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# taz.de -- Verarmter Hochadel: Teures Geschenk
> Welfen-Prinz Ernst-August will das Schloss Marienburg von seinem Sohn
> zurück. Der wollte es quasi weiterverschenken – um Kosten einzusparen.
Bild: Ein Wintermärchen – doch bei näherer Betrachtung wird's ruinös
Marienberg taz | Die hölzernen Vitrinen im chinesischen Zimmer sind leer.
Noch immer. Im September waren Einbrecher ins Schloss Marienburg bei
Hannover eingestiegen und haben die historische Waffensammlung der Welfen
mitgehen lassen. Säbel, Vorderlader und Pistolen – alles weg.
Dass die Vitrinen, an denen die Besucher auf ihrer Tour durch das Schloss
vorbeikommen, Monate später noch immer nicht mit anderen Welfenschätzen
gefüllt sind, zeigt das ganze Elend dieses Schlosses. Vielleicht sogar des
Hauses Hannover. Denn möglicherweise ist da einfach nicht mehr viel, was
man in Vitrinen stellen könnte.
Das neugotische Schloss thront auf einem Hügel und sieht mit seinen
Türmchen und zinnenbewehrten Mauern aus, als hätte es für ein
Disney-Schloss Modell gestanden. Der letzte König von Hannover, Georg V.,
schenkte es seiner Frau Marie von Sachsen-Altenburg 1857 zum Geburtstag und
ließ es bis 1867 als prunkvolle Sommerresidenz der Familie bauen.
Georg war schon in seiner Kindheit erblindet. Erst nur auf dem einen Auge.
Dann schleuderte er sich die Troddeln seiner Geldbörse ins Gesicht und traf
unglücklich das andere. Das Schloss, das seine Marie nur „mein kleines
Eldorado“ nannte, sah er selbst nie, konnte es aber an einem Korkmodell
ertasten.
## Pechsträhne seit Baubeginn
Die Pechsträhne des Schlosses begann vielleicht schon kurz nach dem
Baubeginn. Der beauftragte Ingenieurmajor veruntreute Geld. Dann kam den
Welfen eine Niederlage im Krieg gegen Preußen dazwischen. Das Schloss wurde
nie ganz fertig. An der Decke des Ritter- und des Speisesaals wurden die
dunklen Holzbalken nicht mit Stuck oder einer mit Schnitzereien verzierten
Holzdecke verkleidet. Der Fußboden hat kein Parkett, sondern Steinfliesen.
Den bloßen Wänden fehlen die kunstvoll bedruckten Tapeten, die in den
anderen Räumen zu finden sind.
Georg floh 1866 ins Exil nach Österreich und ein Jahr später folgte ihm
auch Marie. Sie lebte nur etwas mehr als ein Jahr im Schloss auf dem nach
ihr benannten Marienberg und kehrte niemals mehr zurück. Nach dem Zweiten
Weltkrieg lebten zwischen 1945 und 1957 die Familie von Ernst August III.
und Flüchtlinge in dem Schloss. Länger waren die insgesamt 130 Räume nicht
bewohnt.
Die heutigen Welfen haben das Inventar der Marienburg zu Geld gemacht.
Ernst August Albert Paul Otto Rupprecht Oskar Berthold Friedrich-Ferdinand
Christian-Ludwig Prinz von Hannover Herzog zu Braunschweig und Lüneburg
Königlicher Prinz von Großbritannien und Irland, besser bekannt unter den
Namen „Prügelaugust“ und „Pinkelprinz“, übertrug die Marienburg 2004 …
seinen Sohn, Prinz Ernst August jr.
Der wiederum weiß sich besser zu benehmen als sein Vater, pinkelt nicht in
der Öffentlichkeit und prügelt auch nicht auf Fotografen ein. Er ist
überregional vor allem durch die hannoversche Version einer royalen
Hochzeit bekannt. Er heiratete im Juli 2017 die Modedesignerin Ekaterina
Malysheva in der hannoverschen Marktkirche, vor der rund 100 Schützenbrüder
der Schützenbruderschaft „Das Große Freie“ in ihren Uniformen Spalier
standen – Niedersachsen-Style.
Die Gala frohlockte: „Die ganze Welt blickt nach Hannover“ und das Paar
ließ sich in einer geschlossenen Kutsche durch die Stadt fahren, in der
einst auch seine Urururgroßeltern Georg V. und Marie an ihrem Hochzeitstag
saßen.
Ebenjener Junior engagierte im Jahr 2005 das Auktionshaus Sotheby’s, um
zehn Tage lang über 20.000 Kunstgegenstände in der Marienburg zu
versteigern. Darunter waren Rüstungen, ein Silberservice für 200 Gäste und
auch das chinesische Porzellan, das ursprünglich im heute so leeren
chinesischen Zimmer stand. Die Welfen haben damit 44 Millionen Euro
eingenommen. Spiegel Online nannte es einen „fürstlichen Ramschtag“.
