# taz.de -- Kommentar LGBT-Community zu Sotschi: Laue Symbolpolitik | |
> Es gibt hierzulande kein gemeinsames Handeln unter Lesben und Schwulen. | |
> Auf die russischen Ereignisse lässt sich damit nicht adäquat reagieren. | |
Bild: Putin auf einem Regenbogenpferdchen – so protestiert der Lesben- und Sc… | |
Wenn am 7. Februar im russischen Sotschi das olympische Feuer entfacht | |
wird, soll auch am Potsdamer Platz in Berlin eine Flamme lodern, die | |
„rainbow flame“. Für die Dauer der Winterspiele. Als Zeichen der | |
Solidarität mit den Lesben und Schwulen in Russland, der LGBT-Community, | |
wie es politisch korrekt heißt. Ganz in ihrem Sinne. „Ihr müsst für uns | |
sprechen!“, forderte unlängst die russische Aktivistin Alena Korolewa bei | |
einem Berlin-Besuch. | |
Sprechen für die, denen das öffentliche Reden zur Gefahr wird. Die | |
Verhaftung riskieren, sobald sie eine Regenbogenflagge entrollen. Die von | |
Neonazis mit Baseballschlägern erwartet werden, sobald sie sich versammeln | |
wollen. Die von der Polizei gejagt werden, ist ihr Protest auch noch so | |
friedlich. | |
Russlands Lesben und Schwule erwarten viel von Sotschi. Signale der | |
Unterstützung, Aufmerksamkeit für ihre Lage, offene Worte von Besuchern und | |
Aktiven vor Mikrofonen und Kameras. Und sie haben Angst vor dem Ende von | |
Sotschi. Was wird dann, wenn die mediale Karawane weitergezogen ist? Wird | |
es so sein wie nach den Olympischen Spielen in China? Wieder gefährliche | |
Ruhe im Land? | |
Russlands Machthaber haben bereits ein neues Gesetz in Planung, das den | |
Behörden erlaubt, Regenbogenfamilien jederzeit ihre Kinder zu entziehen. | |
Das steht an nach Sotschi, und auch Putins weitere Anstrengungen, seine | |
Ideologie der Homosexuellenfeindlichkeit in den Westen zu exportieren. | |
Dagegen soll die Flamme brennen am Potsdamer Platz, dagegen richten sich | |
Kiss-ins und Aufzüge vor russischen Botschaften und Konsulaten, dagegen | |
gingen im vergangenen Jahr Tausende Homosexuelle in Berlin auf die Straße. | |
Lesben und Schwule hierzulande organisieren gemeinsame Sportveranstaltungen | |
mit russischen Vereinen, nutzen Städtepartnerschaften, befeuern den | |
kulturellen Austausch. Im Netz ist gerade ein Stückchen [1][Protestpop] | |
erschienen, „Love Is Not For Propaganda“, gesungen von Romy Haag und | |
anderen, runterzuladen bei iTunes, der Erlös geht nach Russland, | |
versprochen. | |
## Unterstützung hat keine Hochkonjunktur | |
Die Unterstützung der Schwestern und Brüder im Osten hat derzeit | |
Hochkonjunktur unter deutschen Lesben und Schwulen. Die kleinsten | |
Horrormeldungen aus Russland jagen in Windeseile durch die sozialen | |
Netzwerke, kaum kommt man hinterher mit den Empörungskommentaren und den | |
Petitionsunterschriften. | |
So ein „Fuck Putin!“ ist schnell geliked, das geschminkte Antlitz des | |
Machos aus Moskau hat Ikonen-Potenzial. Das sind all die Zeichen, die der | |
russischen LGBT-Gemeinde Anteilnahme und Unterstützung zusichern sollen. So | |
wie sie es sich wünscht. Solidarität auf Augenhöhe. Auf Augenhöhe? Nichts | |
weiter als die Neuauflage eines kolonialen Diskurses, kritisiert eine | |
Trans-Aktivist_in aus Moskau. | |
Dabei tut es so gut, sich im politischen Raum zu bewegen, die gelangweilte | |
Party- und Paraden-Community endlich wieder mit Sinn und Inhalt zu | |
bereichern. Ganz selbstgenügsam, denn die gewählten Protestformen und | |
Solidaritätsbekundungen gelangen kaum über die eigenen Kreise hinaus, | |
bewegen keinerlei Öffentlichkeit hierzulande, geschweige denn im fernen | |
Moskau oder Nowosibirsk. | |
## Ansammlung unterschiedlichster Ansätze | |
Aus dem, was man immer noch gerne soziale oder Protestbewegung nennen | |
möchte, ist eine Ansammlung unterschiedlichster Ansätze und Ideen, Antriebe | |
und Überzeugungen geworden. Wo hier doch – im Vergleich zu Russland – alles | |
möglich sein soll in homosexueller Angelegenheit, gibt es kein gemeinsames | |
Reden, erst recht kein gemeinsames Handeln. Queere Dogmatiker_innen stehen | |
urbanen It-Boys gegenüber, alte Bewegungskämpen gegen gewiefte Politprofis | |
und mediengeile Egoshooter. | |
Auf die Schwere der russischen Ereignisse lässt sich damit nicht adäquat | |
reagieren. Heterosexuelle bemühen gerne die Gefahr durch homosexuelle | |
Seilschaften, die Homolobby, die Homintern. | |
Das Feindbild können sie getrost auf Eis legen, es gibt hierzulande keine | |
LGBT-Gemeinde, die sich ihrer gemeinsamen Stärke und Kraft bewusst ist. Die | |
Regeln, nach denen – wie das Beispiel der Solidarität mit Russland zeigt – | |
von diversen Seiten gehandelt wird, werden bestimmt von einer Verwertungs- | |
und Aufmerksamkeitsökonomie und haben sich längst entfernt von den | |
Notwendigkeiten eigentlicher Anliegen. | |
4 Feb 2014 | |
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## AUTOREN | |
Elmar Kraushaar | |
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