ins Kalkül gezogen hatte, war meist bereits | |
| ein weiterer Schuss gefallen. Schmidt aber kam kaum mehr hinterher und | |
| wurde deshalb bald zum Ausheben von Latrinen versetzt. | |
| *** | |
| Als der junge Arno Schmidt seine kaufmännische Lehre bei den Greiff-Werken | |
| in Greiffenberg absolvierte, hatte er es sich zur Gewohnheit gemacht, des | |
| Abends mit seinen Mitlehrlingen im Ortsgasthaus das geringe Lehrgeld in | |
| Bier und Schnaps umzusetzen. Deswegen hatte er morgens oft große Mühe, | |
| pünktlich zur Arbeit zu erscheinen. Als er wieder einmal zu spät und arg | |
| zerknautscht durch die schmiedeeisernen Tore der mächtigen Textilfabrik | |
| schlich, da brüllte ihn der Fabrikdirektor an: „Schon wieder eine halbe | |
| Stunde zu spät, Schmidt!“ Arno Schmidt aber antwortete verständnisvoll und | |
| besänftigend: „Ich auch, Herr Direktor, ich doch auch.“ | |
| *** | |
| Eines Abends stapfte Arno Schmidt in seiner grünen Lederjacke leicht | |
| angetrunken durchs Schauerfeld, als ihm ein Collie entgegenstrunkelte und | |
| bellte. „Ja, weißt du denn nicht, wer ich bin? Gestatten, Schmidt. Alles | |
| meins“, meinte der Dichter und wies mit großer Geste ins Rund. „Eines Tages | |
| wird all das dir gehören, mein Hund!“ Da jaulte der Collie weh auf und | |
| trollte sich. | |
| *** | |
| Eines Morgens im August 1966 bekam Arno Schmidt einen Brief, den er | |
| sogleich mit einem Wutschrei zerriss. Und es wäre nie bekannt geworden, was | |
| darin stand, hätte eine Putzfrau die Schnipsel nicht zusammengeklebt und | |
| posthum veröffentlicht. Die Krankenkasse wollte die Gläser seiner neuen | |
| Brille nicht bezahlen - 28 Dioptrien seien nicht wirtschaftlich zu | |
| produzieren, hieß es. Schmidt wollte in der Folge auf zentimeterdicke | |
| Kontaktlinsen umsteigen, verzichtete aber schließlich aus ästhetischen | |
| Gründen darauf. | |
| *** | |
| Im Sommer 1977 stand am Bargfelder Badeteich ein Mann, der "die | |
| geschmackloseste Badehose trug, die ich je sah", wie Arno Schmidt später | |
| notierte. „Hellblau/orange, eine Schleife!“ Der Mann verwickelte Schmidt in | |
| ein Gespräch über die finanzielle Situation des Schriftstellers, was sich | |
| am Ende als Segen erweisen sollte. Die Badehose aber liegt noch heute | |
| unweit des Ufers vergraben und wurde bislang von keinem Schmidtianer | |
| entdeckt. | |
| *** | |
| Im Werk des Historikers Konrad Mannert "Geographie der Griechen und Römer" | |
| (1788-1825) wird der Name „Arno“ erwähnt. Darüber musste Arno Schmidt imm… | |
| besonders schmunzeln. | |
| *** | |
| Bis heute rätseln Schmidt-Experten, warum sich der stets klamme | |
| Großschriftsteller einst ausgerechnet in das Örtchen Bargfeld zurückzog. | |
| Derzeit konzentriert sich die Forschung auf den Schmidtschen Satz „Das R | |
| und das F krieng wir auch noch weg!“, den er einmal im Vollrausch bei | |
| Bangemann auf einen Bierdeckel gekritzelt haben soll. Ergebnisse werden | |
| erst in Jahren erwartet. | |
| 17 Jan 2014 | |
| ## AUTOREN | |
| M. Ringel | |
| C. Stegemann | |
| C. Rönneburg | |
| A. Frank | |
| M. Gückel | |
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