# taz.de -- Kolumne Luft und Liebe: Rumms, krach, ein Tabu zerkloppen | |
> Wo Aufmerksamkeit knapp ist und Angst überall, kann man sich ruhig mal | |
> zum Arsch machen. Gerne auch mit Tradition und Eiern. | |
Bild: Kein Tabu, aber sichtlich zerkloppt | |
Ach, man hat es nicht leicht heutzutage. Kämpfen muss man wie ein Tier. All | |
seinen Mut muss man aufbringen, sich sammeln und dann: die unterdrückte | |
Meinung raushauen – rumms, zack, krach – ein Tabu zerkloppen, sich mit | |
voller Wucht draufschmeißen, wahlweise Köpper oder Arschbombe, das nimmt | |
sich bei manchen auch gar nicht so viel. | |
Tabus lauern nämlich überall, und Aufmerksamkeit ist ein knappes Gut, im | |
Gegensatz zur Angst. Die Angst ist da. Angst vor Fremdem, Neuem, | |
Glibbrigem. Das Schöne ist, dass man damit nicht allein sein muss. Es gibt | |
viele Therapieformen. Reden, handeln, sich zusammentun. | |
Sibylle L. ist so eine, die ihre Angst überwunden hat. [1][Einfach mal | |
drüber gesprochen], wie tief das alles bei ihr sitzt. Der Vater, die | |
Mutter, aua! Sperma in Plastikbechern. Wie eklig ist das denn. „Eher | |
düstere Gedanken“, das gab sie zu. Der Herrgott wird’s richten. Hände auf | |
die Bettdecke, Blick zum Kreuz. | |
Nicht so bei Matthias M., der redet nicht nur, der handelt auch. Der hat, | |
und auch er soll deswegen nicht mit vollem Namen genannt werden, „alle | |
alternativen Lebensformen und alle möglichen Formen der Sexualität | |
erprobt“. Er hat das in einem Brief an Stefan N. geschrieben, [2][einem | |
öffentlichen Brief], selbstverständlich. Und es spielt dann auch keine | |
Rolle, welche Bilder diese „alle möglichen Formen“ hervorrufen, denn wo es | |
um Meinungsfreiheit und das alles geht, da kommt es auf ein paar | |
durchgevögelte Robbenbabys, Käsestullen und Legosteine auch nicht an. | |
Worauf es ankommt, ist Sichtbarkeit. Damit man sich nicht so ausgegrenzt | |
fühlt, mit all diesen Tabus von Leuten, die einem was vorschreiben wollen. | |
Die mutigen Menschen von der „Jungen Alternative für Deutschland“ haben | |
Schilder gemalt, für [3][„Gleichberechtigung statt Gleichmacherei“]. | |
Gleichberechtigung hat für sie viel mit Hausfrauen, Müttern und | |
aufgehaltenen Türen zu tun, das wird man doch wohl noch auf einen Zettel | |
schreiben dürfen. [4][„Ich bin kein Feminist, weil eine Mutter genauso | |
wertvoll ist wie eine Vorstandschefin!“] – Ja, ja. Nämlich mindestens | |
hundert Millionen Reichsmark. | |
Was auch hilft, ist, Debatten einfach für beendet zu erklären. Die junge | |
AfD weiß das. [5][„Ich bin keine Feministin, weil die Gleichberechtigung | |
der Frau abgeschlossen ist – jetzt liegt es an den Frauen selbst, ihre | |
Chance in die Hand zu nehmen!“] Ist so ’n Trick. Kommt nicht jeder drauf, | |
muss man können. | |
Am schönsten jedoch ist die Aussage: [6][„Ich bin keine Feministin, weil | |
ich auch ohne Gender Eier in der Hose habe!“] Da ist im Grunde alles drin. | |
So ein Gender sollte man sich genauso wenig einfangen wie einen Habitus, | |
das ist ganz schwierig wieder loszuwerden. | |
Man sollte über all diese mutigen Menschen nicht lachen. Sie thematisieren | |
ihre Ängste, das ist wichtig. Meinungsfreiheit muss sein. Natürlich ist es | |
auch nur eine Einzelmeinung, dass sie sich dabei mit Inbrunst zum Arsch | |
machen. | |
Denn das alles ist nicht einfach nur Rechtspopulismus. Das steht in einer | |
Tradition, die mindestens so alt ist wie die deutsche Autobahn. Flach und | |
dunkel halt. Aber Tradition. | |
20 Mar 2014 | |
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[2] http://www.theeuropean.de/matthias-matussek/8049-matthias-matussek-antworte… | |
[3] http://www.facebook.com/media/set/?set=a.220581474799061.1073741835.1093307… | |
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[6] http://www.facebook.com/jafuer.de/photos/a.220581474799061.1073741835.10933… | |
## AUTOREN | |
Margarete Stokowski | |
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