# taz.de -- Kolumne Luft und Liebe: Rumsitzen und 'ne Fresse ziehen | |
> Wenn Menschen unfähig sind, sich zu binden, ist immer das Internet | |
> schuld. Oder die Mutter. Nur die Dinosaurier sind fein raus. | |
Bild: Drum prüfe, wer sich ewig bindet. | |
November, der Ekelmonat. Fünf Grad und Nieselregen. Menschen geben ihr | |
letztes Geld aus für Tageslichtlampen und billigen Spekulatius. Und die | |
zynischen Schweine vom Stern titeln mit Bindungsangst. Im November. Wie | |
herzlos kann man sein? | |
Plätzchenrezepte und Masturbationstechniken wären okay. Stattdessen | |
schreibt der Stern über Menschen, die einsam bleiben, weil sie in | |
Beziehungen nicht klarkommen. Auf dem Titelblatt steht „Lieben lernen“, das | |
klingt romantisch und erichfrommesk, aber bebildert ist die Geschichte mit | |
Leuten, die alleine rumsitzen und dabei ’ne Fresse ziehen. | |
Man weiß natürlich, wer schuld ist an der Beziehungsunfähigkeit dieser | |
Leute. Man weiß das sogar, wenn man will, schon bevor man den Stern am | |
Kiosk gekauft hat. Weil man sich [1][online] informiert hat. „Früher gab es | |
Menschen“, steht auf stern.de, „die lernten sich mit 15 kennen, heirateten | |
mit 25 und hatten mit 30 mindestens zwei Kinder. Das war Alltag, das war | |
normal. Manchmal waren die Paare etwas jünger, manchmal folgte auch auf die | |
erste Liebe noch einer zweite oder dritte, doch spätestens dann stand der | |
Fahrplan fest. Doch das war früher, denn heute gibt es das Internet.“ | |
Wie bitter, das im Internet zu lesen, ausgerechnet. Früher war es so viel | |
einfacher. Und heute? Der Buchhandel, die Musikindustrie, die Zeitungen, | |
alle wurden sie vom Internet gefickt. Nun also auch die Liebe. | |
Die Leute können nicht mehr lieben, sie laden sich [2][Dinosaurierpornos] | |
auf ihre E-Book-Reader, weil sie Menschen (und gedruckte Bücher) doof | |
finden und sich tiefere Gefühle nur noch [3][mit einem Pterodactylus] | |
vorstellen können. Ist doch Scheiße. | |
## „Mein Freund, die Angst“ | |
Andererseits fühlen sich manche, auch wenn sie allein sind, gar nicht so | |
einsam. Freunde kann man sich nämlich auch ausdenken. Neulich erst gab es | |
auf Spiegel Online [4][einen Artikel über einen Bergsteiger], der ein Buch | |
geschrieben hat mit dem Titel „Die Angst, dein bester Freund“. Die | |
Überschrift zu dem Spiegel Online-Artikel war dementsprechend „Mein Freund, | |
die Angst“. Ich fragte meinen sprachbegabten Freund M.: „Fällt dir an dem | |
Titel was auf?“ Ihm fiel nichts auf. Mir schon: „Die Angst“ ist weiblich. | |
„Der Freund“ ist männlich. | |
„Die Angst ist ein steter Begleiter, der das Überleben sichert“, schreibt | |
der Bergsteiger. Und: „Die Angst hat ein Lob verdient.“ Wenn man die Angst | |
schon personalisiert – was voll okay ist, und vermutlich braucht man das, | |
wenn man ganz alleine an einer verdammten Felswand hängt –, warum muss die | |
Angst als „dein Freund“ ein Mann sein? „Die Angst. Deine beste Freundin�… | |
wie wäre das? Blöd, weil sie beim Wandern ihre Tage kriegen könnte? | |
Übrigens wollten die Leute von Spiegel Online dem Stern das | |
Bindungsangstthema nicht einfach überlassen und schrieben auch [5][einen | |
Text darüber]. Rein wirtschaftlich haben sie das etwas schlauer gemacht, | |
weil sie nicht dem Internet die Schuld geben, sondern den Müttern (Mutti | |
war nie da oder zu viel da, deswegen kommt ihr armer Junge später nicht mit | |
Frauen klar). | |
Das Gute daran ist, dass man sich weder an den Stern noch an Spiegel Online | |
binden muss. Dann lieber Spekulatius. | |
14 Nov 2013 | |
## LINKS | |
[1] http://www.stern.de/panorama/bindungsangst-liebe-in-zeiten-unendlicher-frei… | |
[2] http://www.spiegel.de/netzwelt/web/dinosaurier-pornos-auf-der-kindle-plattf… | |
[3] http://www.amazon.de/Taken-Pterodactyl-Dinosaur-Erotica-Christie-ebook/dp/B… | |
[4] http://www.spiegel.de/reise/aktuell/alexander-huber-der-extremkletterer-und… | |
[5] http://www.spiegel.de/gesundheit/psychologie/bindungsangst-so-gehen-sie-mit… | |
## AUTOREN | |
Margarete Stokowski | |
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