# taz.de -- Edward Snowden und der U-Ausschuss: Der gefürchtete Zeuge | |
> Edward Snowden soll kommen, aussagen und bleiben, fordert die Opposition. | |
> Die Regierung trägt dagegen immer neue Einwände vor. | |
Bild: Ist er schon da? | |
BERLIN taz | Das Dokument trägt den unscheinbaren Titel „Antrag A1“ und ist | |
gerade einmal zwei Seiten lang. Doch seine Sprengkraft hat es bereits | |
entfaltet, bevor die Verfasser es überhaupt beschließen konnten. Denn | |
„Antrag A1“, eingereicht von Grünen und Linken im Bundestag, enthält einen | |
Plan, der das Potenzial zum weltweiten Aufreger hat: Denn | |
Ex-NSA-Mitarbeiter Edward Snowden soll aus seinem russischen Unterschlupf | |
nach Berlin geholt werden, vor dem Untersuchungsausschuss zur NSA-Affäre | |
auspacken und schließlich in Deutschland eine neue Heimat bekommen. | |
Allein dieses Szenario sorgt seit einer Woche für ungeahnten Wirbel. Der | |
[1][NSA-Ausschussvorsitzende Clemens Binninger trat von jetzt auf gleich | |
zurück], die zweite Sitzung des Gremiums [2][verlief hitzig]. SPD und Union | |
verhinderten, dass die Opposition ihren Plan zur „Vernehmung von Edward J. | |
Snowden“ auch nur lostreten konnten. Doch: Kann dieser Snowden-Coup | |
gelingen? | |
Man müsse nur wollen, lautet die Antwort der Opposition. Wenn sie ihren | |
„Antrag A1“ erst einmal beschlossen habe, sei die Regierung gesetzlich | |
verpflichtet, dem Untersuchungsausschuss unverzüglich Amtshilfe zu leisten, | |
um den brisanten Zeugen herbeizuschaffen. Dieses Procedere sei allerdings | |
„nicht trivial“, räumt Konstantin von Notz ein. Der Innenexperte vertritt | |
die Grünen-Fraktion als Obmann im Untersuchungsausschuss. Viele Fäden in | |
Sachen Snowden laufen jedoch bei seinem Stellvertreter Hans-Christian | |
Ströbele zusammen. Der 74-Jährige ist seit seinem Überraschungsbesuch in | |
Russland im Herbst 2013 als Snowdens politischer Cheflobbyist unterwegs. | |
Vor Monaten schon hat Ströbele angekündigt: Er will die Ladung dieses | |
Topzeugen im NSA-Ausschuss zur Priorität machen. Snowden im Bundestag – das | |
wäre sein spätes Meisterstück. Nun geht er den Vertretern der Großen | |
Koalition damit maximal auf die Nerven. Union und SPD hatten sich | |
vorgenommen, den NSA-Ausschuss mit unverfänglichen | |
Sachverständigenanhörungen zu Grundsatzfragen zu starten – und die brisante | |
Zeugenfrage zu vertagen. Stattdessen führt Stöbele aus der zweiten Reihe | |
mit seiner Snowden-Nummer die Regie. | |
## Regierung wittert Show | |
„Das Thema ist viel zu ernst, um es für eine Show zu nutzen“, entrüstet | |
sich Christian Flisek, Obmann der SPD im Ausschuss. Und der neue | |
Ausschussvorsitzende Patrick Sensburg bringt immer neue Einwände gegen die | |
Ladung des Whistleblowers vor: Asyl für Snowden – das sei ein berechtigter | |
„individueller Wunsch“, aber „nicht der Auftrag dieses Ausschusses“. | |
Womöglich machten sich die Abgeordneten sogar strafbar, wenn Snowden ihnen | |
Staatsgeheimnisse verrate, warnt der CDU-Politiker. „Das müsste man erst | |
juristisch prüfen lassen.“ | |
Die Abwehrmanöver haben einen simplen Grund. Die Regierung will sich | |
Snowden vom Hals halten. Nicht zuletzt, weil die Opposition dessen Ladung | |
mit Forderungen verknüpft: Der Geheimdienstaussteiger müsse unbedingt in | |
Deutschland aussagen, nur hier könne er frei sprechen. Schließlich gewähre | |
Russland ihm nur unter Auflagen Asyl: Er dürfe dem Verhältnis zu den USA | |
nicht weiter schaden. Eben deshalb, argumentiert Ströbele, könne Snowden | |
nach seiner Aussage nicht nach Russland zurück. Die Regierung müsse ihn in | |
ein Zeugenschutzprogramm aufnehmen und ihm aus politischen Gründen einen | |
dauerhaften Aufenthalt in Deutschland zusprechen. | |
Den Whistleblower mit One-Way-Ticket nach Berlin einfliegen? Ein | |
Horrorszenario für die Große Koalition. Auf die Folgen für das | |
deutsch-amerikanische Verhältnis angesprochen, geraten selbst eloquente | |
Abgeordnete wie der SPD-Obmann Flisek ins Stammeln: „Wir sollten nicht mit | |
Schaum vor dem Mund arbeiten“, sagt er wolkig. Und es gehe doch darum, | |
Vertrauen wiederherzustellen. | |
Snowden als Zeuge in Berlin, aus US-Sicht zählt das sicher nicht zu den | |
vertrauensbildenden Maßnahmen. Ein Festnahmeersuchen aus Washington liegt | |
seit Juli 2013 auf dem Berliner Kabinettstisch. Vergangene Woche stellte | |
Angela Merkels Sprecher klar: Die Bundesregierung will Snowden keinen | |
Aufenthaltstitel geben. Seit Sommer 2013 stehe fest, dass die | |
Voraussetzungen nicht vorlägen. „Ich wüsste nicht, dass die Sachlage sich | |
geändert hat.“ | |
## Rechtlich möglich | |
Zwar hat die Regierung nach Einschätzung des wissenschaftlichen Dienstes | |
des Bundestags eigentlich das Recht, einem wie Snowden eine dauerhafte | |
Aufenthaltserlaubnis zu erteilen. Aber in der Argumentationskette findet | |
sich ein Fluchtweg für Merkels Leute. Das Ganze gelte nur, wenn keine „das | |
Staatswohl der Bundesrepublik Deutschland gefährdende außenpolitische | |
Belange“ dagegen sprächen. | |
Solch eine Staatswohlgefährdung hat die Regierung in jüngster Zeit schon | |
weniger brisanten Fällen attestiert. So verweigerte sie dem „Staatswohl“ | |
zuliebe Auskünfte zu Verhandlungen über ein No-Spy-Abkommen in der EU. Und | |
die deutschen Geheimdienste streuen bereits ihre Sorge, ein Affront | |
gegenüber den USA könne dazu führen, dass sie kaum noch Informationen von | |
den Amerikanern erhielten. | |
Die Opposition wird ihr Snowden-Projekt deshalb nicht stoppen. Notfalls, | |
kündigt Ströbele an, werde man vor das Bundesverfassungsgericht ziehen. | |
Dann müssten die Karlsruher Richter klären, wie weit die Verpflichtung der | |
Bundesregierung geht, einem Untersuchungsausschuss den gewünschten Zeugen | |
zu besorgen. Selbst wenn der Edward Snowden heißt. | |
11 Apr 2014 | |
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## AUTOREN | |
Astrid Geisler | |
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