# taz.de -- Kolumne Luft und Liebe: Ein einsamer Wichser? | |
> Auf der Suche nach Hans oder Klaus, der Frauen mit rotem Nagellack doof | |
> fand und stumm in einem möblierten Zimmer saß. | |
Bild: Hans? Klaus? Bist du es? | |
Lieber Hans, | |
vielleicht heißt du gar nicht Hans. Vielleicht heißt du Klaus. Ich kann | |
deine Handschrift nicht so gut lesen. Dein Nachname: Fellmer, Rellner oder | |
Kellner. Ich habe in einem Antiquariat ein Buch gekauft, das dir mal gehört | |
hat. Dein Name steht vorne drin. | |
„Doktor Erich Kästners Lyrische Hausapotheke“, kannst du dich erinnern? | |
Eine Ausgabe von 1949, die musst du wohl mal verkauft haben. Oder na ja, | |
vielleicht bist du gestorben und jemand hat deinen Haushalt aufgelöst. | |
Jedenfalls, Hans, hab ich viel über dich nachgedacht. | |
Die „Lyrische Hausapotheke“, das ist diese Gedichtesammlung von Erich | |
Kästner, in der die Gedichte die Medizin sind, „ein Nachschlagewerk, das | |
der Behandlung des durchschnittlichen Innenlebens gewidmet ist“, wie | |
Kästner schrieb. Vorne im Buch gibt es eine Gebrauchsanweisung, die sagt, | |
für welches Leiden welches Gedicht gelesen werden sollte. Von A wie „wenn | |
das Alter traurig stimmt“ bis Z wie „wenn man sich über Zeitgenossen | |
geärgert hat“. | |
Geärgert hast du dich, Hans. Du hast zwei kleine Papierschnipsel in das | |
Buch gelegt, als Lesezeichen. Altes, dünnes Papier, mit | |
Schreibmaschinenbuchstaben. Das eine steckt im Gedicht [1][„Sogenannte | |
Klassefrauen“] und das andere in „Möblierte Melancholie“. | |
## Die Klassefrauen, diese Kröten | |
Das erste Gedicht handelt davon, dass manche Frauen komische Dinge tun: | |
„Sind sie nicht pfuiteuflisch anzuschauen? / Plötzlich färben sich die | |
Klassefrauen, / weil es Mode ist, die Nägel rot! / Wenn es Mode wird, sie | |
abzukauen, / oder mit dem Hammer blau zu hauen, / tun sie’s auch und freuen | |
sich halbtot.“ Und so weiter. | |
Ein Schimpfgedicht ist das. Es endet mit den Zeilen: „Wenn’s doch Mode | |
würde, diesen Kröten / jede Öffnung einzeln zuzulöten! / Denn dann wären | |
wir sie endlich los.“ Das hat dir gefallen, Hans, nicht wahr? Vermutlich | |
hast du es dir laut vorgelesen und dabei gekichert „In your face, | |
Klassefrauen!“, bis du Schluckauf hattest. | |
Und dann ist da noch das zweite Gedicht, „Möblierte Melancholie“, da geht | |
es um Männer, die alleine wohnen. In möblierten Zimmern. „Mancher Mann | |
darf, wie er möchte, schlafen. / Und er möchte selbstverständlich gern! / | |
Andre Menschen will der Himmel strafen, / Und er macht sie zu möblierten | |
Herrn.“ | |
Warst du wohl so einer, Hans? Ein trauriger, möblierter Herr? Ein einsamer | |
Wichser, gewissermaßen? (Oder warst du Feminist, und hast dir die | |
Gendergedichte rausgesucht?) Hast du dich wiedergefunden in dem Gedicht? | |
„Die möblierten Herrn aus allen Ländern / stehen fremd und stumm in ihrem | |
Zimmer. / Nur die Ehe kann den Zustand ändern. (Doch die Ehe ist ja noch | |
viel schlimmer.)“ | |
Das Gedicht sollte man laut Gebrauchsanweisung lesen, „wenn man die | |
Einsamkeit schwer erträgt“. Oh, Hans! Hat dich jemand in den Arm genommen, | |
hat das Lesen dich ein bisschen getröstet? | |
Wenn du heute eine Zeitung liest, Hans, rate ich dir nur das: [2][Die] | |
[3][Bebilderung] [4][zum] [5][Thema] [6][Frauenquote], die guck dir nicht | |
an! Da sieht man immer nur hohe Schuhe, so schwarze oder rote, schicke, und | |
nackte Beine. Und dann denkst du vielleicht, das mit den „sogenannten | |
Klassefrauen“, das ist so ein Ding, das gar nicht aufhört. | |
Viele Grüße, | |
Margarete | |
28 Nov 2013 | |
## LINKS | |
[1] http://www.kultur-netz.de/literat/lyrik/kaestner/klassefr.htm | |
[2] http://www.handelsblatt.com/unternehmen/management/koepfe/frauenquote-in-au… | |
[3] /Genderranking-in-der-Kommunalpolitik/!127637/ | |
[4] http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/frauenquote-die-vorgabe-verfehlt-… | |
[5] http://www.fr-online.de/meinung/managergehaelter-und-frauenquote-zucker-fue… | |
[6] http://www.wiwo.de/politik/deutschland/frauenquote-gleichberechtigung-zum-n… | |
## AUTOREN | |
Margarete Stokowski | |
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