# taz.de -- Königs-Fans in Niedersachsen: Royale Rückbesinnung | |
> Im Mai eröffnet die Landesausstellung zur Personalunion, als Hannovers | |
> Welfen-Herrscher auch England regierten. Die Werbemaschinerie für das | |
> Spektakel läuft auf Hochtouren. | |
Bild: Erinnert irgendwie auch an bessere Zeiten: Das wiederaufgebaute Schloss H… | |
HANNOVER taz | Mit reichlich britischem Nationalkolorit wird Hannover auf | |
die nächste Landesausstellung eingestimmt. Schon seit dem 1. Januar | |
erstrahlt das Landesmuseum Niedersachsen gleich neben dem Maschsee Abend | |
für Abend blau-rot illuminiert. Neuerdings rollen zudem Straßenbahnen in | |
blau-rotem Union-Jack-Anstrich durch die Landeshauptstadt. Der Spruch dazu: | |
„Königlich kutschiert. Damals wie heute“. | |
Im Mai wird die Landesschau eröffnet. Und während 2014 andernorts der 100. | |
Jahrestag des Ausbruch des ersten Weltkriegs aufgearbeitet wird, besinnt | |
man sich in Niedersachsen auf andere Zeiten: 1714 bis 1837, „die Epoche, | |
als die Royals aus Hannover kamen“, wie es in der Pressemappe zur Schau | |
heißt. | |
Damals rückte aus der niedersächsischen Provinz, bedingt durch komplizierte | |
Erbfolgeregelungen, Kurfürst Georg Ludwig von Hannover auf den britischen | |
Thron nach, fortan Georg I. Vier Welfen folgten ihm, bis sich die | |
sogenannte Personalunion 1837 auflöste, abermals wegen komplizierter | |
Erbfolgeregeln. | |
Die Ära deutscher Herrscher ist in England in wenig rühmlicher Erinnerung. | |
„Narren, die allesamt George heißen“, fasste es der Dichter Lord Byron im | |
19. Jahrhundert zusammen. Auch in Niedersachsen galten die Jahre der | |
welfischen Großmacht bislang als nicht sonderlich identitätsstiftend. Die | |
Landesschau soll das mit Ausstellungen im Landesmuseum, dem Historischen | |
Museum, dem Karikaturenmuseum in Hannover, dem Celler Schloss sowie dem | |
eigens wiederaufgebauten Herrenhäuser Schloss nun ändern. | |
Allein das Rahmenprogramm umfasst über 60 Veranstaltungen mit allerlei | |
royalem Spektakel. Hannovers Galopprennbahn lädt zum | |
„hannoversch-britischen Renntag“, eine eigens komponierte Oper hat | |
Premiere, die Krönung von Georg I. wird gleich in mehreren Städten | |
Niedersachsens nachgestellt. Am 1. Mai startet eine königliche Kutsche von | |
Hannover gen England. Zum Eröffnungstag am 17. Mai soll sie am | |
Monarchensitz St. James Palace in London eintreffen – und dort britische | |
Touristen zur Ausstellung nach Niedersachsen locken. | |
## Hoffen auf Prince Charles | |
Weitere Programmpunkte – wie ein Fußball-Länderspiel zwischen Deutschland | |
und England – sind noch in Planung. Auch die Frage, wer aus der britischen | |
Königsfamilie zur Eröffnung nach Hannover kommt, ist noch nicht | |
abschließend geklärt. Die Ausstellungsmacher hoffen mindestens auf Prince | |
Charles, dem schon die Schirmherrschaft für die Schau angetragen wurde, die | |
Queen selbst oder gar Prince William mit seiner Frau Kate. | |
Eine Rückbesinnung mit Pomp, die in Niedersachsen politisch durchaus | |
gewollt ist. 5,5 Millionen Euro Landesgelder fließen in die Schau, die noch | |
Ex-Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) auf den Weg brachte. Eine | |
Million davon wurde in den Wiederaufbau der Welfen-Sommerresidenz Schloss | |
Herrenhausen gesteckt. 600.000 Euro soll allein der Werbeetat der | |
Landesausstellung umfassen, die sich auch Wulff-Nachfolger David McAllister | |
(ebenfalls CDU) zur Mission gemacht hat. | |
