| # taz.de -- Nachruf auf Huber Matos: Fidel Castros erster Abtrünniger | |
| > Grundschullehrer, Guerilla-Kommandant, inhaftierter Verräter, | |
| > Exil-Oppositioneller. Mit 95 Jahren ist der Kubaner Huber Matos in Miami | |
| > gestorben. | |
| Bild: Huber Matos, hier 2006 in seinem Haus in Miami. | |
| BERLIN taz | Die Wege von Huber Matos und Fidel Castro kreuzten sich schon | |
| viele Jahre vor der kubanischen Revolution. Für Castro ist Huber Matos eine | |
| Episode. Für Huber Matos ist Fidel Castro der entscheidende Faktor in | |
| seinem Leben. | |
| Anfang der 50er Jahre waren beide, der Rechtsanwalt aus Havanna, der später | |
| zum „Maximo Lider“ der kubanischen Revolutionsregierung aufsteigen sollte, | |
| und der Grundschullehrer und Reisbauer Huber Matos aus Manzanilla, | |
| Mitglieder der Orhodoxen Partei. Deren Kandidat Roberto Agromonte schickte | |
| sich an, bei den für April 1952 angesetzten Wahlen neuer Präsident Kubas zu | |
| werden. | |
| Doch daraus wurde nichts. Am 10. März 1952 putschte sich Fulgencio Batista | |
| an die Macht. Von Wahlen war nicht mehr die Rede. Für Fidel Castro | |
| bedeutete das, dass sich auch seine Hoffnungen auf einen Sitz im Parlament | |
| zerschlagen hatten. Castro, der schon zuvor an militanten, wenn auch | |
| erfolglösen Aktionen teilgenommen hatte, ging alsbald in den Untergrund – | |
| und machte erst am 26. Juli 1953 wieder von sich reden, als er mit einer | |
| Gruppe junger unerfahrener Kämpfer, viele davon Mitglieder der Orthodoxen | |
| Jugend, die Moncada-Kaserne angriff, eine der wichtigtsten Miltärbastionen | |
| des Batista-Regimes. | |
| Huber Matos versammelte am Tag des Putsches die Schüler und Lehrer seiner | |
| Grundschule um sich und erklärte, jetzt gelte es Widerstand gegen die | |
| Diktatur zu leisten – schlimme Zeiten würden anbrechen. Seine | |
| Lehrerkarriere war vorerst beendet. | |
| ## Waffenorganisator für Fidel Castro | |
| Castro wurde aufgespürt und verurteilt, kam nach zwei Jahren frei, verließ | |
| 1955 die Orthodoxe Partei und gründete die Bewegung des 26. Juli. Matos | |
| schloss sich der Bewegung an, aber nicht als Kämpfer, sondern zur | |
| logistischen Unterstützung – er organisierte Waffen. 1957 wurde Matos von | |
| Batistas Truppen geschnappt, konnte jedoch entkommen und ging ins Exil nach | |
| Costa Rica. Dort organisierte er weiter, flog 1958 mit einer Cessna voller | |
| Waffen nach Kuba und wurde vom acht Jahre jüngeren Castro zum Kommendeur | |
| einer Einheit ernannt. | |
| Beim Triumph der Revolution über das Batista-Regime zog Huber Matos, der | |
| inzwischen neben den Castro-Brüdern Fidel und Raúl, Che Guevara und Camilo | |
| Cienfuegos zu einem der fünf wichtigsten Köpfe der Revolution avanciert | |
| war, im offenen Wagen mit Fidel in Havanna ein. Fortan war er | |
| Militärkommandant der wichtigen – und reichen – Region Camagüey. | |
| Aber Huber Matos war nie ein Linker gewesen, auch wenn man ihn, bärtig und | |
| zauselig wie die anderen Guerilleros der Sierra Maestra, dafür halten | |
| konnte. Er hatte nach eigenem Bekunden lediglich dafür gekämpft, den | |
| Rechtsstaat und die Verfassung von 1940 wieder herzustellen, und manche | |
| Biografen gehen davon aus, dass Matos hoffte, bei sicherlich stattfindenden | |
| Wahlen um ein Senatorenamt kandidieren zu können. | |
