# taz.de -- Der sonntaz-Streit: „Erst der Balken macht den Porno“ | |
> Schützt die Privatsphäre der Kinder, fordert „Innocence in Danger“. | |
> Besser Fotos als Übergriffe, kontert der Sexualstrafrechtler Joachim | |
> Renzikowski. | |
Bild: Ist es okay, wenn Pädophile dieses Bild betrachten? | |
Die Aufnahmen, die auf dem Rechner des ehemaligen | |
SPD-Bundestagsabgeordneten Sebastian Edathy gefunden wurden, sind nicht | |
strafbar. Dass jedoch Legalität einen weiteren Bereich umfasst als die | |
gesellschaftliche Moral, zeigt die Diskussion um Nacktbilder von Kindern | |
infolge der Causa Edathy sehr deutlich. | |
„Das Strafrecht muss verschärft werden“, fordert Annegret | |
Kramp-Karrenbauer, CDU-Ministerpräsidentin des Saarlands, in der taz.am | |
wochenende vom 22./23. Februar. Auch der Kriminologe Christian Pfeiffer | |
pocht darauf, dass dringend eine Gesetzeslücke geschlossen und der Handel | |
mit Nacktbildern jeglicher Art unter Strafe stehen müsse. | |
Er weist darauf hin, dass harmlos anmutende Fotos häufig nur als | |
„Warming-up“ dienen – zur Vorbereitung auf harte Pornoszenen. Häufig | |
gedreht mit Kindern aus ärmeren, osteuropäischen Ländern. „Wer als Käufer | |
auftritt, fördert genau dieses. Auch Herrn Edathys Verhalten sollte unter | |
Strafe gestellt werden“, sagt Pfeiffer. | |
„Was soll so schlimm daran sein, wenn jemand Kinderbilder betrachtet und | |
auf diese Weise problematische Neigungen kompensieren kann?“, fragt dagegen | |
der Sexualstrafrechtler Joachim Renzikowski in Hinblick auf die schwierige | |
Lebenssituation pädophil veranlagter Menschen. Dass man nicht nur die | |
betroffenen Kinder, sondern auch die „Täter“ in die Diskussion | |
miteinbeziehen müsste, sagt der Abiturient und taz-Leser Maximilan Madey. | |
Und liefert einen ungewöhnlichen Vorschlag: „Es sollte, ähnlich dem Konzept | |
legaler Drogenkonsumräume, eine Internetseite geben, auf der man in einem | |
bestimmten Rahmen solche Bilder zeigt. So bliebe – wenigstens bis bessere | |
Therapiemöglichkeiten angeboten werden können – Menschen mit pädophiler | |
Veranlagung eine legale, kontrollierbare Möglichkeit, ihrem Trieb | |
nachzugehen.“ | |
## Totaler Kontrollverlust? | |
Entschieden gegen diese Idee äußert sich der Student und taz-Leser | |
Alexander Haider: „Als ,soft' klassifizierte Kinderpornographie – auch wenn | |
sie in Einzelfällen schweren Straftaten vorbeugen mag – ist die denkbar | |
ungeeignetste Waffe im Kampf gegen Kindesmissbrauch. Ein Kind ist keine | |
Opfergabe, die man dem Minotaurus vorwirft.“ | |
Haider, der einen Sommer lang als Bademeister jobbte, erinnert zudem an | |
Gefahren, die im Alltag lauern. Im Freibad musste er mit „peinlich | |
berührten“ Eltern über Badehosenpflicht diskutieren. Dass Spanner mit | |
Kamera im Gebüsch lauern könnten, sollte er nicht erwähnen – sein | |
Vorgesetzter fürchtete Geschäftseinbußen. | |
Mit dem Stichwort Badehosenpflicht geht die Debatte um nackte Kinder und | |
die Fotos von ihnen ins alltägliche Leben über. Kaum jemand will sich in | |
Deutschland ausmalen, dass irgendwann Kontrolleure Nacktfotos in privaten | |
Alben zensieren könnten. Eine „lächerliche“ Idee, kommentiert Sandra S. a… | |
Facebook. | |
Doch hier taucht ein weiteres Problem auf. Wer klebt heutzutage noch Fotos | |
in analoge Alben? Stattdessen werden digitale Fotos der eigenen – manchmal | |
eben auch nackten – Kinder in sozialen Internet-Netzwerken gepostet oder in | |
Flickr-Alben mit Freunden geteilt. Mehr als nur unangenehm kann es für die | |
Sprösslinge werden, wenn ihre Kinderfotos in falsche Hände geraten. So | |
warnt Marina von Achten, Juristin und Präsidentin von „Innocence in | |
Danger“, vor dem „totalen Kontrollverlust“, denn „das Bild kann in den | |
Weiten des Netzes schrankenlos weiter verbreitet werden.“ | |
Doch es gibt auch Menschen, die Nacktbilder zum Zweck der Veröffentlichung | |
anfertigen und diese eher in der Kunst als im Dunstkreis von Pornographie | |
verorten. So macht die Autorin Ulrike Heider darauf aufmerksam, dass | |
Nacktheit an sich nicht aufreizend ist: „Erst wer bei unbekleidet | |
abgebildeten Kindern die Schamstellen mit Balken versieht, macht | |
Kinderpornos daraus. Wer die Veröffentlichung von Bildern nackter Kinder | |
verbieten will, vermutet in jedem Erwachsenen, der sie knipst oder sieht, | |
einen Sexualverbrecher.“ | |
Die Streitfrage beantworteten außerdem Paula Honkanen-Schoberth, | |
Geschäftsführerin des Deutschen Kinderschutzbundes, und Christina Höser, | |
Leiterin der Agentur Modelzwerge – in der taz.am wochenende vom 22./23. | |
Februar. | |
22 Feb 2014 | |
## AUTOREN | |
Jasmin Siebert | |
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