Der Deutsch-Schotte sprach in England gleich mehrfach persönlich bei Prince | |
Charles und Premier David Cameron für die Schau vor. Auch im eigenen Land | |
rührte McAllister die Werbetrommel: Schon 2011, bei seiner ersten | |
Sommerreise als Landesvater, war das Welfen-Schloss Marienburg in Pattensen | |
bei Hannover seine erste Station. Ein „ganz persönlicher Wunsch“, wie | |
McAllister Welfen-Erbprinz Ernst August Junior beim Empfang im Schloss | |
gestand. | |
Die Nachfahren der hannoversch-britischen Herrscher wollen von der | |
Landesschau ebenfalls profitieren: In Schloss Marienburg stellen sie 2014 | |
erstmals die hannoversche Königskrone nebst Zepter öffentlich aus. Bis | |
Jahresende hofft man auf über 200.000 Besucher. Und lässt sich nun des | |
Öfteren in Niedersachsen blicken, wo man sich bislang eher rar gemacht hat. | |
Ernst August Senior ist in Monaco verheiratet, der Junior lebt eigentlich | |
in London. Wenn man nach Hannover reiste, verkehrte man bisher meist in | |
geschlossenen Zirkeln wie dem sogenannten Billard-Club. Zu dem | |
Herrenverein, der sich seit dem 17. Jahrhundert trifft und dem stets das | |
Welfen-Oberhaupt vorsitzt, wird nur auf Einladung Zutritt gewährt. | |
## Erbprinz gewährt Einblick | |
Ernst August Junior, der Schloss Marienburg 2004 vom Senior übernommen hat, | |
zeigt sich mittlerweile regelmäßig in Niedersachsen. Beim traditionellen | |
Ausmarsch der Schützen in Hannover marschiert er mit, beim Sommerfest der | |
Landesregierung parliert er mit der Landespolitik. Der Hannoverschen | |
Allgemeinen gewährte der Erbprinz erst dieser Tage in einem | |
Drei-Seiten-Portrait Einblicke in sein Innenleben: „Ich bin wirklich gerne | |
auf Schloss Marienburg.“ Das Blatt rühmt die „Welt des Adels“ prompt als | |
„Hort der Beständigkeit“, gerade in diesen unsicheren Zeiten. | |
Ebenfalls im Mai, zeitgleich zur Landesschau, erscheint „Der Traum vom | |
Weltreich“, quasi das Buch zur Historie hinter der Ausstellung. Die | |
Journalistin und Historikerin Margarete von Schwarzkopf gibt darin einen | |
Überblick über die Geschichte der Personalunion samt Anekdoten um | |
Mätressen, Erbfeindschaften und Familiendramen. „Wer interessiert sich | |
schon für das 18. Jahrhundert, wenn er nicht damit konfrontiert wird, dass | |
Charles, Kate und William indirekt damit zu tun haben“, sagt sie, auch mit | |
Blick auf die blau-rote Werbeoffensive für die Landesschau. | |
Für Schwarzkopf ist die Ära der hannoverschen Herrscher auf britischem | |
Thron vor allem in Sachen Literatur, Kunst und Wissenschaft von „ungeheurer | |
Blüte“: Die Universität Göttingen etwa wurde während der Personalunion | |
gegründet, wo Schriftsteller wie Freiherr Adolph Knigge oder der Dichter | |
Ludwig Hölty studierten, während der Komponist Georg Friedrich Händel | |
Hofkapellmeister in Hannover und London war. | |
Vor allem mit solchen Kulturthemen setzen sich die Ausstellungen der | |
Landesschau auseinander – eher ernsthaft, begleitet von wissenschaftlichen | |
Symposien und Graduiertenkollegs. Zu sehen sind vornehmlich historische | |
Exponate – zeitgenössische Portraits der Welfen-Herrscher, Kutschen, | |
Kronen, Briefe und Urkunden. Ob das die Erwartungen derer erfüllt, die sich | |
von blau-roten Straßenbahnen und der Hoffnung auf königliche Popstars | |
anlocken lassen, ist eher ungewiss. | |
23 Mar 2014 | |
## AUTOREN | |
Teresa Havlicek | |
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