# taz.de -- Weitere Verschärfung der Krimkrise: Russland schafft Fakten | |
> Prorussische Milizen haben zwei ukrainische Militär-Stützpunkte auf der | |
> Krim angegriffen und den Marinechef festgesetzt. Deutschland will | |
> OSZE-Beobachter schicken. | |
Bild: Mittwoch auf der Krim, vor einem ukrainischen Militärstützpunkt nahe Se… | |
KIEW afp/dpa | Prorussische Milizen haben nach Angaben der Regierung in | |
Kiew am Mittwoch einen weiteren ukrainischen Militärstützpunkt auf der Krim | |
angegriffen. Wie ein Sprecher des Verteidigungsministeriums in Kiew | |
mitteilte, verschafften sie sich mit einem Traktor Zugang und übernahmen | |
die Kontrolle über den Stützpunkt in Nowoosjornoje im Westen der Halbinsel. | |
Russische Soldaten hätten den Vorstoß schließlich gestoppt. | |
Zuvor hatten Milizen gemeinsam mit russischen Einheiten bereits das | |
Hauptquartier der ukrainischen Marine in Sewastopol gestürmt und es unter | |
Kontrolle genommen. Nach mehr als 30 ukrainischen Soldaten hätten auch die | |
Kommandeure den Stützpunkt in der Hafenstadt Sewastopol verlassen, meldete | |
die Agentur Interfax. Es habe weder Gewalt noch Verletzte gegeben. | |
Das örtliche Internetportal sevastopol.su berichtete, Marinechef Sergej | |
Gajduk habe sich im Jogginganzug gestellt. Ein Vertreter der russischen | |
Streitkräfte sagte vor Ort, Gajduk befinde sich in Gewahrsam. „Er wurde | |
weggebracht“, führte er aus, ohne weitere Angaben zu machen. | |
Am Morgen waren dutzende prorussische Uniformierte auf das Gelände der | |
ukrainischen Marine in Sewastopol vorgedrungen und hatten die russische | |
Flagge gehisst. Medien in Kiew berichteten, unter den Angreifern seien auch | |
Frauen gewesen. Nach ukrainischen Angaben versuchten prorussische Kräfte | |
zudem, mit einem Traktor einen ukrainischen Stützpunkt bei Jewpatorija zu | |
stürmen. | |
Die moskautreue Krim-Führung hatte die ukrainischen Soldaten auf der | |
Halbinsel zum Seitenwechsel aufgefordert. Das ukrainische | |
Verteidigungsministerium wiederum erteilte die Erlaubnis zum Waffeneinsatz | |
zur Selbstverteidigung. | |
## Biden droht mit US-Reaktion | |
Die Ukraine, zu der die Krim völkerrechtlich gehört, sowie der Westen | |
werfen Russland einen eklatanten Bruch internationalen Rechts vor. Die EU | |
und die USA wollen ihre Sanktionen weiter verschärfen, beim EU- Gipfel am | |
Donnerstag und Freitag in Brüssel ist die Ukraine ein Hauptthema. | |
US-Vizepräsident Joe Biden sagte am Mittwoch in Vilnius, die USA würden auf | |
jede Art von Aggression gegen Nato-Verbündete reagieren. | |
EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy und EU-Kommissionspräsident José Manuel | |
Barroso kündigten an, die Staats- und Regierungschefs der EU würden bei dem | |
Treffen „eine geeinte europäische Antwort“ beschließen. In der schwersten | |
Krise seit Ende des Kalten Krieges hatten EU und USA bereits | |
Kontosperrungen und Einreiseverbote für Funktionäre in Russland und auf der | |
Krim beschlossen. Auch Japan und Australien verhängten Sanktionen. | |
Deutschland will sich an einer möglichen Beobachtermission der Organisation | |
für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) in der Ukraine mit bis | |
zu 20 eigenen Beobachtern beteiligen. Dies kündigte Außenminister | |
Frank-Walter Steinmeier (SPD) in Berlin an. Insgesamt soll die Mission | |
mehrere hundert zivile Beobachter umfassen. Derzeit wird die Entsendung | |
allerdings noch von Russland blockiert. Nach einem Telefonat mit Russlands | |
Außenminister Sergej Lawrow sprach Steinmeier allerdings von Fortschritten. | |
Die EU-Kommission wollte am Mittwoch Details ihrer geplanten Finanzhilfe | |
für die Ukraine vorstellen. Brüssel will das Land in den kommenden Jahren | |
mit elf Milliarden Euro unterstützen. Zum Abschluss des EU-Gipfels soll | |
zudem der politische Teil des Partnerschaftsabkommens mit der Ukraine im | |
Beisein des Kiewer Regierungschefs Arseni Jazenjuk unterschrieben werden. | |
