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# taz.de -- Obdachloser auf Facebook: Ein Ausgegrenzter gibt Auskunft
> Eine österreichische Werbeagentur macht den Alltag eines Obdachlosen via
> Facebook öffentlich. Ziel ist es, den Bedürftigen mit Respekt zu
> begegnen.
Bild: Auf der Facebook-Seite von VinziRast werden Plakate beworben.
WIEN taz | In unserer Gesellschaft gibt es viele Arten von Distanzen:
soziale, räumliche, kommunikative. Deshalb ist das, was den Obdachlosen vom
Rest der Gesellschaft trennt, nicht nur der Wohnraum. Er ist auch von der
grundlegenden Kommunikation ausgeschlossen: Welten trennen das vernetzte
Leben in sozialen Medien und das vereinzelte Leben auf der Straße.
Es war die Idee einer Werbeagentur, diese Distanz zu überwinden und diese
Welten zu verbinden. Ein junger Obdachloser teilt seit kurzem sein Leben
ohne Zuhause via Facebook. Mit einem gesponserten Smartphone postet er
täglich, was ihm widerfährt. In Echtzeit. Natürlich wusste man schon
vorher, dass Obdachlose und Nicht-Obdachlose in zwei getrennten Welten
leben.
Aber durch das Posten erfährt man unmittelbar: Die zwei Realitäten finden
gleichzeitig statt. Plötzlich taucht da diese andere, diese ausgeblendete
Wirklichkeit auf unserem Schirm auf – wortwörtlich auf unserem Bildschirm.
Das bedeutet die Echtzeit, mit der das Posten beworben wird. Diese Echtzeit
macht erst deutlich, welche andere Zeit, welche ganz andere Realität da
gleichzeitig abläuft.
Das Schöne daran: Hier berichtet niemand über einen Obdachlosen. Hier gibt
einer selbst Auskunft über seine Situation. Ist das nun eine
Selbstermächtigung? Anders gesagt: Ist das ein Sozialprojekt oder eine
Werbekampagne? Demner, Merlicek & Bergmann sind die größte Werbeagentur
Österreichs, und sie haben diese „neue Art von Social-Media-Kampagne“ für
die „[1][VinziRast]“ entwickelt. Unbezahlt. Als Unterstützung. Und sie
haben dabei äußerst sensibel den Grundgedanken der VinziRast umgesetzt.
Denn diese ist eine privat betriebene Notschlafstelle – eine Art
Businessclass unter den Notschlafstellen mit Malwerkstatt, Schreibwerkstatt
und Qigong.
## Fäden zum Rest der Gesellschaft
Ziel der VinziRast ist es, den Bedürftigen mit Respekt zu begegnen. Deshalb
werden die Leute, die hier Aufnahme finden, auch als Gäste bezeichnet. Ganz
in dem Sinne postet der Proponent auf Facebook als „Vinzi Gast“. Zugleich
möchte der mittlerweile bekannteste Obdachlose von Wien aber anonym
bleiben, um nicht auf immer als Obdachloser stigmatisiert zu sein.
Den Obdachlosen gibt es nicht. Da gibt es solche, die mit der Gesellschaft
nichts mehr zu tun haben wollen. Und dann gibt es solche, die zumindest
noch ein paar Fäden mit dem Rest der Gesellschaft verbinden. Wir kennen
Vinzi Gasts Namen nicht, aber wir wissen so viel von seiner Geschichte,
dass man ihn der zweiten Gruppe zuordnen kann.
Einer dieser Anknüpfungspunkte ist nun seine Facebook-Seite, die bereits
5.738 Likes hat. Vinzi Gast postet da täglich: seinen Tagesablauf, seine
Bemühungen bei der Jobsuche, Fotos vom Essen. Aber auch über die mangelnde
Intimsphäre – etwa Kontrollen auf der Toilette. Oder über die Probleme von
Obdachlosen, ihre Sexualität zu leben. Es ist ein brutal öffentliches Leben
ohne eigenen Raum.
Da es ja um einen Dialog geht, gibt es natürlich auch Reaktionen auf seine
Postings. Da gibt es jene, die ihn belehren, wie das Leben funktioniert und
wie er es „schaffen“ kann. Dann gibt es jene, die ihm vor lauter Mitgefühl
ständig virtuell auf die Schulter klopfen: Du musst aufpassen auf dich! Ein
Schnupfen kann böse Folgen haben! Und dann gibt es noch jene, die es auf
selber Augenhöhe versuchen: Ich hatte auch gerade Halsschmerzen. Der Kuchen
sieht aber lecker aus, den hätte ich auch gern. Mir hat reiner Honig
geholfen.
Die Kampagne ist kein Resozialisierungsprogramm. Sie unterstützt die
„VinziRast“, deren Motto lautet: die Menschen vom Rand der Gesellschaft in
die Mitte holen. Das Projekt knüpft dazu einen Faden, den kommunikativen.
19 Feb 2014
## LINKS
[1] http://www.facebook.com/pages/Vinzi-Gast/252724914886559
## AUTOREN
Isolde Charim
## TAGS
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