# taz.de -- Kolumne Luft und Liebe: Im Sexchat mit Barack Obama | |
> Die Briefe von Beauvoir und Adorno, Sexchats auf Facebook und das Quaken | |
> der Frösche am See: Am Ende ist alles öffentlich. | |
Bild: „Uh. Das war geil gestern.“ | |
Unter dem hellsten Vollmond des Jahres sitzen wir am Lagerfeuer und stellen | |
uns die Frösche beim Ficken vor. Endloses, stundenlanges Quaken im See | |
nebenan. Ich hatte immer gedacht, Frösche quaken, um auf sich aufmerksam zu | |
machen und sich dann zu paaren, glaube aber inzwischen, dass sie vor dem | |
Sex, beim Sex und danach quaken. „Hörst du den einen, wie er schnurrt?“, | |
sagt S., „der ist bestimmt gerade gekommen.“ | |
Glühwürmchen umschwirren uns. Alle lieben Glühwürmchen. Jemand macht Witze | |
über Drohnen, wir reden über Überwachung. Dass Obama jetzt unsere Sexchats | |
auf Facebook liest, das fühlt sich komisch an. Hat er auch gelesen, wie ich | |
G. neulich das Rezept für Erdbeer-Rhabarber-Marmelade geschickt habe? Hätte | |
er sich sparen können, es war von Chefkoch.de. Weiß er, welche meiner Mails | |
ich mit „Grüße und Küsse“ beende und kurze Zeit später mit „Es war so | |
schön“ beginne? Das Schwein. | |
Es hilft nichts, dass meine Passwörter eine komplizierte Abfolge aus | |
irrationalen Zahlen und althebräischen Sonderzeichen enthalten, dazu ein | |
Haiku auf Schlesisch rückwärts und das Schamhaar eines Yetis. Die Angst | |
bleibt. Obama könnte alles wissen. | |
So peinlich kann es aber auch gar nicht werden. Jedenfalls nicht peinlicher | |
als für andere. Zurzeit schreibe ich meine Masterarbeit über den Begriff | |
der Frau bei Simone de Beauvoir, und abends vor dem Einschlafen lese ich | |
ihre Briefe an Sartre. | |
„Oh, kleiner Schatten, werden Sie wieder Fleisch und Blut – ich brauche | |
Ihre kleinen Arme um mich“, schreibt sie. Und: „Oh, liebes kleines | |
bartloses Gesicht, wie gern möchte ich Sie wiederfinden.“ Ich kann nicht | |
anders, als mir Sartre als Nacktmull vorzustellen. Ein Nacktmull mit | |
Brille, dem sie schreibt: „Sie sind ein wunderbarer kleiner Philosoph, mein | |
guter Kleiner, Sie sollten anfangen, ein System zu entwerfen, da Sie Zeit | |
haben.“ Was stellt sich Obama vor, wenn er meine Sexchats liest? Abends | |
vielleicht, im Bett. | |
Beauvoirs Briefe zu lesen, ist komisch, aber nicht komischer als die von | |
Adorno, der sich selber „Nilpferdkönig Archibald“ nannte, seine Frau | |
„Giraffe Gazelle“, seine Mutter eine „Nilstute“ und seinen Vater einen | |
„Wildschweinkönig“. | |
Ich muss in diesen Tagen oft an die „Wundernilstute Marinumba“ denken, und | |
dass das alles bei Suhrkamp veröffentlicht wurde. Ganz ohne Internet und | |
Geheimdienste. Tausende AkademikerInnen haben das gelesen und sich | |
totgelacht. Von denen soll sich noch einmal jemand über Facebook | |
beschweren. Am Ende wird alles von allen gelesen. | |
„Im Grunde hören wir ja gerade auch nur die Sexchats der Frösche“, sagt M. | |
irgendwann. Inzwischen wird es wieder hell, das Quaken klingt langsam ab, | |
die Glühwürmchen schlafen schon. „Morgen Nachmittag werden die Frösche mü… | |
und durchgevögelt auf den Seerosenblättern sitzen“, sage ich, „sie werden | |
sich zuzwinkern und denken, alles bleibt unter ihnen.“ | |
Dann pinkelt S. die Glut vom Lagerfeuer aus und wir gehen schlafen. Ein | |
paar letzte, laute Quakschreie im Morgengrauen. Noch ein Blick zum See. | |
„Restequaken“, sagt M. | |
26 Jun 2013 | |
## AUTOREN | |
Margarete Stokowski | |
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