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# taz.de -- Indonesien wählt neues Parlament: Warten auf den neuen Messias
> Die Parlamentswahl gilt als Vorspiel für die Präsidentschaftswahl im
> Juli. Dann tritt mit Joko Widodo der beliebteste Politiker an.
Bild: Parlamentswahlkampf der Partei PDI-P, für die Jakartas beliebter Gouvern…
JAKARTA taz | Ohrenbetäubendes Mopedknattern – so klingt Wahlkampf in
Indonesien. Haris hält sich die Ohren zu, während er aus dem Fenster des
Busses schaut, der aus Yogyakarta langsam nach Süden fährt. Mopeds
verstopfen die Straße, vor dem Busfenster ist alles rot: Fahnen der
Demokratischen Partei – Kampf (PDI-P) und die Shirts ihrer Anhänger, die
ihre Mopeds aufheulen lassen.
Andernorts sind es das Grün der islamischen Parteien, das Gelb der
Golkar-Partei oder das Blau der noch regierenden Demokratischen Partei. Der
Lärm und die Art der Mobilisierung ist bei allen gleich: Die Kandidaten
zahlen den Mopedfahrern bis zu 50.000 Rupiah (rund 3,20 Euro) für
„Benzingeld“ und Snacks.
Die Roten fahren zur Kundgebung ihrer Partei, die in Umfragen führt.
PDI-P-Präsidentschaftskandidat Joko Widodo, genannt Jokowi, soll auftreten.
Der Gouverneur von Jakarta gilt als bürgernah, effizient und wird wie ein
Heiliger verehrt. Die Präsidentschaftswahlen sind erst am 9. Juli. Jokowi
dürfte schon bei den Parlamentswahlen der PDI-P großen Zulauf bescheren.
Haris arbeitet als Beamter in Westjava. Der Finanzprüfer kann der Euphorie
für Jokowi nichts abgewinnen. „Viele sind frustriert“, sagt er. Die
Korruption sei unerträglich geworden. Politiker, Polizisten und Richter
wirtschafteten lieber in die eigene Tasche, als ihre Aufgaben zu erfüllen.
## Mediendarling Jokowi
Doch Jokowi habe weder die Staus noch die Überschwemmungen in Jakarta in
den Griff bekommen, meint Haris. „Er ist ein Mediendarling, weil er den
Zauber von etwas Neuem versprüht.“ Danach lechzten viele, denen der seit
2004 regierende Präsident Susilo Bambang Yudhoyono als Vertreter des alten
Indonesiens gilt.
Während wirtschaftsliberale Medien im Ausland Indonesiens Reformen und das
Wirtschaftswachstum loben, klafft im Land die Schere zwischen Reich und Arm
weiter auseinander. Heute beuten internationale Konzernen in Zusammenarbeit
mit lokalen Indonesiens Ressourcen aus. Den Grundstein dafür legte der
Diktator Suharto, der 1965 bis 1998 herrschte. Er starb 2008, doch bleibt
er präsent.
Von einem gelben Plakat winkt der „lächelnde General“ neben einem Foto
seiner Tochter, die für die Suhartos frühere Partei Golkar ins Parlament
ziehen will. Suhartos Exschwiegersohn und Exgeneral Prabowo sowie der
frühere Armeechef Wiranto kandidieren für die Präsidentschaft im Juli.
Beiden werden Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen.
## „Schlechte Arbeitsmoral“ des Parlamets
Obwohl es jetzt zunächst um die Wahl des Parlaments geht, zu der zwölf
Parteien antreten, ist das kaum ein Thema. Dabei gäbe es Grund für eine
kritische Bilanz. Das „Forum der Gesellschaft, der das Parlament wichtig
ist“ (Formappi) attestiert 83 Prozent der Parlamentariern eine schlechte
Arbeitsmoral. Nur ein Drittel der vorgesehen Gesetze seien in der letzten
Legislaturperiode verabschiedet worden.
In den Feldern im Herzen der Hauptinsel Java sind normalerweise nur Grillen
und Vögel zu hören. Jetzt übertönt sie das Knattern der Mopeds auf dem Weg
zur Kundgebung.
Als der PDI-P-Konvoi vorbeifährt, unterbrechen zwei Bauern ihre Feldarbeit.
„Das ist nicht meine Partei“, sagt einer. Er klagt, die Jugend wolle heute
nicht mehr auf den Feldern arbeiten. Überall herrsche Korruption.Unter
Suharto „hätte sich niemand getraut, korrupt zu sein, den hätten die
Soldaten einfach erschossen“.
Dass die Korruption so viele Indonesier frustriert, ist paradoxerweise auch
ein Erfolg. Die Medien berichten viel über Korruption. Die
Anti-Korruptions-Behörde (KPK) nimmt ihre Aufgabe ernst und macht auch
nicht vor Politikern, Polizisten und Richtern Halt. Doch gibt es
Bestrebungen im Parlament, die Befugnisse der KPK einzuschränken.
## „Die Politiker sind doch alle gleich“
Am Straßenrand verkauft eine junge Frau Getränke. Sie habe früher in einer
Fabrik in Jakarta Schuhe für Nike produziert. In der Hauptstadt habe sie
öfter berühmte Politiker gesehen. Wen sie wähle? „Ich weiß es nicht“,
gesteht sie. „Wenn ich Fernsehen schaue, habe ich das Gefühl, die sind alle
gleich.“
Sie neckt ihren Sohn. „Na, wolltest du mal Jokowi sehen?“ Der Kleine wird
wie die Anhänger der PDI-P enttäuscht. Jokowi kommt nicht. Eine
Mopedfahrerin sagt: „Was soll er auch in diesem Dorf? Das haben sie wohl
nur gesagt, damit viele Leute kommen.“ Die Menge zieht knatternd davon.
9 Apr 2014
## AUTOREN
Christian Wolf
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