Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Putins Rede zur Krim: Der Sammler russischer Erde
> Putin spricht von „Wiederherstellung der Einheit“ und wirft dem Westen
> Doppelmoral vor. Die Abgeordneten der Duma jubeln.
Bild: Goldenes Zeitalter? – Putin auf dem Weg zu seiner Rede.
MOSKAU taz | Im Georg-Saal des Kreml war die Stimmung prächtig unter den
Gästen. Mit leuchtenden Augen und stehenden Ovationen begrüßten die
Abgeordneten der Duma und des Föderationsrats am Dienstag Präsident
Wladimir Putin, der sie zu einer außerordentlichen Rede an die Nation
geladen hatte.
Vielen Abgeordneten war anzumerken, wie schwer es ihnen fiel, die
Begeisterung darüber zu verbergen, wie Putin im Handstreich die Krim der
Ukraine entrissen hatte. Am Ende der Ansprache unterzeichneten der
Kremlchef und die Vertreter der Krim und des Schwarzmeerhafens Sewastopol
den Aufnahmevertrag mit der Russischen Föderation.
Wladimir Putin begründete noch einmal die historische Verbundenheit
Russlands mit der Halbinsel, die 1954 vom Generalsekretär der KPdSU an die
Ukraine übergeben worden war. Er ging dabei bis zur Christianisierung der
Rus vor 1.000 Jahren zurück.
In Mimik, Gestik und Intonation war dem Präsidenten die Erregung
anzumerken. Mit einem Seitenhieb auf den Westen ging der „Sammler
russischer Erde“ – wie es in einer russischen Redewendung heißt – denn a…
noch einmal ausführlich auf die Unabhängigkeit des Kosovo ein. Er erinnerte
daran, wie der Westen damals gegen russische Einwände die einseitige
Unabhängigkeitserklärung der jugoslawischen Teilrepublik Kosovo hatte
durchgehen lassen.
Putin nahm dies erneut zum Anlass, dem Westen „doppelte Standards“ und
zweierlei Maß vorzuwerfen, und deklinierte den Katalog westlicher
Verfehlungen vom Irak bis Libyen noch einmal durch.
Der Casus Kosovo findet nach russischer Lesart nun auch auf der Krim
Anwendung: „Man kann die gleiche Sache heute nicht schwarz und morgen weiß
nennen“, meinte der Kremlchef.
## Angemessene Reaktion
Putin gab sich entschieden und unbeugsam. Keinesfalls sollte der Eindruck
entstehen, der Kreml würde dem Westen Zugeständnisse machen. Es waren
jedoch widersprüchliche Signale, die er aussandte: Russland werde auf das
aggressive Verhalten des Westens in der Ukraine-Krise angemessen reagieren,
suche aber keine Konfrontation, sagte Putin und warf den USA vor,
außenpolitisch mit dem „Recht des Stärkeren“ vorzugehen.
Die Krim, daran ließ Putin keine Zweifel aufkommen, rückt Moskau nicht mehr
heraus. Mit Spannung wurde unterdessen erwartet, was der Präsident für die
Gesamtukraine vorgesehen hat. „Wir wollen keine Spaltung der Ukraine“,
sagte er.
Beobachter werteten dies bereits als ein Entspannungssignal. Fahrlässig
wäre es aber, daraus eine klare Absage an eine militärische Intervention
herauslesen zu wollen – nicht nur, weil Moskaus Truppen an der Grenze zur
Ukraine stehen.
Im Rückbezug auf den Zerfallsprozess der Sowjetunion hob der Kremlchef
hervor, dass sich 25 Millionen Landsleute außerhalb der russischen Grenzen
befinden. Sollte es zu einer Deckung Moskauer Interessen mit jenen der
Auslandsrussen kommen, könnte der Kreml versucht sein, deren Rechte auch
außerhalb der Landesgrenzen zu verteidigen, suggerierte der Vortragende.
Irritieren musste auch der Hinweis, dass die russische Welt nun bestrebt
sei, die „Wiederherstellung der Einheit“ vorzunehmen. Was wollte Wladimir
Putin damit andeuten?
