# taz.de -- Ich-bin-am-Leben-App im Libanon: Makaber, aber effizient | |
> Mit einem Klick verschickt eine App Lebenszeichen. Sie soll Familie und | |
> Freunde nach Bombenanschlägen im Libanon schnell benachrichtigen. | |
Bild: Ein Autowrack nach einem Bombenanschlag in Beirut | |
Die Chronologie der Ereignisse im Libanon ist stets die gleiche: Nach einem | |
Bombenanschlag bricht Panik aus. Sind Familie, Freunde und Bekannte | |
unversehrt? Jeder greift zum Handy, aber nur wenige sind erreichbar. Das | |
Netz ist völlig überlastet. | |
Die 26-jährige Libanesin Sandra Hassan kennt dieses Gefühl der | |
Unsicherheit: „Da ich im Ausland lebe, ist es sehr schwer, jemanden zu | |
erreichen.“ Seit anderthalb Jahren studiert sie in Paris Gesundheitswesen | |
und hat einen Bachelor in Informatik. Lange Zeit überlegte sie, was die | |
Kommunikation nach einem Anschlag erleichtern würde, bis sie eine Lösung | |
fand: die „Ich bin am Leben“-App. | |
Die Bedienung ist simpel. Mit einem Klick twittert die App eine | |
standardisierte Nachricht „Ich bin noch am Leben! #Lebanon #LatestBombing“. | |
Tippen muss man dazu nicht, nur auf den Button drücken. Auf Twitter | |
erscheint dann eine konkrete Liste aller User, die ein Lebenszeichen | |
gesendet haben. Hassan will zeigen, dass strukturierte Tweets besser sind | |
als fehlgeschlagene Anrufe. Es ging aber nicht nur um Funktionalität: „Ich | |
wollte die Situation im Libanon kritisieren. Es ist schrecklich, dass ein | |
solches Tool nützlich sein kann!“ | |
19 Menschen starben in diesem Jahr bereits bei Bombenanschlägen im Libanon. | |
Anfang Januar brachte Hassan die App auf den Markt. Bisher wurde sie erst | |
180 Mal heruntergeladen, aber die Kommentare der Nutzer sind überwiegend | |
positiv. Ein User schreibt: „Wir brauchen so eine App im Libanon. Sie ist | |
wichtig für Libanesen in der heutigen Zeit.“ Viele wünschen sich eine | |
Verknüpfung mit Facebook und anderen sozialen Netzwerken. „Ich hoffe, dass | |
die, die an der Macht sind, diesen Hilferuf erhören“, kommentiert ein | |
anderer. | |
## Nutzung bei Naturkatastrophen | |
Hassan will auf die Verbesserungsvorschläge eingehen und die Anwendung | |
optimieren. Auch die unabhängige internationale Krisenbeobachtungsstelle | |
„Observatoire international des crises“ zeigt Interesse an einer | |
Weiterentwicklung. Die Non-Profit-Organisation mit Sitz im französischen | |
Faugères will die App nach Naturkatastrophen nutzen. Die App löste auf | |
Twitter und Facebook Diskussionen aus. Einige bezeichnen das Tool als | |
überflüssig und makaber. Hassan widerspricht: „Die Anwendung ist effizient, | |
sie informiert schnell und direkt.“ | |
Die junge Studentin plant bereits ihr nächstes Projekt, das wieder für | |
Gesprächsstoff sorgen wird. Mit zwei Bloggern tüftelt sie an einer App, die | |
es libanesischen Politikern einfacher machen will, Attentate öffentlich zu | |
verurteilen. „Unsere Politiker reagieren sehr routiniert und gefühlskalt | |
auf Bomben. Es sind immer dieselben Phrasen. Wir werden Standard-Statements | |
in einer App listen, die unsere Staatsmänner per Klick versenden können“, | |
erklärt Hassan. | |
Die Politiker-App wird wohl mehr Satire sein als von Nutzen – anders als | |
die Lebenszeichen-App. Ihr Erfolg in der Praxis hängt jedoch von der Zahl | |
der User ab. Jeder Download schafft mehr Reichweite. Allerdings graut | |
Hassan vor dem Tag, an dem sie von ihren Verwandten keine Nachricht liest. | |
14 Feb 2014 | |
## AUTOREN | |
Juliane Metzker | |
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