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# taz.de -- Volksabstimmung in der Schweiz: „Gegen Masseneinwanderung“
> Die SVP will EU-Bürger und Asylbewerber gleichermaßen abwehren. Am
> Sonntag stimmen die Schweizer ab. Die Chancen stehen nicht schlecht.
Bild: Unterste Schublade: So wirbt die SVP für den Einwanderungsstopp.
GENF taz | Am Dienstag dieser Woche in einer Zürcher Vorstadtbeiz, wie man
dort eine Kneipe nennt. Am Stammtisch verbreitet ein Jungpolitiker der
Schweizer Volkspartei (SVP) dröhnendes Gelächter mit einer Witzkaskade über
deutsche Steuerkriminelle:
„Wer sind uns die liebsten Deutschen? Alice Schwarzer, Uli Hoeneß und
andere, die ihr Geld auf unseren Banken haben, aber nicht in der Schweiz
leben. Wozu braucht es die Volksinitiative gegen Masseneinwanderung? Damit
Alice Schwarzer bloß nicht ins Schweizer Exil auswandert. Welche Deutsche
sind uns aber auch nach Annahme der Volksinitiative am nächsten Sonntag
jederzeit willkommen? Die Finanzminister von NRW und andere kriminelle
Käufer von Steuer-CDs. Für die ist in unseren Gefängnissen immer eine Zelle
frei.“
Die Stimmung ist gut an den Stammtischen und in den Hochburgen der SVP.
Denn am Sonntag könnte die Strategie, mit der die rechtspopulistische
Partei alle Wahlen seit Ende des Kalten Krieges erfolgreich bestritten hat,
erneut aufgehen: Ressentiments gegen Ausländer aufbauen. Nach einer Ende
Januar durchgeführten Umfrage wollen am Sonntag bei der Abstimmung über die
von der SVP lancierte „Volksinitiative gegen Masseneinwanderung“ lediglich
50 Prozent der eidgenössischen StimmbürgerInnen ein Nein in die Urne legen,
43 Prozent aber mit Ja votieren.
Das ist zwar immer noch eine Minderheit. Doch sie nährt unter den
SVP-Anhängern die Hoffnung auf einen Sieg. Anfang Januar sprachen sich noch
55 Prozent gegen die Initiative aus und nur 37 Prozent dafür. Eine solche
Entwicklung ist in der Geschichte der Schweizer Volksabstimmungen höchst
selten. Üblicherweise sinkt im Verlaufe des Abstimmungskampfes die
Zustimmung zu einer Volksinitiative.
## Alle Ressentiments in einer Initiative
Zu einem Erfolg bei der Abstimmung am Sonntag könnte es kommen, weil die
SVP erstmals alle nur denkbaren ausländerfeindlichen Diskurse und
Ressentiments in einer einzigen Initiative zusammengeführt hat. Alle
früheren, überwiegend gescheiterten xenophoben Initiativen der SVP
richteten sich immer nur gegen eindeutig benannte und auf Plakaten und in
Zeitungsanzeigen durch Farben und Symbole identifizierte Teilgruppen von
Ausländern: nichtweiße Flüchtlinge und Asylbewerber aus Afrika und Asien;
Kriminelle aus dem Balkan und anderen verdächtigen Regionen; schwarze
Schafe, die vom Schweizer Sozialsystem schmarotzen oder sich gar den roten
Pass mit dem Balkenkreuz erschleichen wollen.
Die aktuelle Initiative hingegen fordert erstmals, Höchstzahlen,
Kontingente und andere Restriktionen für ausnahmlos alle Personengruppen
ohne Schweizer Pass festzulegen: EU-BürgerInnen,die seit 2007 in der
Schweiz wohnen und arbeiten dürfen; GrenzgängerInnen, die täglich aus
Frankreich, Italien oder Deutschland zur Arbeit in die Schweiz einreisen,
sowie Flüchtlinge und Asylbewerber (siehe Wortlaut).
Auf den Kampagneplakaten der SVP wird die gesamte Schweiz von einem
anonymen krakenähnlichen Ungetüm umschlungen. In Zeitungsanzeigen mit dem
Titel „Bald mehr Ausländer als Schweizer“ behauptet die SVP, ohne eine
Einschränkung der Zuwanderung werde die Wohnbevölkerung der Schweiz von
derzeit 8,1 Millionen Menschen und einem Ausländeranteil von 23,5 Prozent
bis 2.060 auf 16,3 Millionen mit einem Ausländeranteil von mindestens 52
Prozent anwachsen.
## Schuld am „Dichtestress“
Geschickt instrumentalisiert die SVP den „Dichtestress“, den vor allem
SchweizerInnen im Großraum Zürich immer stärker beklagen: überfüllte Züge,
Busse und Straßenbahnen, verstopfte Straßen, explodierende Wohnungsmieten.
Verantwortlich für diesen „Dichtestress“ macht die SVP in erster Linie die
Einwanderung von jährlich rund 80.000 EU-BürgerInnen. Unter ihnen stellen
die Deutschen inzwischen mit 284.200 Personen die zweitgrößte Gruppe nach
den Italienern (291.000) und vor Portugiesen (237.000) und Franzosen
(104.000).
Zwar lehnen die Schweizer Regierung, alle anderen Parteien, der
Wirtschaftsdachverband und die Gewerkschaften die „Abschottungsinitiative“
der SVP geschlossen ab. Eine Studie der Universität Basel belegt zudem,
dass ein Drittel des Schweizer Wirtschaftswachstums der letzten Jahre von
den dort lebenden AusländerInnen erarbeitet wurde. Doch all dies ist keine
Garantie für eine Ablehnung der Initiative am Sonntag.
Laut der Umfrage von Ende Januar will ein Drittel der Anhänger der
wirtschaftsliberalen FDP mit Ja stimmen. Bei den Grünen und der
Christlichen Volkspartei sind es jeweils 24 Prozent. Und im Tessin hat sich
die kantonale Sektion der Grünen sogar offen hinter die Initiative der SVP
gestellt.
6 Feb 2014
## AUTOREN
Andreas Zumach
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