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# taz.de -- Russisches Gas für Europa: Es geht auch ohne Putin
> Können sich Deutschland und die EU von russischem Gas emanzipieren? Das
> würde sogar binnen eines Jahres klappen, sagt eine Studie.
Bild: In Europa könnten die Stuben warm bleiben, auch wenn Putin den Hahn zudr…
BERLIN taz | Es kommt nicht häufig vor, dass Präsidenten um die halbe Welt
reisen, um eine Flasche gegen einen Schiffsrumpf zu werfen. Doch für die
litauische Präsidentin Dalia Grybauskait war die Taufe der „Independence“
Mitte Februar ein Grund, nach Südkorea zu fliegen.
Der Name des Schiffes, auf deutsch „Unabhängigkeit“, kommt nicht von
ungefähr: Es soll die Abhängigkeit des baltischen Staates vom russischen
Erdgas brechen. „Niemand wird uns mehr mit Gas erpressen“, wird Grybauskait
in litauischen Zeitungen zitiert – mit niemand ist Wladimir Putin gemeint.
Die baltischen Staaten und Finnland sind zu 100 Prozent von Lieferungen aus
Russland abhängig, Deutschland zu 37 Prozent, die EU insgesamt zu einem
Viertel.
Das lässt sich nicht nur langfristig, sondern sogar kurzfristig binnen
eines Jahres ändern – glaubt zumindest Georg Zachmann, Energieexperte der
Brüsseler Denkfabrik Bruegel. 130 Milliarden Kubikmeter derzeit russisches
Gas müssten jährlich aus anderen Quellen bezogen werden. Das sei zwar eine
große Herausforderung, aber nicht unmöglich, [1][schreibt Zachmann].
Erster Schritt wäre es, die Sommermonate zu nutzen, um die Gasspeicher zu
füllen: In der warmen Jahreszeit sind die Pipelines von Nordafrika nach
Italien und die aus Norwegen nicht komplett ausgelastet. So könnten 35
Milliarden Kubikmeter an Vorräten für den Winter angelegt werden. Die
nötigen Speicher dazu stehen allerdings teilweise ausgerechnet in der
Ukraine.
## Tiefkühlgas aus Fernost
Einen noch größeren Beitrag könnten sogenannte LNG-Tanker wie die
„Independence“ beitragen. Mit deren Hilfe wird Gas bei Minus 160 Grad in
Tankern aus Afrika, Südamerika oder dem Nahen Osten importiert. Das Problem
wäre weniger die Kapazität. Europa kann bereits heute 180 Milliarden
Kubikmeter Gas im Jahr anlanden. Das Gas ist jedoch teurer als das aus
Russland.
Technisch wären jederzeit 60 Milliarden Kubikmeter mehr LNG-Importe im Jahr
in die EU. Allerdings: Die meisten entsprechend ausgestatteten Häfen liegen
in Spanien und Frankreich, das Gas müsste von dort in den Osten gelangen.
Zudem liegt das immerhin zehntgrößte Erdgasfeld der Welt in der
niederländischen Provinz Groningen – und ist derzeit nicht komplett
ausgelastet. Zwar, schreibt Zachmann, ließe sich kurzfristig in der
Stromerzeugung und beim Heizen Gas durch Öl ersetzen - allerdings
importiert auch das die EU zum Teil aus Russland.
Das größte Problem bei einem schnellen Ersatz für russisches Gas ist, dass
die politischen Rahmenbedingungen nicht vorhanden sind. Momentan kann die
Bundesregierung die heimischen Betreiber von Gasspeichern noch nicht einmal
anweisen, Vorräte anzulegen. Das geschieht, weil es sich für die Betreiber
lohnt, im Sommer billiges Gas zu speichern und in der Heizperiode teurer zu
verkaufen.
## Gas von Westen nach Osten
Auch technisch könnte es Probleme geben. Tatsächlich hat Russland in den
vergangenen Jahren Weißrussland und der Ukraine wegen Streitigkeiten über
den Preis immer wieder den Gashahn zugedreht – Europa hat seitdem seine
Pipelines so umgerüstet, dass Gas auch vom Westen in den Osten fließen
kann. Allerdings reicht das kaum aus.
„Zentral- und Osteuropa wäre deshalb am heftigsten betroffen, sollte
Russland den Gastransport über die Ukraine sperren. Die Kapazität der
Pipelines, Gas nach Osten zu leiten, würde nicht ausreichen“, schreibt
Christine Forster, Analystin bei dem Energieinformationsdienst Platts. Auch
die USA könnten kaum einspringen: Zwar gibt es in dem Land einen
Erdgasboom, allerdings müssen erst noch die Häfen für einen Export
umgerüstet werden. Frühestens 2015 soll es so weit sein.
Eins würde kurzfristig sicherlich nichts bringen: Fracking. In den USA
boomt die umstrittene Fördermethode, die immer wieder das Grundwasser
verschmutzt. EU-Energiekommissar Günther Oettinger empfahl den Deutschen in
der Rheinischen Post zwar, die Technik anzuwenden, um sich unabhängiger zu
machen – allerdings zunächst in einem einzelnen Demonstrationsprojekt.
25 Mar 2014
## LINKS
[1] http://www.bruegel.org/nc/blog/detail/article/1283-can-europe-survive-witho…
## AUTOREN
Ingo Arzt
## TAGS
Russland
Erdgas
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Fracking
Gas
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