| # taz.de -- Staatsanwalt über übereifrige Kollegen: „Nur fünf Prozent Frei… | |
| > Christoph Frank vom Deutschen Richterbund verteidigt Staatsanwälte gegen | |
| > den Vorwurf, sie zerstörten mit nicht gerechtfertigten Ermittlungen | |
| > fahrlässig Existenzen. | |
| Bild: Die Verteter der Anklage im Wulff-Prozess: Staatsanwältin Anna Tafelski … | |
| taz: Herr Frank, die Staatsanwaltschaft ist ins Gerede gekommen. Haben die | |
| Ankläger manchmal zu viel Jagdfieber? | |
| Christoph Frank: Nein, überhaupt nicht. Die Annahme, dass wildgewordene | |
| Staatsanwälte bei bestimmten Ermittlungen ihre Profilsucht austoben, hat | |
| mit der Wirklichkeit nichts zu tun. | |
| Es könnte doch passieren, dass sich ein Staatsanwalt zu sehr in einen Fall | |
| verbeißt und Erfolg um jeden Preis sucht? | |
| Es ergibt für einen Staatsanwalt gar keinen Sinn, um jeden Preis eine | |
| Anklage zu erheben. Damit würde er nur auf die Nase fallen. Schließlich | |
| muss er zunächst das unabhängige Gericht überzeugen, dass es die Anklage | |
| überhaupt zulässt. Und in der Hauptverhandlung müssen die von der | |
| Staatsanwaltschaft präsentierten Zeugen und Beweismittel die Richter so | |
| überzeugen, dass es keinen vernünftigen Zweifel an Täterschaft und Schuld | |
| des Angeklagten mehr gibt. | |
| Die Staatsanwälte müssen also stets andere überzeugen? | |
| Genau. Der deutsche Strafprozess ist von vielen Kontrollen und | |
| Gegenkontrollen geprägt. Auch Beschuldigte und Geschädigte haben | |
| Rechtsmittel und können ihre Interessen einbringen. Dieses System ist auf | |
| höchstmögliche Wahrheitsermittlung angelegt. Es ist so ausgewogen und | |
| differenziert wie keine andere Rechtsordnung auf der Welt. | |
| Dann dürfte es ja so gut wie nie Freisprüche geben, wenn die | |
| Staatsanwaltschaften nur perfekt abgezirkelte Anklagen vorlegen? | |
| Auch wenn es Sie überraschen mag, die Zahl der Freisprüche liegt deutlich | |
| unter fünf Prozent. | |
| Im Fall Wulff wurde der Staatsanwaltschaft vorgeworfen, sie habe | |
| übermäßigen Aufwand betrieben, wegen eines angeblichen Vorteils von 700 | |
| Euro … | |
| Die Staatsanwaltschaft musste ermitteln, weil ein Anfangsverdacht der | |
| Bestechlichkeit vorlag. Das bestreitet niemand. Und weil zuvor die Medien | |
| jeden Stein im Leben von Christian Wulff umgedreht hatten, lagen ziemlich | |
| viele Vorwürfe auf dem Tisch, die alle überprüft werden mussten. Die | |
| meisten Punkte wurden dann eingestellt – was schon zeigt, dass nicht | |
| einseitig ermittelt wurde. | |
| Aber war ein Prozess um zuletzt 700 Euro wirklich nötig? | |
| Das Gericht, das Wulff jetzt freigesprochen hat, hatte die Anklage zunächst | |
| zugelassen, das heißt, es hielt eine Verurteilung für hinreichend | |
| wahrscheinlich. Im übrigen sind Bestechlichkeit und Vorteilsannahme immer | |
| strafbar, egal ob der mutmaßliche Vorteil nun 700 oder 700.000 Euro | |
| beträgt. | |
| Im ebenso umstrittenen Fall Edathy erstaunt es, dass seine Räume nach | |
| Kinderpornographie durchsucht wurden, obwohl Edathy laut BKA in Kanada nur | |
| strafrechtlich irrelevante Bilder und Filme bestellt hatte. Ist das | |
| korrekt? | |
| Im Prinzip ist so etwas möglich, wenn die kriminalistische Erfahrung sagt, | |
| dass in solchen Fällen häufig auch strafbare Kinderpornographie zu finden | |
| ist. Dann kann auf diesen Erfahrungssatz ein Anfangsverdacht gestützt | |
| werden. Es geht ja nur um den Beginn von Ermittlungen, nicht um eine | |
| Verurteilung. Eine Durchsuchung ist auch nur dann möglich, wenn ein | |
| unabhängiges Gericht ebenfalls von diesem Erfahrungssatz überzeugt ist. | |
| Heißt das, auch ein Pädophiler, der sich an die Gesetze hält, muss damit | |
| rechnen, dass ihm aus „kriminalistischer Erfahrung“ strafbares Verhalten | |
| unterstellt wird? | |
| Es darf keinen Automatismus geben. Es muss in jedem Einzelfall umfassend | |
| geprüft werden, ob auch wirklich ein Anfangsverdacht vorliegt. | |
| Die Hannoveraner Staatsanwaltschaft hat im Fall Edathy ihren | |
| Anfangsverdacht in einer Pressekonferenz begründet. Wurde Edathy da nicht | |
| vorschnell bloßgestellt? | |
| Grundsätzlich ist das Ermittlungsverfahren nicht öffentlich – auch zum | |
| Schutz des Beschuldigten. Wenn der Staatsanwaltschaft allerdings die | |
| Verfolgung Unschuldiger vorgeworfen wird, muss sie ihr Vorgehen erläutern | |
| können. Ob es dabei notwendig war, den Inhalt der bestellten Filme genau zu | |
| beschreiben, lasse ich jetzt mal offen. | |
| Hat die Staatsanwaltschaft überhaupt genug Personal, um die Ermittlungen | |
| wirksam zu steuern? | |
| Die Staatsanwaltschaften sind leider unterbesetzt. Das macht es schwer, das | |
| beschriebene hervorragende System des deutschen Strafverfahrens stets | |
| umzusetzen. Bundesweit fehlen einige hundert Staatsanwälte. | |
| 11 Mar 2014 | |
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| Christian Rath | |
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