## Krimanschluss ist verfassungskonform | |
Das russische Verfassungsgericht billigte den Vertrag über den Anschluss | |
der Krim. Das Dokument sei mit der russischen Verfassung konform, sagte | |
Gerichtspräsident Waleri Sorkin nach der nicht-öffentlichen Sitzung in St. | |
Petersburg Interfax zufolge. „Die Entscheidung ist einstimmig getroffen | |
worden.“ | |
Russlands Präsident Wladimir Putin hatte den Vertrag zur Prüfung beim | |
Gericht eingereicht. Nun müssen noch die Staatsduma und der Föderationsrat | |
das am Vortag von Putin und der prorussischen Krim-Führung in Moskau | |
unterzeichnete Dokument ratifizieren. Medien zufolge will Russland die | |
Eingliederung der Krim noch in dieser Woche juristisch abschließen. | |
Auf der Krim hatten die Bewohner am Sonntag bei einem international nicht | |
anerkannten Referendum mit großer Mehrheit für einen Beitritt zu Russland | |
gestimmt. Am Dienstagabend hatten Hunderttausende in Russland die | |
Eingliederung der Krim gefeiert. | |
## Auch Australien verhängt Sanktionen | |
Auch Australien hat wegen der Annexion der Krim Sanktionen gegen Russland | |
verhängt. Die Regierung veranlasste am Mittwoch Kontensperrung und | |
Einreiseverbot für zwölf Funktionäre. Außenministerin Julie Bishop nannte | |
die Namen der Betroffenen nicht. „Internationales Recht erlaubt nicht den | |
Diebstahl von Territorium eines anderen Staates auf der Basis eines | |
Referendums, das weder als frei noch als fair beurteilt werden kann“, sagte | |
Bishop im Parlament in Canberra. „Ich verurteile die Gewalt gegen die | |
Ukraine und ihre Bürger auf das Schärfste.“ | |
Norwegen, Island, die Schweiz und Liechtenstein legten wegen der Krim-Krise | |
derweil laufende Handelsgespräche mit Moskau auf Eis. Das teilte der | |
norwegische Außenamtssprecher Eskil Sivertsen im Namen der Efta mit. Island | |
bestätigte die Aussetzung der Gespräche. Die vier Mitgliedsstaaten der | |
Europäischen Freihandelsassoziation hatten mit Russland, Weißrussland und | |
Kasachstan über Wirtschaftsabkommen verhandelt. | |
Venezuela hat der russischen Führung dagegen Rückendeckung für ihren | |
Krim-Kurs gegeben. Die Sanktionen von Europäischer Union und USA angesichts | |
der Geschehnisse auf der ukrainischen Halbinsel fielen „aus der Reihe“, | |
sagte Präsident Nicolás Maduro am Dienstag in seiner täglichen | |
Radiosendung. Stattdessen müssten derlei Probleme „auf diplomatischem Weg“ | |
gemäß dem Völkerrecht geklärt werden. | |
„Sie wollen Russland umzingeln, um es zu schwächen, zu zerstören“, sagte | |
Maduro weiter. Er warf dem Westen vor, mit zweierlei Maß zu messen, weil | |
die Loslösung des Kosovo von Serbien vor wenigen Jahren befürwortet worden | |
war, die Aufnahme der Krim in die Russische Föderation aber vehement | |
abgelehnt wird. Venezuela und Russland sind durch millionenschwere | |
Wirtschaftsverträge miteinander verflochten. | |
## Rheinmetall liefert Russland Gefechtsübungszentrum | |
Ungeachtet des aktuellen Konflikts zwischen Russland und der Ukraine will | |
das deutsche Rüstungsunternehmen Rheinmetall ein hochmodernes | |
Gefechtsübungszentrum an Russland liefern. „Rheinmetall kommt seinen | |
vertraglichen Verpflichtungen gegenüber dem russischen Vertragspartner für | |
das Trainingszentrum nach“, sagte ein Unternehmenssprecher der Neuen | |
Osnabrücker Zeitung vom Mittwoch. | |
Derzeit sehe Rheinmetall keine Hindernisse für eine termingerechte | |
Lieferung. In der Anlage können dem Bericht zufolge pro Jahr 30.000 | |
Soldaten ausgebildet werden. Das Zentrum zur Schulung von Panzereinheiten | |
und Infanterie solle noch 2014 bei Mulino im Wolgagebiet in Betrieb gehen. | |
Das Volumen des Auftrages beträgt demnach 100 Millionen Euro. Die Anlage | |
sei mit modernen Simulations- und Auswertungssystemen ausgerüstet und soll | |
nach Unternehmensangaben die weltweit modernste ihrer Art sein. | |
19 Mar 2014 | |
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