Das Land Niedersachsen geht heute davon aus, dass mehrere Millionen davon
in das Schloss investiert wurden. Den Verfall hat die Finanzspritze jedoch
nicht gestoppt. Ein Teil des Abhanges, auf dem das Schloss steht und mit
ihm die Umfassungsmauern, droht abzurutschen. Das Gebäude muss vom Keller
bis zum Dach grundinstandgesetzt, die komplette Technik erneuert, Fenster
und Fassaden saniert und auch die Innenräume restauriert werden.
Dort bröselt die Farbe von den Wänden. Die neugotische Bibliothek erinnert
in ihrer Form an einen Regenschirm. Die gewölbten Deckenbögen gehen in eine
mit Blüten und Blattgold verzierte Mittelsäule über. Hinter den
Glasscheiben der dunklen Holzschränke stehen ledergebundene Bücher. Der
prachtvolle Eindruck hält jedoch nur kurz. Die Farben an der Decke sind
fleckig, an vielen Stellen sind die Malereien abgeplatzt. Und auch in den
anderen Wohn- und Gesellschaftsräumen der Welfen können die Besucher
Beschädigungen entdecken.
Ein Ingenieurbüro hat die Sanierungskosten in einem Gutachten auf 27
Millionen Euro geschätzt – zu viel für den Schlossbesitzer Ernst August jr.
Ende November trat der Erbprinz mit dem niedersächsischen Minister für
Wissenschaft und Kultur Björn Thümler vor die Presse, um zu verkünden, dass
das Schloss für einen symbolischen Euro in die öffentliche Hand übergehen
soll, weil er es nicht mehr unterhalten könne und es sonst schließen müsse.
„Mir ist bewusst, dass die Sanierung des Schlosses für Land und Bund
finanziell belastend ist. Aber meine finanziellen Möglichkeiten übersteigt
sie bei Weitem“, zitiert ihn das Politikmagazin Rundblick.
Die Liemak Immobilien GmbH, eine Tochterfirma der Klosterkammer Hannover
soll das Gebäude übernehmen. Der Bund hat bereits eine Förderung von 13,6
Millionen Euro zugesichert. Der Rest läge beim Land. „Das erklärte Ziel
aller Beteiligten war und ist es, das Gesamtkunstwerk Schloss Marienburg
als Kulturdenkmal und Erinnerungsort mit großer Bedeutung für die
niedersächsische Landesidentität dauerhaft für die Öffentlichkeit zu
erhalten“, sagte Thümler – und rief damit Protest bei den
Oppositionsfraktionen von Grünen und FDP hervor.
## Zweifel an den Sanierungkosten
Die kritisieren, dass der Deal geschlossen wurde, ohne das Parlament oder
zumindest den Haushaltsausschuss zu beteiligen. „Wir haben großen Zweifel
an den genannten Zahlen“, sagte die FDP-Abgeordnete Susanne Schütz. Die
Befürchtung: Die Marienburg – über die die Besucherführerin behauptet, dass
Georg V. sie einst ganz ohne Steuergelder und nur aus eigener Tasche
finanziert habe – könnte für die niedersächsischen Steuerzahler immer
teurer werden.
Den größten Protest aber rief der Verkauf bei Ernst August senior hervor.
Der erklärte in einem Brief an die Tochtergesellschaft der Klosterkammer,
er habe die Schenkung der Marienburg an seinen Sohn „wegen groben Undanks“
widerrufen. Nun liegt der Verkauf auf Eis. „Das Haus Hannover muss das
jetzt aufklären“, sagte Minister Thümler am Rande einer Landtagssitzung.
Das Land habe zwar keinen Hinweis darauf, dass der Einwand etwas an der
behördlich festgestellten Eigentumslage verändern könnte. Dennoch könne das
Land unmöglich Schiedsrichter in dieser familieninternen Auseinandersetzung
sein.
Der Junior will trotzdem an dem Verkauf festhalten. Das Kulturministerium
geht davon aus, dass die Sanierung ab 2020 beginnen kann – falls es bei der
Übertragung des Schlosses an das Land bleibt.
Unter den Mitarbeitern der Marienburg, die jedes Jahr bis zu 200.000
Besucher durch die historischen Räume führen, weckt das Hoffnung. „Es muss
jetzt etwas passieren“, sagt eine Schlossführerin auf dem Hof, in dem vor
Weihnachten ein buschiger Tannenbaum mit Lichterkette steht. Es dürfe nicht
mehr weiter verfallen. „Dieses Schloss wurde mit so viel Liebe gebaut. Es
wurde aus Liebe gebaut.“
24 Dec 2018
## AUTOREN
Andrea Maestro
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NS-Raubkunst
Hannover
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