| Als Militärkommandant fühlte er sich nicht wohl. Und immer häufiger fielen | |
| ihm marxistisch-leninistische Texte in der Militärzeitschrift Verde-Olivo | |
| auf – zu einem Zeitpunkt, Mitte 1959, als Castro überall noch verkündete, | |
| er sei kein Kommunist, und der Kommunismus sei auch nicht das Ziel der | |
| Revolution. Matos sprach Castro auf die Texte an, versuchte, das Thema vor | |
| die Gremien der Revolution zu bringen. Vergeblich. Mitte des Jahres wollte | |
| er zurücktreten, wollte wieder als Lehrer arbeiten. Castro lehnte ab. | |
| ## Rücktritt als Kommandant | |
| Anders als Fidel war Raúl Castro schon als Student der Juventud Socialista | |
| beigetreten, der Jugendorganisation der Kommunistischen Partei Kubas. Raúl | |
| Castro war Kommunist und machte daraus auch keinen Hehl. Als Matos' | |
| Bedenken erst kein Gehör fanden und schließlich am 20. Oktober 1959 auch | |
| noch Raúl Castro zum Minister für die Streitkräfte ernannt wurde, trat | |
| Matos mit einem offenen Breif von seinem Posten zurück, und 15 seiner | |
| Offiziere taten es ihm gleich. | |
| Fidel Castro tobte. Er schickte am Folgetag Camilo Cienfuegos nach Camagüey | |
| mit dem Befehl, Matos wegen Verrats zu verhaften. Matos berichtete später | |
| darüber, Cienfuegos sei zu seinem Haus gekommen, seine Frau habe Kaffee | |
| gekocht, und beide hätten rund zwei Stunden miteinander geredet, bevor | |
| Cienfuegos mit dem eigentlichen Anliegen herausgerückt sei. | |
| Matos leistete keinen Widerstand, ließ sich festnehmen und wurde zusammen | |
| mit den anderen 15 abtrünnigen Offizieren ins Militärgefängnis La Cabaña in | |
| Havanna gebracht. Kubanische Propagandafilme berichten, der geniale | |
| Cienfuegos habe den „geschickt eingefädelten Umsturzversuch des Verräters | |
| Huber Matos ohne einen einzigen Schuss“ niedergeschlagen. Matos sagt bis | |
| heute, er habe niemals einen Umsturz geplant. Er habe nur nicht mehr | |
| mitmachen wollen. | |
| In einem großen Schauprozess vor 1.500 Zuschauern, größtenteils Soldaten, | |
| wurde Matos verurteilt. Ankläger, Richter und Zeugen waren von Castro | |
| ausgewählt worden, Matos verteidigte sich selbst. „Ich verstehe mich weder | |
| als Verräter noch als Abtrünnigen", sagte er. „Mein Gewissen ist rein. Wenn | |
| dieses Gericht mich schuldig spricht, dann werde ich das akzeptieren, | |
| selbst wenn ich erschossen werde. Ich würde das als weiteren Dienst an der | |
| Revolution verstehen.” Er sprach dreieinhalb Stunden lang – und erntete | |
| anschließend Applaus von vielen im Saal. Fidel ließ sie hinauswerfen. | |
| ## Keine Erschießung, aber 20 Jahre Haft | |
| Im Unterschied zu so vielen anderen, die in jener Zeit der Konterrevolution | |
| bezichtigt wurden, wurde Matos nicht einfach erschossen – vermutlich, um | |
| keinen Märtyrer zu schaffen, vielleicht auch, weil Castro wusste, dass | |
| Matos, immerhin ein Held der Revolution, viele Anhänger hatte. Matos wurde | |
| zu 20 Jahren Haft verurteilt, die er bis auf den letzten Tag absaß. 1979 | |
| kam er frei, wurde nach Costa Rica abgeschoben, wo seine Frau und seine | |
| vier inzwischen erwachsenen Kinder lebten. | |
| Kurzzeitig zogen sie nach Venezuela, wo Matos seine Exilgruppe „Cuba | |
| Independiente y Democratica” gründete, später nach Miami, wo Matos bis zu | |
| seinem Tod lebte. | |
