# taz.de -- Folgen der EEG-Reform: Des einen Freud, des anderen Ende | |
> Aufatmen im Stahlwerk in Eisenhüttenstadt. Ein Solarbauer versteht | |
> dagegen die Welt nicht mehr. Zwei Blickwinkel auf Gabriels EEG-Reform. | |
Bild: So sehen das BUND und Campact. | |
EISENHÜTTENSTADT taz | Im Hochofenbereich bei ArcelorMittal nisten sogar | |
Wanderfalken. Also, in den drei stillgelegten, korrigiert der | |
Pressesprecher – andernfalls wäre es sonst ziemlich heiß für die Tiere. Es | |
ist Montag, ein Tag vor der Bekanntgabe der neuen EEG-Reform zur Förderung | |
erneuerbarer Energien durch Sigmar Gabriel. | |
Vom Büro von Pierre Jacobs, Chef von ArcelorMittal Eisenhüttenstadt, sind | |
entfernt die rostig aufragenden alten Hochöfen zu sehen. Der Dienstag | |
entscheidet für Jacobs, ob er ein paar Millionen Euro mehr im Jahr für | |
seinen Strom zahlen muss. | |
„Wir sind ein grüner Standort“, sagt Jacobs – er meint damit weniger die | |
Falken als das eigene Kraftwerk, das aus den Abgasen der Stahlerzeugung | |
eigenen Strom und sogar Wärme für das angrenzende Eisenhüttenstadt erzeugt. | |
„Auch wenn es nur zwei Millionen Euro im Jahr wären, trifft uns das hart. | |
Ich kann nur die Worte von Gabriel wiederholen: Es hilft dem einfachen | |
Bürger nichts, wenn er niedrigere Stromkosten hat, aber keinen | |
Arbeitsplatz“, sagt Jacobs. | |
Einen Tag später ist klar: Es trifft ihn nicht hart. Es bleibt alles beim | |
Alten. Keine Mehrbelastung. Bisher zahlte das Werk 2,5 Millionen Euro im | |
Jahr in die EEG-Kasse, sagt Jacobs. Künftig soll der Betrag für Werke wie | |
das seine auf 0,5 Prozent der Bruttowertschöpfung gedeckelt werden. Das | |
macht wieder rund 2,5 Millionen. | |
## Kosten einer IG-Metall-Lohnrunde | |
Mit den ursprünglich von der EU geforderten Höhe wären es etwa drei | |
Millionen mehr gewesen. Das wäre so viel wie eine IG-Metall-Lohnerhöhung | |
von 1,5 Prozent, Jacobs stimmt dem zu. Das soll existenzbedrohend sein? | |
Nicht für sein Werk, sagt Jacobs. „Aber wenn es der Gruppe nicht gut geht, | |
dann bedroht das auch unseren Standort“, sagt er. | |
Das Problem aus seiner Sicht: Die Stahlindustrie leidet unter massiver | |
internationaler Konkurrenz. Seit der Krise 2008 ist die Produktion um ein | |
Viertel gefallen und hat sich nicht mehr erholt. Zudem wird der Preisdruck | |
komplett an die Branche weitergegeben: Wenige große Rohstoffhändler | |
beherrschen den Weltmarkt für die Grundstoffe des Stahls und wenige | |
mächtige Autokonzerne die Abnahmeseite. | |
In der zersplitterten Stahlindustrie, bei der selbst der weltgrößte Konzern | |
ArcelorMittal auf gerade sechs Prozent Marktanteil kommt, kann da eine | |
geringe Strompreiserhöhung die Gewinne zerstören, erklärt Jacobs. | |
## Solarbauer-Horror | |
Während der Stahlmanager aufatmen kann, versteht Peter Klein die Welt nicht | |
mehr. „Ich kann nicht verstehen, wie man eine Branche so kaputt machen | |
kann“, sagt er. Seit sechs Jahren errichtet Klein Solaranlagen, und erst im | |
vergangenen Herbst hat er genau das vollbracht, was Sinn und Zweck der | |
Förderung erneuerbarer Energien war. | |
Er baute auf das Dach des neuen Logistikzentrums des | |
Fahrzeugteile-Großhändlers Wessels und Müller im niedersächsischen | |
Hedemünden eine Solaranlage, ein Megawatt Leistung, die fast ohne | |
staatliche Förderung auskommt. 90 Prozent der Energie wird im Gebäude | |
verbraucht, ohne Förderung. Der Grund: Die Sache ist billiger, als Strom | |
aus dem Netz zu beziehen. Solarstrom funktioniert selbstständig. | |
Damit ist jetzt Schluss. Gabriels Reform kommt, und Klein sagt am Telefon: | |
„Das ist der totale …“, und will den Rest nicht in der Zeitung sehen. | |
„Damit lohnen sich solche Anlagen schlicht nicht mehr“, sagt er. Denn | |
künftig müssen Betreiber von eigenen, neuen Solaranlagen die EEG-Umlage zur | |
Hälfte zahlen – falls die eine Leistung von 10 Kilowatt übersteigen, was | |
bedeutet, dass Anlagen auf Ein- oder Zweifamilienhäusern verschont bleiben. | |
Sonst zahlt jeder, auch wenn er Solarstrom selbst verbraucht. Statt | |
Förderung zu bekommen, müssen sie von heute auf morgen selbst dafür | |
aufkommen. | |
8 Apr 2014 | |
## AUTOREN | |
Ingo Arzt | |
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