| # taz.de -- Kolumne Luft und Liebe: Das Leben ist kein Flatratepuff | |
| > Selbstliebe ist schwer zu lernen. Für Deutsche angeblich ganz besonders. | |
| > Und mit Teebeutelsprüchen wird es nicht einfacher. | |
| Bild: Nur wer sich selbst von ganzem Herzen liebt, vermag sich gut zu ficken. | |
| B. leckte meine Füße, während ich die Süddeutsche las. „Ist es wahre | |
| Liebe?“ hieß ein Artikel, in dem stand, dass die Deutschen sich nicht | |
| selber lieben. Alle finden die Deutschen cool, aber die Deutschen finden | |
| sich selber nicht cool und denken, dass sie keiner mag. | |
| Das ist blöd, natürlich – wenn es denn stimmt. Ich bin mir nicht sicher. | |
| Die ganzen selbstverliebten Säcke da draußen sollen in echt Kanadier sein | |
| oder was? Ich stupste B. mit dem Fuß an. „Du liebst dich ziemlich heftig, | |
| ne?“ B. ist Deutscher, oder jedenfalls deutscher als ich. So, wie er die | |
| meiste Zeit des Tages auf der Terrasse liegt und sich die Klöten leckt, | |
| denke ich, dass zumindest bei ihm alles okay ist. | |
| Selbstliebe ist ein hartes Pflaster. Unwahrscheinlich, dass Leute damit | |
| anfangen, weil sie die Süddeutsche lesen. Noch unwahrscheinlicher, dass sie | |
| damit anfangen, weil sie Yogitee trinken. Die Sprüche auf den | |
| Yogitee-Etiketten sind eigentlich nichts, was man sonderlich ernst nehmen | |
| muss. Meistens sagen sie banale oder bekloppte Dinge. | |
| „Wirklich beständig ist nur der Wandel.“ – „Handle so, wie du behandelt | |
| werden möchtest.“ – „Lasst uns lernen, uns mehr zu freuen.“ Ja. | |
| Laberrhabarber. Dankefürdiesengutenmorgen. Wer seine ganze Kindheit | |
| „Kleines Senfkorn Hoffnung“ singen musste, durchschaut den Yogischeiß sehr | |
| schnell. Meistens. | |
| Neulich morgens sagte mein erster Tee des Tages: „Deine Selbstdisziplin ist | |
| dein einziger Freund.“ Das ist hart. Wer schreibt so was? Einem Menschen, | |
| der gerade aufgestanden ist, darf man nicht sagen: „Du hast auf der Welt | |
| nur einen Freund und den gibt es nicht mal.“ Wie wäre es mit „Es haben | |
| schon ganz andere aufgegeben“ oder „Das Leben ist kein Flatratepuff“? | |
| Ich packte noch einen Teebeutel aus. „Glück ist dein Geburtsrecht.“ Ja, | |
| verdammt! Wenn nicht sogar mein Supergeburtsrecht. Noch einen. „Wir wurden | |
| geboren, um uns kennenzulernen.“ Wer jetzt, der Tee und ich? Okay. Weiter | |
| also. „Ausdauer ist der Talisman des Lebens.“ Stirb, Alter. „Nur du selbst | |
| kannst dich in ein Gefängnis sperren.“ Oder der Staat. Kommt drauf an. Lest | |
| mal Zeitung, Yogihampel. | |
| „Lass nur gute Gedanken in dir sein.“ Absurd. „Wer sich abhetzt, kommt | |
| nicht ans Ziel.“ Tausendfach widerlegt. „Wer das Leben genießen kann, | |
| braucht keine Reichtümer.“ Definiere Reichtum! „Wenn du deiner Liebe | |
| traust, wirst du liebenswert.“ Für den einen Freund, den es nicht gibt? | |
| „Kein Mensch ist schwach, aber einige sind entspannt.“ Kein Spruch ist gut, | |
| aber einige sind unlogisch. Im Grunde sagen sie alle nur: „Du gestresstes, | |
| misstrauisches Arschloch, na, kannste dich nicht lieben, tjaha, machste zu | |
| wenig Yoga?“ Und ich so, „Fick dich, bitte, fick dich selber“, und der | |
| Yogitee so, „Nur wer sich selbst von ganzem Herzen liebt, vermag sich gut | |
| zu ficken.“ | |
| Hätte er das gesagt, hätte er natürlich recht gehabt. Wer mit sich selbst | |
| ein befriedigendes Sexleben führt, kommt überhaupt nicht auf die Idee, zu | |
| sich oder zum Rest der Welt dauerhaft scheiße zu sein. Wie das mit dem | |
| Deutschland-liebt-sich-nicht-Ding zusammenhängen könnte, ist ein | |
| Forschungsprojekt, das ich gern abgebe. Bitteschön. | |
| 25 Jul 2013 | |
| ## AUTOREN | |
| Margarete Stokowski | |
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