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# taz.de -- Kolumne Luft und Liebe: Ein Stelldichein auf Draht
> Die taz hat die Postkarte mit Hans Magnus Enzensbergers 11.
> Internet-Regel abgefangen. Es geht um Online-Dating und den Gipfel der
> modernen Hurerei.
Bild: Hans Magnus Enzensberger und sein Zeigefinger.
Ach, ich weiß, ich hätte es nicht tun sollen. Man liest keine fremden
Postkarten. Ich hätte einfach zum Briefkasten gehen sollen, meine
Gewinnspielkarte einwerfen für dieses Gewinnspiel, wo man ein iPad mini
gewinnen kann, und wieder gehen.
Aber dann war da dieser ältere Herr, bei dem ich mir dachte: „Den kennste
doch ausm Internet“, wie er mit einem kaum sichtbaren Lächeln seine eng
bekritzelte Postkarte einwarf und beschwingt wieder davonschritt, und da
griff ich in den gelben Schlitz hinein und fischte die Karte wieder heraus,
und ach, nein, ich hätte es nicht tun sollen, aber als ich den Absender
„Hans Magnus Enzensberger“ las, da war es um mich geschehen.
Das Original habe ich inzwischen auf Ebay verkauft, vorher aber natürlich
abgetippt. Hier nun, was drinstand:
„Lieber Herr Schirrmacher,
sehr geehrte Redakteurinnen und Redakteure der Frankfurter Allgemeinen
Zeitung,
was für ein Narr man doch manchmal sein kann! Habe ich doch gestern mein
Manuskript mit den [1][zehn Regeln für die digitale Welt] erst zur Post
gebracht, da durchfuhr mich heute Morgen ein Gedanke wie ein Blitzschlag.
Ich hatte eine elfte Regel ganz vergessen. Ja, ich habe mich wohl so sehr
von dem Gedanken hinreißen lassen, genau zehn Gebote zu verfassen, dass mir
das elfte einfach entfiel. Der Leichtsinn muss mit mir durchgegangen sein,
das Ganze so unfertig abzusenden.
In der Hoffnung, dass Sie meine Thesen noch nicht in Druck gegeben haben,
sende ich Ihnen nunmehr diese Postkarte mit einer Ergänzung.
'11.
Online-Dating, zu Deutsch ein Auf-Draht-Stelldichein, ist einfach und
verlockend. Obacht! Wer zu einem kostenlosen Dienst geht, wie etwa zu
OkCupid, und seine Daten wie Bruder Leichtfuß in die Welt streut, dem ist
kaum noch zu helfen. Über die Flut an anstößiger Reklame möge er sich nicht
wundern.
Bezahlte Vermittlungsdienste dagegen sind der Gipfel der modernen Hurerei.
Wer nur noch einen einzigen klaren Gedanken zu fassen vermag, der möge sich
vor Augen halten, was es heißt, wenn nicht nur einer der Beteiligten für
den in Anspruch genommenen Dienst bezahlt, sondern beide bezahlen. Zwei
Freier, die dafür bezahlen, einander kennenzulernen, die aber zugleich auch
die Huren sind, die gekauft werden. Und die Zuhälter, Anbieter wie Parship
und Elitepartner, verdienen sich eine lange, goldene Nase.
Es hat auch Liebe vor diesen elektronischen Verkupplungsapparaten gegeben.
Ich selbst habe drei Mal geheiratet, und jede dieser Ehen kam ohne ein
Stelldichein auf Draht zustande. In Beziehungen, die aus diesen gierigen
Systemen entstehen, unterschreiben Menschen ihre Strompost mit „xoxo“ statt
„in ewiger Umarmung“. Daran kann man schon sehen, wie weit es gekommen ist.
Hüte sich, wer kann.'
So weit meine elfte Regel. Ich muss zum Schluss kommen. Eben rief eine
nette junge Frau von Suhrkamp an. Sie werden lachen. Man überlege, mein
Buch [2][„Meine Lieblings-Flops“] in einer erweiterten, aktualisierten
Auflage neu zu veröffentlichen. Ob ich Ideen hätte, was ich an Neuem
beisteuern könnte. Und ob!
Hochachtungsvoll,
Ihr Hans Magnus Enzensberger“
6 Mar 2014
## LINKS
[1] http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/enzensbergers-regeln-fuer-die-digital…
[2] http://www.suhrkamp.de/buecher/meine_lieblings-flops_gefolgt_von_einem_idee…
## AUTOREN
Margarete Stokowski
## TAGS
Luft und Liebe
Internet
Digitalisierung
Online-Dating
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Polyamorie
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