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# taz.de -- Film über Massenmord in Indonesien: DVDs für Interessierte
> Der Film „Act of Killing“ über die brutale Verfolgung von Kommunisten in
> Indonesien wird dort kaum gezeigt. Die Macher hatten Angst vor dem
> Zensor.
Bild: „Der historische Kontext fehlt“: Szene aus dem Film.
„The Act of Killing“ sei „der heftigste und politisch wichtigste Film, den
ich je über Indonesien gesehen habe“, sagte der indonesische Soziologe
Ariel Heryanto vor einem Jahr. [1][Die dokumentarische Arbeit] des
US-Amerikaners Joshua Oppenheimer, in der die Täter der blutigen
Kommunistenverfolgung von 1965 ihre damaligen Verbrechen reinszenieren,
gewann seitdem 30 Preise auf internationalen Festivals. Seit Anfang
November läuft sie in den deutschen Kinos. Zahlreiche Beobachter verbanden
mit dem Film die Hoffnung auf ein breiteres öffentliches Interesse an der
Aufarbeitung der Vergangenheit.
Doch in kommerziellen indonesischen Kinos ist „The Act of Killing“ nicht zu
sehen. Dafür hätte er bei der Zensurbehörde eingereicht werden müssen, die
ihn, so die Sorge der Filmemacher, wohl verboten hätte. Daher wählten die
Filmemacher einen alternativen Weg. Wer ein Screening organisieren wollte,
kontaktierte die Produktionsfirma und bekam eine DVD zugeschickt. Hunderte
solcher Screenings haben in Indonesien stattgefunden. Seit dem 30.
September 2013 ist der Film auch online zugänglich.
Dennoch scheint es nicht so, als ob die Gegenwart in Indonesien durch das
Stochern im Nebel der Vergangenheit erschüttert wurde. Der breiten
indonesischen Öffentlichkeit ist der Film kein Begriff. „In Indonesien hat
der Film seine Ziele nicht erreicht. Der Regisseur und sein Team haben sich
zu sehr auf die internationale Bühne konzentriert“, kritisiert der
Schriftsteller Saut Situmorang. „Aus Angst vor Gewalt wurde der Film nicht
an Plätzen gezeigt, die einer breiteren Bevölkerungsschicht Zugang
ermöglicht hätten“, so Saut. Daher sei seine Rezeption „nicht weit über …
Campus-Eliten hinausgekommen“.
Auch Alia Damaihati, Gründerin des ersten südostasiatischen
Dokumentarfilmfestivals, wo „The Act of Killing“ im letzten Jahr bei einem
informellen Screening lief, sieht ein Problem in der beschränkten
Reichweite: „Nur wenige Indonesier können sich den Film im Internet
ansehen.“
Für manche Zuschauer warf der Film zudem ethische Fragen auf. Diese kamen
nicht nur von den Protagonisten, die sich hinters Licht geführt fühlten und
damit drohten, Oppenheimer zu verklagen. „Ich achte Oppenheimers
außergewöhnlichen Ansatz, mit dem er dieses sensible und kontroverse Thema
verfilmt“, sagte der indonesische Historiker Yosef Djakababa. „Aber was
mich enorm stört, ist das Fehlen des historischen Kontextes im Film.“
Nicht alle Opfer seien Kommunisten gewesen, so Yosef. Die Opfer selbst
kritisieren, dass Oppenheimer jene, die die Befehle zum Morden gaben, kaum
betrachtet. „Der Film sagt nichts darüber aus, dass vor allem Soldaten die
Massaker verübten“, kritisiert Astaman Hasibuan, der 1965 nur knapp dem
Mord durch Militärs entkam.
## Andere Rezeption im Westen
In der Tat finden sich, außer einem kurzen Einführungstext am Anfang und
wenigen Hinweisen während des Films, die nur Eingeweihte verstehen, kaum
Informationen über die Hintergründe des Massenmordes – sei es die Rolle der
die Mörder unterstützenden Westmächte im Kalten Krieg, sei es die Rolle des
indonesischen Militärs. „Seine Darstellung von Indonesiern in diesem
Dokumentarfilm unterscheidet sich nicht von der Sicht jener Orientalisten,
für die Indonesier nur eines von vielen wilden, exotischen und seltsamen
Völkern sind, die sich gegenseitig abschlachten, weil ein Menschenleben bei
ihnen nichts wert ist“, kritisierte der malaysische Filmemacher Badrul
Hisham Ismail.
Abgesehen davon, dass die Rezeption des Films im Westen eine andere ist als
in Südostasien: Die Tatsache, dass jene, die vom antikommunistischen
Blutbad profitierten, noch immer an der Macht sind, beschränkt das Bemühen
um Aufklärung. Das heißt aber nicht, dass es dieses Bemühen seitens der
indonesischen Zivilgesellschaft nicht gäbe. Das Ziel einer alternativen
Geschichtsschreibung wird auch von zahlreichen indonesischen Filmemachern
mit durchaus sehenswerten Ergebnissen verfolgt.
„The Act of Killing“ ist ohne Zweifel ein wichtiger Film. Niemand, der sich
mit der Aufarbeitung der blutigen Ereignisse beschäftigt, kommt an diesem
ersten Zeugnis für die Straflosigkeit aus Sicht der Täter vorbei. Doch die
Aufarbeitung ist ein Puzzle, in dem Oppenheimers Film nur ein Teilchen sein
kann. Im besten Fall kann er – vorausgesetzt, seine Zuschauer wollen nach
dem Schock, den der Film auslöst, mehr zu den Hintergründen wissen – zu
erhöhtem Interesse an dem lange verschwiegenen Massenmord führen. Das
könnte mehr internationale Unterstützung für jene bedeuten, die sich in
Indonesien für die Rechte der Opfer starkmachen.
2 Dec 2013
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## AUTOREN
Anett Keller
## TAGS
Indonesien
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selbst.
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