# taz.de -- Mein Schulbuch heißt iPad: Die vielen Schüler des Steve Jobs | |
> iPad-Schulen sind in den Niederlanden beliebt. Sie versprechen | |
> individuelles Lernen mit Spaß. Kritiker monieren „linke Ideologie“. | |
Bild: iPad statt Papier: So sehen Schulbücher an immer mehr Schulen in den Nie… | |
ALMERE taz | Daan füttert einen Fisch mit Zahlen. Happ macht der Fisch, die | |
Ziffer Vier verschwindet im Maul. Der Junge sitzt im iPad-Atelier einer | |
Grundschule im niederländischen Almere, er angelt hier in virtuellen | |
Gewässern. Daan übt rechnen, multiplizieren mithilfe einer App. „Aus | |
Büchern lernen war langweilig und okay“, erklärt er. „Aber mit dem iPad | |
lernen, das ist viel besser.“ Warum? „Weil das iPad reagiert, wenn ich | |
etwas tue. Das ist viel interessanter, als vor einem Buch zu sitzen.“ | |
Daan ist Schüler einer sogenannten Steve-Jobs-Schule. Das sind Schulen, die | |
mit einem iPad-gestützten Unterrichtskonzept arbeiten. Seit August gibt es | |
in den Niederlanden sieben solcher Schulen, eine davon in Almere, in der | |
Nähe von Amsterdam. An der öffentlichen „Digitalis-Basisschule“ lernen | |
zurzeit 150 Kinder zwischen 4 und 10 Jahren mit iPads. | |
Hier sollen sie auf die Anforderungen der digitalisierten Gesellschaft | |
vorbereitet werden. Die Schule wirbt mit dem Slogan „Schulunterricht für | |
ein neues Zeitalter“, auf Niederländisch [1][„Onderwijs voor een Nieuwe | |
Tijdperk“], in Kurzform: O4NT. Die Lehrer heißen Coaches, der Unterricht | |
Workshop, die Klassenräume Atelier und die Schulbücher – iPad. | |
Obwohl der verstorbene Apple-Gründer Steve Jobs selbst noch davon träumte, | |
Schulbücher neu zu erfinden, stammt das Konzept für die niederländischen | |
iPad-Schulen weder von ihm noch von dem kalifornischen Konzern. Ausgedacht | |
hat es sich der niederländische Meinungsforscher Maurice de Hond. Die Idee | |
soll ihm gekommen sein, als er seine vierjährige Tochter beobachtete, wie | |
sie sich zu Hause mit einem iPad beschäftigte. | |
## Niedriges Niveau langweilt Schüler | |
Das Interesse aus dem In- und Ausland sei groß, berichtet Yvonne Kieft. Sie | |
ist Coach an der Schule in Almere. Mit den iPads, glaubt sie, habe man ein | |
sinnvolles Werkzeug in den Händen, um Kinder besser zum Lernen und zur | |
selbständigen Arbeit zu stimulieren. „Wir können gezielt auf die | |
Bedürfnisse der einzelnen Schüler eingehen.“ Auf niedrigerem Niveau zu | |
lernen, langweile Schüler nämlich, das sei einfach Zeitverschwendung. | |
Im Schulalltag sieht das so aus: Kieft stellt die Aufgaben für jeden | |
Schüler individuell zusammen und schickt ihnen dann einen Link. Mit diesem | |
gehen die Schüler dann in das passende Atelier (Raum), wo ihr Workshop | |
(Unterricht) stattfindet, in welchem ein Coach (Lehrer) die Aufgaben | |
erklärt. Außerhalb der Workshops arbeiten die Kinder selbständig und in | |
Stille unter der Aufsicht von Unterrichtsassistenten im iPad-Atelier. | |
Ursprünglich sollten Steve-Jobs-Schüler die Freiheit haben, zu lernen, wann | |
und wo sie wollten. Ob zu Hause, ob in der Schule: Ort und Zeitpunkt | |
sollten egal sein. Diese Idee hat die niederländische Schulaufsichtsbehörde | |
nicht genehmigt. Auch iPad-Schüler gehen zur Schule: an Wochentagen, zu | |
festgelegter Uhrzeit. | |
## Monatliche Gebühr für's iPad | |
In der „Digitalis-Basisschule“ laufen Kinder mit farbigen, robusten | |
Schutzhüllen mit großem Handgriff, in denen das iPad steckt, von Atelier zu | |
Atelier. Jedes Kind hat sein eigenes, das für 4,50 Euro pro Monat zur | |
Verfügung steht. Das iPad meldet dem Kind, falls es im falschen Atelier | |
sein sollte. | |
„Die Workshops sind interaktiv, die Kinder müssen zusammenarbeiten“, | |
erzählt Kieft. Auf dem Lehrplan stehen: Sprache, Lesen, Rechnen, | |
Geschichte, Erdkunde, kreatives Spiel, draußen spielen – denn „Kinder | |
müssen sich viel bewegen“. Das Schreiben wird allerdings mit der Hand | |
geübt, konventionell mit einem Bleistift. | |
„Unser Ausgangspunkt ist, dass Kinder gerne lernen wollen“, sagt Kieft. | |
