# taz.de -- News-App für Kinder: Mit Tod und Terror | |
> Mit „Quappiz“ startet die erste deutschsprachige News-App, die Gewalt | |
> kindgerecht erklären soll. Ob die Kleinen das ertragen, ist umstritten. | |
Bild: Eine News-App soll Kindern Gewalt erklären. | |
Schwierig wird die Arbeit von Judith Roth, wenn es um Angstthemen geht: | |
Terror, Totschlag, Gift im Essen. Bei solchen Nachrichten muss die | |
Journalistin Fingerspitzengefühl beweisen, denn ihre Leserschaft ist | |
feinfühlig. Roth schreibt für Acht- bis Zwölfjährige, und die nehmen vieles | |
persönlich. Wenn die USA vor Anschlägen im Luftverkehr warnen, denken | |
Kinder schneller als Erwachsene mit Bauchschmerzen an die nächste | |
Urlaubsreise, weiß die 38-Jährige. | |
Ihre Bremer Agentur für Kindermedien liefert die „Klaro Safaro“-Seite an | |
Zeitungen, Radiostationen und andere Redaktionen können einen | |
Nachrichten-Ticker abonnieren. Diese Woche bringt Roth die erste | |
deutschsprachige Handy-App mit Nachrichten speziell für Kinder auf den | |
Markt. Quappiz wird vorerst nur für das iPhone erscheinen. 2,69 Euro kostet | |
das Monatsabo, dafür verzichtet das Programm auf Werbung oder Anbindung an | |
Facebook. | |
Roth und sechs Mitarbeiterinnen wollen täglich zehn Topmeldungen | |
kindgerecht erklären, ein aktuelles Quiz vertieft das Wissen über das | |
Weltgeschehen. In Watte gepackt werden soll der Nachwuchs dabei nicht: | |
Morde und Gewalt sind keine Tabus. „Wir wollen aber keine diffusen Ängste | |
auslösen. Quappiz soll die Dinge vermitteln, damit eben keine Ängste | |
entstehen“, sagt Roth. Das beste Rezept: Dinge kapieren, über die | |
Erwachsene reden. Die App will das in maximal 2.000 Zeichen pro Nachricht | |
leisten. | |
Roth sieht darin ein Grundrecht: „Kinder brauchen Informationen. Sie müssen | |
früh Zusammenhänge verstehen, um auch später mitreden zu können.“ Die | |
Medienpädagogin Claudia Lampert vom Hamburger Hans-Bredow-Institut stimmt | |
zu: Kinder dürften ruhig mit der Aktualität konfrontiert werden, am Ende | |
schnappten sie ja doch alles Mögliche auf. In einem Punkt aber widerspricht | |
die Forscherin: Sie empfiehlt, Tabubereiche strenger zu definieren, als | |
Roth es vorhat. Ein Mord an einem Kind etwa müsse ein Kindermedium nicht | |
thematisieren. „Mir fällt da kein Ansatz ein, wie man solche Themen | |
kindgerecht aufbereiten könnte“, sagt Lampert. | |
## Mit den Eltern gucken | |
Mindestens so notwendig wie die verständliche Formulierung ist der Beistand | |
von Erwachsenen, wenn Kinder Nachrichten lesen. Der Konsum von Medien | |
hinterlässt meistens Fragen und Unsicherheiten. Darauf macht auch der | |
heutige Aktionstag „Safer Internet Day“ aufmerksam. „Kinder sollten immer | |
die Möglichkeit haben, Unverständliches zu klären und Ängste thematisieren | |
zu können“, empfiehlt Lampert Eltern. | |
Sie forscht zum mobilen Medienkonsum von Kindern und weiß daher: Apps für | |
die Kleinen entstehen momentan zuhauf, die digitale Aufrüstung im | |
Kinderzimmer findet auf hohem Niveau statt: „Selbst einige Grundschulkinder | |
haben bereits ein Smartphone oder sie nutzen das Smartphone oder iPad ihrer | |
Eltern.“ | |
Dass Quappiz Neuland betritt, liegt nicht zuletzt am entscheidungslahmen | |
öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Deren Infoangebote für Kinder – etwa die | |
„logo!“-Nachrichten – gibt es zwar auch online über die ZDF-Website | |
[1][tivi.de], aber den Vormarsch der Mobilgeräte haben die Anstalten | |
verpennt. tivi.de ist nicht einmal im Browser störungsfrei abrufbar, weil | |
immer wieder Flash-Animationen aufblinken. | |
Im Gespräch mit dem zuständigen ZDF-Redakteur Matthias Rode wird deutlich: | |
Die Redaktion wäre gerne weiter, doch die Entscheidungswege im Sender sind | |
lang. Im Laufe des Jahres sollen auf tivi.de immerhin alle Elemente | |
verschwinden, die mobil für Probleme sorgen. Eine neue Mediathek-App mit | |
Videos nur für Kinder wird wohl dieses Jahr herauskommen. | |
Judith Roth war schneller – und realisiert ihre Idee mithilfe vieler | |
Kleinspender. Über die Crowdfunding-Plattform Krautreporter sammelte sie | |
fast 10.000 Euro und konnte so die Entwicklung bezahlen. Ihre Zielgruppe | |
sind nicht nur Eltern und deren Nachwuchs. Auch manch Ältere dürften sich | |
für kinderleichte Nachrichten interessieren: „Bei den Erwachsenen-Medien | |
kommen Erklärungen meistens am Schluss eines Artikels – aber da sind viele | |
Leser womöglich längst ausgestiegen.“ | |
13 Feb 2014 | |
## LINKS | |
[1] http://tivi.de | |
## AUTOREN | |
Jens Twiehaus | |
## TAGS | |
Kinder | |
Medienkompetenz | |
Erziehung | |
Medien | |
Internetsperren | |
iPad | |
Schwerpunkt Facebook | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Mein Schulbuch heißt iPad: Die vielen Schüler des Steve Jobs | |
iPad-Schulen sind in den Niederlanden beliebt. Sie versprechen | |
individuelles Lernen mit Spaß. Kritiker monieren „linke Ideologie“. | |
Obdachloser auf Facebook: Ein Ausgegrenzter gibt Auskunft | |
Eine österreichische Werbeagentur macht den Alltag eines Obdachlosen via | |
Facebook öffentlich. Ziel ist es, den Bedürftigen mit Respekt zu begegnen. | |
Kolumne Fernsehen: Dumm und dünner | |
Ein bekannter deutscher Talkshowmoderator und weitere Gründe, sich für das | |
deutsche Fernsehen zu schämen. | |
Diskussion um Videospiele: "Gewalt ist Teil unserer Kultur" | |
Bei der Tagung "Mörderische Spiele?" in Erfurt mussten die Teilnehmer | |
selbst die Maus in die Hand nehmen, um bei "Counterstrike" Terroristen zu | |
erschießen. | |
Französische Kindermedien: Heimliche Werbung der Atomlobby | |
Französische Zeitschriften für Kinder und Jugendliche haben Reklame von | |
Atomkonzernen gedruckt - ohne sie zu kennzeichnen. Die französische | |
Werbeaufsicht ist empört. |