| In Miami wurde Matos von den vielen politischen Exilorganisationen der | |
| großen kubanischen Community zunächst skeptisch aufgenommen – immerhin war | |
| er einer der verhassten Bärtigen Fidel Castros gewesen. Die Exilkubaner, | |
| die damals die politische Szenerie von Miami prägten, waren ja keine | |
| enttäuschten Demokraten, sondern entmachtete Batista-Anhänger. | |
| Matos entwickelte sich zu einem der schärfsten, wenngleich nicht | |
| einflussreichsten Gegner der kubanischen Regierung im Ausland. Er | |
| polemisierte gegen die Organisation Amerikanischer Staaten, als die darüber | |
| diskutierte, Kuba wieder aufzunehmen. Und als er 2003 nach Europa reiste, | |
| forderte er vehement EU-Sanktionen gegen Kuba. | |
| Es dürfte allerdings nicht wirklich an Matos gelegen haben, dass die dann | |
| tatsächlich auch beschlossen wurden. Europa diskutiert dieser Tage eine | |
| Normalisierung der Beziehungen, Raúl Castro ist seinem Bruder auf dem | |
| Präsidentenstuhl nachgefolgt. Huber Matos ist am Donnerstag im Alter von 95 | |
| Jahren im Krankenhaus gestorben. Er möchte in Costa Rica beerdigt werden | |
| und hat verfügt, seine Überreste sollten ins Familiengrab in Yara, Kuba | |
| umgebettet werden, sobald Kuba „zur Demokratie zurückkehrt“. | |
| 28 Feb 2014 | |
| ## AUTOREN | |
| Bernd Pickert | |
| ## TAGS | |
| Kuba | |
| Schwerpunkt Fidel Castro | |
| Raul Castro | |
| Kuba | |
| Kuba | |
| Kuba | |
| Kuba | |
| Kuba | |
| Migration | |
| Kuba | |
| Kuba | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| 50. Todestag von Ernesto Rafael Guevara: Che, sexy wie Christian Lindner | |
| Der Mann, der mit Fidel Castro den Sozialismus in die Karibik brachte, ist | |
| seit fünfzig Jahren tot. Was ist mit ihm noch anzufangen? Ziemlich viel. | |
| Wirtschaftspolitik in Kuba: Ausländische Investoren erwünscht | |
| Im Kampf gegen die wirtschaftliche Stagnation setzt Kuba auf Geld aus dem | |
| Ausland. Mit fast schon revolutionären Reformen sollen ausländische | |
| Investoren angelockt werden. | |
| Kuba und Europäische Union: Beziehungsgespräche stehen an | |
| Die EU hat die kubanische Regierung um Gespräche über die unterkühlten | |
| Beziehungen gebeten. Diese nahm an und signalisierte, man könne über alles | |
| reden. | |
| Revolutionsgefährte Fidel Castros ist tot: Vom Comandante zum Gegner | |
| Huber Matos war Castros Weggefährte, Dissident, politischer Gefangener. Ein | |
| zwiespältiges Verhältnis zur kubanischen Revolution prägte sein Leben. | |
| Abkommen EU-Kuba: Ein Ende der Eiszeit? | |
| Nach 17 Jahren frostiger Stimmung wollen Kuba und die Europäische Union in | |
| einen neuen Dialog treten. Ein bilaterales Abkommen ist geplant. | |
| Ein Jahr Reisefreiheit in Kuba: Die Kehrseite der Medaille | |
| Seit einem Jahr dürfen die Kubaner reisen. Rund 250.000 haben bisher die | |
| Koffer gepackt. Viele von ihnen sind im Ausland geblieben. | |
| Beziehung zwischen den USA und Kuba: Kuba bietet Dialog an | |
| Präsident Raúl Castro will in einen Dialog mit den USA treten. Seine | |
| Bedingung: Die USA akzeptieren Kubas Unabhängigkeit und auch das politische | |
| System. | |
| Schuldenkrise in Kuba: Russland verzichtet auf Altschulden | |
| Die Pro-Kopf-Verschuldung Kubas ist die höchste der Welt. Nun sorgt | |
| Russland für Entlastung. Die Regierung in Havanna hat auch mit anderen | |
| verhandelt. |