„Die Schüler haben bei uns schlicht mehr Raum. Wir haben auch eine andere | |
Art, zu kommunizieren.“ Während Lehrer im normalen Schulbetrieb frontal | |
Anweisungen erteilten, beschränkten sich die Coaches hier auf kurze | |
Hinweise. Diese setzten die Schüler selbständig um. | |
Kieft lobt das Smartboard als ideales Instrument, um zu verfolgen, womit | |
ein Kind beschäftigt sei und welche Fortschritte es machte. Die Eltern | |
würden intensiv einbezogen. „Alle sechs Wochen besprechen wir mit den | |
Eltern und dem Kind, was ein Schüler gelernt hat und was als Folgendes auf | |
dem Lehrplan stehen soll.“ | |
## Spiele spielen nicht erlaubt | |
Kinder, die auf anderen Schulen zu scheitern drohten, könnten sich auf der | |
iPad-Schule besser entfalten, beobachtet Kieft. Es sei allerdings keine | |
Schule nach dem Motto „lang lebe der Spaß“, das sei nicht die Absicht, | |
widerspricht sie. Eine Hausregel lautet: Spiele spielen oder Musik hören | |
ist nicht erlaubt. Ob sie sich daran halten, entscheiden die Schüler | |
selbst. „Unser Netzwerk ist offen. Wenn Schüler etwas auf Youtube anschauen | |
möchten, können sie das. Wir halten es bewusst so“, erklärt Kieft. Die | |
Kinder sollten lernen, mit Möglichkeiten umzugehen. | |
Unumstritten sind die iPad-Schulen nicht. Als Apple vor zwei Jahren | |
ankündigte, in den Schulbuchmarkt einzusteigen, und 9.000 iPads an Lehrer | |
verteilte, sahen viele darin vor allem den Versuch, sich eine ganze | |
Generation neuer Kunden zu erziehen. | |
In den Niederlanden richtet sich die Kritik vor allem gegen die Methodik | |
der Jobs-Schule. Presley Bergen von „Beter Onderwijs Nederland“, einer | |
traditionell eingestellten Interessenvertretung der Lehrer, bezeichnet die | |
Steve-Jobs-Schulen als „linke Ideologie“. Es werde zu viel Selbständigkeit | |
bei den Schülern vorausgesetzt. „Kinder sind nicht in der Lage, über | |
Unterricht selbst zu entscheiden“, ist sein Hauptkritikpunkt. „Die Schüler | |
können nicht prozessgebunden lernen, sie brauchen eine feste Struktur. | |
Lehrer müssen die Regie haben.“ Außerdem gehe es nicht in erster Linie | |
darum, dass der Unterricht Spaß mache, sondern darum, dass die Kinder etwas | |
lernten. | |
„Neuer Hype oder beständiger Wert? Tablets in der Klasse“, heißt es auch | |
über einem Zeitungsartikel, der in den Räumen der „Digitalis“-Schule an d… | |
Wand hängt. Momentan scheint das Konzept auf jeden Fall erfolgreich zu | |
sein: Die Anzahl der sogenannten Steve-Jobs-Schulen steigt in den | |
Niederlanden. Hons hat jüngst zwei eigene Schulen eröffnet und angekündigt, | |
dass nach den Sommerferien insgesamt 20 Schulen nach dem iPad-Ansatz | |
arbeiten sollen. | |
10 Apr 2014 | |
## LINKS | |
[1] http://o4nt.nl/category/nieuws/ | |
## AUTOREN | |
Gunda Schwantje | |
## TAGS | |
iPad | |
Schule | |
Steve Jobs | |
Digitalisierung | |
Tablet | |
Schwerpunkt Türkei | |
iPhone | |
Diagnose | |
Kinder | |
Akademie der Künste Berlin | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Groteske aus dem Polizeigewahrsam: Blocked in Turkey | |
Unser Autor wollte über die Kommunalwahl in der Türkei berichten. Einreisen | |
durfte er nicht – aus der Zelle heraus twittern schon. | |
Apple schließt Sicherheitslücken: Schöne i-Welt gerettet | |
Apple hat die gravierenden Sicherheitslücken bei seinen Geräten | |
geschlossen. Wer oder was den SSL-Fehler verursacht hat, bleibt offen. | |
App für Röntgenbild-Diagnose: Finde den Tumor | |
Eine App soll Medizinern helfen, Röntgenbilder richtig zu interpretieren. | |
Neben Testaufgaben ist auch ein Austausch der Ärzte über reale Problemfälle | |
möglich. | |
News-App für Kinder: Mit Tod und Terror | |
Mit „Quappiz“ startet die erste deutschsprachige News-App, die Gewalt | |
kindgerecht erklären soll. Ob die Kleinen das ertragen, ist umstritten. | |
Gemeinnützige digitale Bibliothek geplant: Ein Bücherregal und keine Fototape… | |
Mit LOG.OS soll eine nicht-kommerzielle Literaturplattform entstehen. Ihre | |
Macher wollen das Kulturgut Buch aus den Fängen von Amazon retten. |