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# taz.de -- Freispruch für Ex-Bundespräsidenten: Äußerlich ungerührt
> Beim Freispruch äußert der Richter grundsätzliche Zweifel am Verfahren.
> Was bleibt, ist das Wissen um Christian Wulffs Vorliebe für Bananensaft.
Bild: Schließlich schmunzelt er ein wenig: Christian Wulff nach dem Freispruch.
HANNOVER taz | Christian Wulff hat, was er wollte. Er verlässt das
Landgericht Hannover an diesem Donnerstag als unbescholtener Bürger. Der
Exbundespräsident ist vom Vorwurf der Vorteilsannahme freigesprochen. Für
die „erlittenen Durchsuchungen“, wie es der Vorsitzende Richter Frank
Rosenow formuliert, stehe Wulff zudem eine Entschädigung zu.
Äußerlich ungerührt lauscht Wulff in Saal 127 des Landgerichts dem Urteil.
Über drei Monate saß er hier auf der Anklagebank, im ersten Prozess gegen
ein bundesdeutsches Staatsoberhaupt überhaupt. Erst als Richter Rosenow die
Vorwürfe der Staatsanwaltschaft noch einmal zusammenfasst, regt sich Wulff:
Er schmunzelt, schüttelt immer wieder den Kopf.
Wulff soll sich 2008 vom mitangeklagten Filmunternehmer David Groenewold
mit einer Einladung zum Oktoberfest korrumpieren lassen haben. Groenewold,
der am Donnerstag vom Vorwurf der Vorteilsgewährung ebenfalls
freigesprochen wurde, soll einen Teil der Hotelkosten, ein Essen, die
Kosten für einen Babysitter sowie die Bewirtung im Wiesn-Festzelt
übernommen haben – summa summarum an die 720 Euro. Als Gegenleistung soll
sich der damalige niedersächsische CDU-Ministerpräsident auf Groenewolds
Bitte hin beim Siemens-Vorstand für ein Groenewold-Filmprojekt eingesetzt
haben.
Aus Sicht des Gerichts konnte die Staatsanwaltschaft diese Vorwürfe in 14
Verhandlungstagen und bei 26 Zeugenvernehmungen nicht hinreichend belegen.
„Es gibt schlicht keine schlagkräftigen Beweise gegen die Angeklagten“,
sagt Richter Rosenow. Engste Mitarbeiter, Wulffs Ex-Leibwächter, Ex-Frau
Bettina und Promifreunde wie Maria Furtwängler und Hubert Burda hatten
ausgesagt – und konnten sich an das Oktoberfest vor fünf Jahren nur vage
erinnern. Dafür gaben sie Details wie Wulffs Vorliebe für Bananensaft und
Barzahlungen oder die Gluten-Allergie der Furtwängler zu Protokoll.
## Der Joker taugte nichts
Selbst Wulffs Ex-Sprecher Olaf Glaeseker taugte nicht als Joker der
Anklage. Seine Vernehmung hatte die Staatsanwaltschaft erst kurz vor
Prozessende nachträglich beantragt, nachdem sie lange eher passiv agierte.
Doch auch Wulffs einstigem Vertrauten versagte vor Gericht das Gedächtnis.
„Die Abläufe könnten wie von der Staatsanwaltschaft dargelegt sein, sie
könnten aber auch anders gewesen sein“, begründet Richter Rosenow den
Freispruch. Zugleich betont er, auch die Erklärungen der Angeklagten seien
„nicht ausschließbar“. Wulff hatte beteuert, von der Kostenübernahme erst
im Nachhinein erfahren – und seinem Freund Groenewold das Geld dann
umgehend bar erstattet zu haben.
Zumindest von der Freundschaft der beiden Angeklagten, zeigt sich das
Gericht vollends überzeugt: Immerhin habe Groenewold seinem Freund Wulff
einst ein Handy geliehen, damit der „gefahrlos mit seiner neuen Freundin
telefonieren konnte“, führt der Richter aus.
## „Es gibt nur schuldig oder unschuldig“
Rosenow äußert vielmehr grundsätzliche Zweifel am Verfahren: „Ist es
wirklich vorstellbar, dass sich ein Ministerpräsident für Peanuts auf ein
Unterfangen einlässt, das ihn Kopf und Kragen kosten könnte?“, fragt er.
Dann wendet er sich mit einer Belehrung an die Medien: „Es gibt nur
schuldig oder unschuldig, das ist ganz so wie bei einer Schwangerschaft:
Ein bisschen schwanger gibt es nicht.“
Das Urteil überrascht kaum noch. Schon zur Eröffnung des Prozesses stufte
das Gericht den Vorwurf der Anklage von Bestechlichkeit zu Vorteilsannahme
herab. Nach nur vier Wochen schlug Rosenow bereits die Einstellung des
Verfahrens vor, das ursprünglich bis weit in den April hinein angesetzt
war. Auf neue Beweisanträge der Staatsanwälte reagierte er zunehmend
unwirsch. Von einem „Auswärtsspiel“ für die Ankläger spricht
Oberstaatsanwalt Clemens Eimterbäumer dann in seinem Schlussplädoyer.
Ob sie gegen das Urteil Revision einlegt, will die Staatsanwaltschaft
kommende Woche entscheiden. Eine Neuauflage des Prozesses wäre möglich,
wenn dem Gericht Verfahrensfehler nachgewiesen werden können. Eimterbäumer
hatte schon in seinem Plädoyer, anders als üblich, kein Strafmaß, sondern
eine Fortsetzung der Beweisaufnahme beantragt. Das Gericht habe „die
vorliegenden Erkenntnisquellen nicht ausgeschöpft“.
Wulff selbst erklärt nach seinem Freispruch, er sei „erleichtert, dass sich
das Recht durchgesetzt hat“. Nun wolle er sich „der Zukunft zuwenden“. Er…
einmal gehe er aber Sohn Linus von der Kita abholen, gemeinsam mit Tochter
Anna-Lena, die ihn vor dem Gericht bereits erwartete.
27 Feb 2014
## AUTOREN
Teresa Havlicek
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