# taz.de -- Folgen der Edathy-Affäre: SPD und „Bild“ in trauter Eintracht | |
> Volkes Stimme – die „Bild“ – fordert, Edathy das Übergangsgeld zu | |
> streichen. Seine Mutterpartei lässt sich nicht bitten und haut in | |
> dieselbe Kerbe. | |
Bild: Stillleben mit SPD-Präsidium, Krisenmanagment betreibend. | |
BERLIN taz | Die Zeitung der schnellen Urteile weiß bereits, wie der | |
deutsche Staat mit Sebastian Edathy umspringen müsste. „Streicht Edathy das | |
Geld!“, lautete die Bild-Schlagzeile am Mittwoch. Sie zielt darauf, dem | |
Sozialdemokraten das Übergangsgeld abzuerkennen, das ausscheidenden | |
Parlamentariern laut Abgeordnetengesetz zusteht. | |
Auch wenn das Boulevarblatt nur zwei völlig unbekannte FDP-Politiker als | |
Stichwortgeber auftat: So fängt gesellschaftliche Ächtung an. Bei Leuten, | |
die sich Fotos nackter Jungs bestellen, braucht man es nicht so genau | |
nehmen mit Recht und Gesetz, findet Bild. | |
Und die SPD? Edathys Partei ist schockiert über die Verfehlung ihres | |
einstigen Hoffnungsträgers. „Entsetzt und fassungslos“ seien die | |
Führungsgremien, mit diesen Worten ging Parteichef Sigmar Gabriel am Montag | |
auf maximale Distanz. Der Vorstand assistierte mit einer drastischen | |
Maßnahme. Einstimmig beschloss er, die Mitgliedsrechte Edathys ruhen zu | |
lassen. Dies gilt zunächst drei Monate lang. | |
Edathy wird deshalb Post vom SPD-Vorstand bekommen. Denn der Beschluss muss | |
dem Betroffenen samt Begründung zugestellt werden, heißt es in der | |
SPD-Satzung. Gabriel und Co. greifen wohl zum schärfsten Schwert, das die | |
Verfassung der Partei zu bieten hat. Sie wollen ein Parteiordnungsverfahren | |
anstrengen, an dessen Ende ein Parteiausschluss stehen kann. Edathy soll | |
raus aus der SPD. Aber geht das so einfach? | |
Bisher liegen keine Hinweise auf strafbares Verhalten vor, das räumt selbst | |
die Staatsanwaltschaft Hannover ein. Edathys Bestellungen bei einer | |
kanadischen Firma berühren lediglich moralische Fragen. Ist ein Politiker | |
tragbar, der sich gerne nackte Jungs anschaut? „Sein Handeln passt nicht | |
zur SPD“, ist sich Gabriel sicher. So wie viele andere Sozialdemokraten | |
auch, sei es in der Bundestagsfraktion oder in Edathys Bezirksverband. Dass | |
es ein Ordnungsverfahren geben wird, gilt im Willy-Brandt-Haus deshalb als | |
so gut wie sicher. | |
## Parteiausschluss ist schwierig | |
Im Moment arbeiten Juristen im Haus an einer Begründung. Dann wird eine | |
Beschlussvorlage formuliert, die der Vorstand bei seiner nächsten Sitzung | |
am 10. März auf den Tisch bekäme. Verantwortlich für das Verfahren wäre | |
wohl die Schiedskommission Hannover. Es ist allerdings nicht einfach, ein | |
Mitglied gegen seinen Willen aus der Partei zu entfernen. „Das wird enorm | |
schwierig“, sagt ein Parteiinsider. Die SPD werde diesen schwierigen Weg | |
gehen, weil das Wohl von Kindern ein so hohes und schutzwürdiges Gut sei. | |
Laut Satzung kann ein Ausschluss nur erfolgen, „wenn das Mitglied | |
vorsätzlich gegen die Statuten oder erheblich gegen die Grundsätze oder die | |
Ordnung der Partei verstoßen hat und dadurch schwerer Schaden für die | |
Partei entstanden ist.“ Edathy hat weder gegen die Statuten noch gegen die | |
Ordnung der SPD verstoßen. Ob der Partei schwerer Schaden entstanden ist, | |
ist eine Ermessensfrage. Bleiben die Grundsätze. Ist es ein Grundsatz der | |
Sozialdemokratie, dass man keine Nacktbilder von Kindern bestellen sollte? | |
Alle in der Partei erinnern sich noch an Thilo Sarrazin, Ex-Bundesbänker | |
und Immer-noch-SPD-Mitglied. Sarrazin hatte in seinem Buch „Deutschland | |
schafft sich ab“ sozialdarwinistisch und unterschwellig rassistisch | |
argumentiert. Die SPD strengte zwei Parteiordnungsverfahren gegen ihn an, | |
einigte sich am Ende aber gütlich mit ihm. Sarrazin gab 2011 eine moderat | |
klingende Erklärung ab und durfte bleiben. Auch deshalb, weil die SPD | |
realisierte, dass viele Basisgenossen Sarrazins Thesen von | |
integrationsunwilligen Muslimen teilten. | |
Bei Parteiausschlüssen liegt der größte Teil des Verfahrens in der Hand | |
lokaler Gliederungen. Während Volkes Stimme Sarrazin nutzte, könnte sie | |
Edathy schaden – die Toleranz vieler Genossen dürfte bei Nacktfotos von | |
Kindern enden. Wie man mit moralisch fragwürdig handelnden Mitgliedern auch | |
umgehen kann, hat übrigens die CDU vorgemacht. | |
Im Jahr 2003 wurde öffentlich, dass der Moderator Michel Friedman Sex mit | |
Zwangsprostituierten aus der Ukraine gehabt hatte. Friedman trat im Zuge | |
der Affäre von allen Ämtern zurück. Und Angela Merkel, damals nur | |
CDU-Chefin, wusste wohl, wie unglücklich Parteiordnungsverfahren enden | |
können. Die Debatte über einen Parteiausschluss Friedmans sei „absolut | |
unangebracht“, sagte sie. „Michel Friedman bleibt für mich weiterhin | |
Mitglied der CDU Deutschland.“ Friedmann ist es bis heute. | |
19 Feb 2014 | |
## AUTOREN | |
Ulrich Schulte | |
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