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# taz.de -- Wahlkampf in Afghanistan: Stimmungsmache mit Gerüchten
> Der Präsidentschaftswahlkampf geht in die heiße Phase. Und so kursieren
> über manche Spitzenkandidaten die abstrusesten Gerüchte.
Bild: Der paschtunische Präsidentschaftskandidat Ashraf Ghani Ahmadzai, einer …
KABUL taz | Das Wahlbüro des Präsidentschaftskandidaten Qutbuddin Helal in
Kabul ist groß, weiträumig und kalt. Während Tee serviert wird, sitzen ein
Dutzend ältere Männer mit langen Bärten auf unbequemen Ledersesseln und
sprechen über die Wahlen am 5. April.
Helal, der für die Hizb-i-Islami antritt, ist noch immer nicht erschienen.
Der Ingenieur und frühere Mudschaheddin-Kämpfer gilt als Außenseiter.
Obwohl in Kabul die riesigen Wahlplakate nicht zu übersehen sind, ist
Helals Porträt selten.
Seiner vom Kriegsfürsten Gulbuddin Hekmatjar geführten Partei fehlt Geld.
Hekmatjar, der von den USA als Terrorist eingestuft wird und sich versteckt
hält, ruft zur Wahl Helals auf. Damit pokert er hoch.
Die meisten Beobachter erwarten, dass Helal schlecht abschneidet. Dann
würde deutlich, dass die „Hisb“ und Hekmatjar nichts mehr zu sagen hätten.
Helals Wahlkampf ist geprägt von US-kritischen Äußerungen. „Ich denke stets
an das Beste für dieses Land“, sagt er immer wieder. Das
Sicherheitsabkommen mit den USA, dessen Unterzeichnung der scheidende
Präsident Hamid Karsai seinem Nachfolger überlässt, gehört für Helal nicht
dazu. Das ist sein größter Unterschied zu den anderen Kandidaten.
## Drei Favoriten
Noch neun Männer sind im Rennen, die Karsai im April ablösen wollen. Die
Wichtigsten von ihnen investieren mehrere Millionen Dollar. Beobachter
erwarten ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen drei Männern.
Einer ist Aschraf Ghani Ahmadsai, ein intellektueller Paschtune, der lange
in den USA lebte und unter anderem für die Weltbank arbeitete. Laut
US-Magazin Time zählt er zu den schlauesten Köpfen der Welt. Der hagere
Ghani war populär, weil er im Gegensatz zu vielen anderen afghanischen
Politikern kein Blut an den Händen hat.
Doch die Popularität verlor Ghani, als er den usbekischen Warlord Abdul
Raschid Dostum zum Vizepräsidentschaftskandidaten machte. Dostums
Kriegsverbrechen fielen vor allem Paschtunen zum Opfer.
Ein weiterer paschtunischer Kandidat ist Zalmay Rassoul, der sich auf
Plakaten in westlichen Anzügen präsentiert. Auch er lebte im Ausland, unter
anderem in Rom mit dem letzten afghanischen König Mohammed Sahir Schah.
## Rassoul wird wegen seiner Katze verspottet
Mittlerweile hat Kajum Karsai, der ältere Bruder Hamid Karsais, seine
Kandidatur zu Gunsten Rassouls aufgegeben. Auf Kabuls Straßen wird Rassoul
jedoch verspottet. Der Ledige soll eine Katze haben, für die er tiefe
Gefühle empfindet. Nun wollen ihn religiöse Würdenträger disqualifizieren.
„Ein unverheirateter Mann kann die Muslime nicht führen“, heißt es aus
klerikalen Kreisen.
Ghani und Rassoul versuchen, die Paschtunen als größte ethnische Gruppe
hinter sich zu bringen. Ob das gelingt, ist fraglich. Denn beiden wählten
Männer anderer Ethnien als Stellvertreter, die unter den Paschtunen nicht
beliebt sind.
Ghani wählte den erwähnten Usbeken Dostum, Rassoul den Tadschiken Ahmad Zia
Massud, Bruder des 2001 getöteten Nordallianz-Führers, Ahmad Schah Massud.
Rassoul hat zudem das Manko, dass er kaum Paschto spricht.
## Gerüchte über falschen Doktortitel
Geschichten kursieren auch über den dritten Spitzenkandidaten Abdullah
Abdullah, der vor allem Tadschiken mobilisiert. Es heißt, der promovierte
Augenarzt aus dem Pandschir-Tal sei gar kein richtiger Arzt. Doch der
frühere Nordallianz-Führer Massud soll Abdullah so oft als Doktor
bezeichnet haben, bis ihn jeder so ansprach.
Gerade ist Abdullah emotional angeschlagen. Sein Weggefährte, der bisherige
Vizepräsident und Kriegsfürst Mohammed Qasim Fahim, erlag einem
Herzinfarkt. Abdullah war der Erste, der Fahims Familie in ihrem
Luxusanwesen sein Beileid aussprach.
Inzwischen rief Taliban-Sprecher Sabiullah Mudschahid zum Wahlboykott auf.
Afghanen sollten sich von Wahllokalen fernhalten, da dort Anschläge geplant
seien. Solche Drohungen wurden bei früheren Wahlen kaum befolgt, obwohl die
Taliban Wähler und Kandidaten töteten.
Auch dieses Mal wollen viele Afghanen ihrer Wahlpflicht nachgehen, weil sie
auf Frieden und wirtschaftlichen Fortschritt hoffen. Obstverkäufer,
Taxifahrer oder Tischler in Kabul kämpfen ums tägliche Überleben. Ihre Wut
auf die Regierung ist groß. Viele verstehen nicht, warum der tote Fahim
posthum so gelobt wurde.
21 Mar 2014
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