## Keine Verhandlungen
Der Schuldige am Zusammenbruch der UdSSR steht für die russische Führung
fest: Der Westen habe den größten Flächenstaat in die Knie gezwungen.
Russland ist nicht bereit, sich der Eigenverantwortung für den Niedergang
zu stellen. Deshalb bläst es den Popanz der Bedrohung immer weiter auf. Nur
daraus saugt das autoritäre System noch Energien.
Putin ließ auch keine Zweifel aufkommen, dass er mit der Interimsregierung
in Kiew nicht zu verhandeln gedenke. Sie seien „Nationalisten, Russophobe,
Antisemiten, Neonazis und Usurpatoren“, sagte der Präsident. Den
Sammelbegriff der russischen Medien vermied er jedoch, die seit Wochen von
einer „faschistischen Gefahr“ sprechen.
„Wir sind fast ein Volk“ sagte er zum Ausklang an die Adresse des Nachbarn,
„wir können gar nicht ohne einander.“ Die Ukrainer können darin eine
Versöhnungsgeste sehen, aber auch einen Versuch, ihnen erneut das
Anderssein abzusprechen.
Manchmal entstand der Eindruck, als drehe es sich bei der Ukraine, wie sie
Putin darstellte, um ein Protektorat und keinen souveränen Staat. Nach wie
vor ist alles offen.
18 Mar 2014
## AUTOREN
Klaus-Helge Donath
## TAGS
Krim
Wladimir Putin
Duma
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Russland
Ukraine
Ukraine
Krim
Krim
NPD
Krim
Krim
Ukraine
## ARTIKEL ZUM THEMA
Russisches Gas für Europa: Es geht auch ohne Putin
Können sich Deutschland und die EU von russischem Gas emanzipieren? Das
würde sogar binnen eines Jahres klappen, sagt eine Studie.
Die Krimkrise und ihre Folgen: EU und USA erhöhen den Druck
Unter den EU-Mitgliedstaaten herrscht Uneinigkeit, ob jetzt wirtschaftliche
Strafmaßnahmen gegen Russland verhängt werden sollen. Derweil spricht
Obama.
Deutschland für Assoziierungsabkommen: Ukraine und EU kommen sich näher
In der Krim-Krise sendet Deutschland ein Signal an Russland und will das
Assoziierungsabkommen zwischen EU und Ukraine ratifizieren. Ban Ki Moon
reist nach Kiew.
Weitere Verschärfung der Krimkrise: Russland schafft Fakten
Prorussische Milizen haben zwei ukrainische Militär-Stützpunkte auf der
Krim angegriffen und den Marinechef festgesetzt. Deutschland will
OSZE-Beobachter schicken.
Zuspitzung der Krim-Krise: Schüsse und scharfe Worte
Krim-Milizen haben eine ukrainische Marinebasis übernommen. Der Westen
verurteilt Russlands Annexion der Krim. Erste Sanktionen werden verhängt.
Europäische Allianz der Ultrarechten: Nation als Einheit von Blut und Geist
Die NPD-Jugend veranstaltet ein Treffen rechtsextremer Parteien. Zum
Bedauern der Veranstalter kann der ukrainische „Rechte Sektor“ nicht
kommen.
Russischer Journalist über Krimkrise: „Putin hat keine expansive Ideologie“
Der russische Außenpolitik-Experte Fjodor Lukjanow glaubt, dass die EU Kiew
vor eine unmögliche Wahl gestellt hat. Die Folgen sind irreversibel.
Sanktionen in der Krim-Krise: Die Chefs sind noch entspannt
Für die bisherigen Sanktionen gegen Russland zahlt die deutsche Wirtschaft
nichts. Für Russland könnte es langfristig teuer werden.
Kosten des Krim-Konflikts für Russland: Der Rubel schmollt
Schwache Konjunktur, Kapitalflucht und die Angst vor weniger Investitionen:
Russlands ökonomische Lage wird durch den Krim-Konflikt verschärft.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.