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# taz.de -- Kolumne Luft und Liebe: Ich will ein alter, dicker Mann sein
> Ein Brief an den Weihnachtsmann, der sich dieses Jahr mal Mühe geben
> soll. Bitte. Ich bringe auch Unterhosen, Schnaps und eine Motorsäge mit.
Bild: Ein immer schon Mann gewesener Mann
Lieber Weihnachtsmann,
dieses Jahr wird es kompliziert. Ich möchte bitte ein alter, dicker Mann
sein. Nicht für immer. Nur eine Woche. Oder einen Monat, dann kann ich
einmal meine Tage ausfallen lassen. Ja, das wäre gut. Bitte, mach das.
Kein sehr alter Mann, nur so mittelalt, so „in den besten Jahren“. Und kein
sehr dicker, nur ein bisschen dick, und in meinem Online-Dating-Profil wird
trotzdem stehen, ich bin durchtrainiert. So einer bitte.
Ich weiß, Weihnachtsmann, manchmal schimpfe ich über Männer, aber über dich
hab ich nie geschimpft.
Ich könnte ein paar Basics mitbringen. Unterhosen, Schnaps und eine
Motorsäge.
Ich hab das meinem Freund M. erzählt, der hat gesagt: „Du willst ein alter,
dicker Mann sein? Alt wirst du von allein, dick auch, wenn du willst. Und
Mann werden kannst du ja wohl auch.“ „Nein“, hab ich gesagt, „ich will …
Transmann sein, ich will ein Cismann sein, ein Biomann, ein schon immer
Mann gewesener und auch bleiben wollender Mann.“
Das reicht natürlich noch nicht. Ich möchte ein weißer, heterosexueller,
mittelgroßer, mittelhaariger Mann sein, mittelsympathisch, mit mittelmäßig
bezahltem Job und okayer Wohnung, ohne Behinderung, ohne Sprechfehler, ohne
Krankheit. Höchstens ein bisschen Bluthochdruck oder einen Tick
Haarausfall.
So einer möchte ich bitte sein. Um dann so yogamäßig reinzufühlen, wie es
ist, so zu sein.
Einer, der nachts allein ganz entspannt durch den Park laufen kann. Einer,
für den das Schlimmste, was ihm dabei passieren kann, ist, dass ihm ein
Eichhörnchen auf die Hutkrempe kackt. Einer, der am Strand zu einer Gruppe
von fünf Frauen geht, die sich gerade unterhalten, und fragt: „Na, so ganz
allein hier?“ Und der sich dabei nicht blöd vorkommt, im Gegenteil.
Ich wäre ein humorvoller Typ, ich würde viel lachen, am meisten über meine
eigenen Witze. Ich würde Fußball gucken und immer „Jawoll!“ rufen.
Vielleicht würde ich auch Journalist sein und ab und zu mal so ein Ding
raushauen, wo ich schreibe: Gleichberechtigung schön und gut, aber
Feminismus oder Genderquatsch oder wie man das nennen soll, dieses
Genderist_innen*-Zeug, haha, so was Lächerliches, haha.
Vielleicht würde ich sogar ausprobieren, einer von denen zu sein, die
finden, junge, hübsche Frauen sollen sich nicht so zieren, wenn man ihnen,
na ja, meine Güte, Komplimente macht. Oder dass Homosexuelle okay sind,
solange man die nicht ständig in der U-Bahn sehen muss.
Nur kurz, Weihnachtsmann. Gucken, wie es sich anfühlt. Einfach um zu
wissen, wie man dann so drauf ist. Ob es einen an irgendeiner
gottverdammten Stelle in seiner Seele ein bisschen juckt. Ob man dann
denkt, es ist irgend so eine Scheißneurodermitis oder eine Ameise. Oder ob
es gar nicht juckt und man noch beim Einschlafen immer nur so „Jawoll!“
denkt.
Ich weiß, Weihnachtsmann, es gibt Frauen, die sind schon ein bisschen wie
dicke, alte Männer. Von einer dieser Frauen hab ich sogar eine Zeitschrift
im Abo. So wie die möchte ich bitte nicht sein.
Hau rein, bitte,
es wär so schön,
Deine Margarete
12 Dec 2013
## AUTOREN
Margarete Stokowski
## TAGS
Mann
Luft und Liebe
Weihnachten
Kolumne Alles getürkt
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